Er höre für seinen Geschmack etwas zu viel Basel, raunt der Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51) einer SP-Kollegin in der Wandelhalle zu. Es ist der Tag nach der grossen Party am Rheinknie.
Gefeiert wurden Eric Nussbaumer (63) und Eva Herzog (61). Sie präsidiert in den nächsten zwölf Monaten den Ständerat, er den Nationalrat. «Dass nirgend je so schön als hier, der Trummen und der Pfyffen Kunst erklungen», hatte der Männerchor gesungen – und derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Basler Festspiele am Mittwoch weitergehen. Dann wählt die Vereinigte Bundesversammlung einen Nachfolger für Alain Berset (51), der seinen Bundesratshut an den Nagel hängt.
Jans vermochte zu überzeugen
Die Sozialdemokraten empfehlen zwei Männer: Beat Jans (59) und Jon Pult (39), einen Basler und einen Bündner. Und obwohl Zeitungen vom spannendsten Rennen seit Jahren schreiben, scheint einer der beiden Kandidaten klar die Nase vorn zu haben: Es riecht nach Basler Läckerli im Bundeshaus.
Mit dem Lebkuchengebäck startete Beat Jans am Montag seine Charmeoffensive bei den Bauern. Nach dem Hearing trat der Basler Regierungspräsident Guetzlireste kauend vor die Kameras und sagte: «Da ist eine steife Brise gekommen.» Wie ein Bauernschreck wirkte er dabei längst nicht mehr.
Dieses Attribut hängt nun seinem Konkurrenten Jon Pult an, der sich nicht vor der mächtigen Landwirtschaftslobby in den Staub werfen mochte. Vor zwei Jahren hatte Pults PR-Agentur eine pointierte Kampagne für die Trinkwasser-Initiative entworfen. Das macht ihn bis heute für viele Bäuerinnen und Bauern unwählbar. Zur Nichtwahl des Bündners rufen auch die Offiziere auf. Der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz (VMG) hat Pult, wie der Blick berichtet, noch immer nicht verziehen, dass er sich als 21-jähriger Aktivist gegen Einsätze der Armee am Weltwirtschaftsforum in Davos GR engagiert hatte.
Pult sei noch zu jung
Im rechten Lager des Parlaments löst auch Pults Juso-Vergangenheit Skepsis aus. Als er während der Hearings dazu aufgefordert wurde, sich von seinen Jugendsünden zu distanzieren, habe Pult, so sahen es die Tamedia-Zeitungen, «kiloweise Kreide gefressen».
«Es sieht gut aus für Jans», sagt eine SP-Parlamentarierin. Zwar bekommt man bei sämtlichen Fraktionen zu hören: Alles ist offen, wir haben uns noch nicht entschieden. Doch sehen Parlamentarier von rechts bis links Vorteile aufseiten des Baslers.
Immer wieder erwähnt wird dabei Pults Alter – und dass er erst 2019 ins eidgenössische Parlament gewählt wurde. Ein Nationalrat der Grünen sagt es so: «Manch eine und manch einer, die oder der schon länger als vier Jahre in Bundesbern politisiert, wird sich sagen: Bursche, absolviere erst noch ein paar Sessionen.»
Jositsch als Sprengkandidat der SVP?
Dass eine Sprengkandidatin oder ein Sprengkandidat antreten wird, glaubt niemand wirklich. Ausgerechnet Christoph Blocher brachte die Idee ins Spiel, das offizielle SP-Ticket zu ignorieren. Der Einfluss des Herrlibergers im Bundeshaus sei aber zu klein, um einen Coup zu orchestrieren, sagt ein SVP-Nationalrat.
Allerdings wäre ein Geheimplan, der bereits Tage vor der Wahl herausposaunt würde, nicht viel wert. Doch die Aussichten dafür, dass der von seiner Partei verschmähte Ständerat Daniel Jositsch (58), die frischgebackene Ständeratspräsidentin Eva Herzog, der Romand Roger Nordmann (50) oder sonst ein «wilder» Kandidat in die Kränze kommen, schätzen sämtliche befragten Politikerinnen und Politiker als sehr gering ein.
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Bleibt das Szenario Gerhard Pfister. Der Mitte-Chef würde gerne Bundesrat werden, betont aber bei jeder Gelegenheit, dass seine Partei keine Bisherigen abwählen werde. Seine Anhänger werden den zweiten FDP-Sitz also frühestens nach einem Rücktritt von Ignazio Cassis ins Visier nehmen.
Überraschungen sind nie ausgeschlossen, doch in Bern rechnet kaum jemand mit einer Chaos-Wahl. «Pfister wird ein paar Stimmen machen, Jositsch auch – aber am Ende wird Jans gewählt», sagt der Grünen-Nationalrat; das Momentum sei klar auf der Seite des Baslers: «Es müsste jetzt noch etwas Unerwartetes passieren. Jans müsste sich unwählbar machen oder Cassis einen Bock schiessen in den letzten Tagen vor der Wahl.»
Pult der Unverbiegbare
Am Anfang des Triumphs von SP-Magistratin Elisabeth Baume-Schneider (59) standen Schwarznasenschafe. Mit den wolligen Vierbeinern im Schlepptau eroberte sie vor einem Jahr die Herzen der Bauern – und setzte sich in letzter Minute gegen die als Favoritin gestartete Eva Herzog durch. Schafft es Beat Jans tatsächlich, wird auch die Läckerli-Episode in die Geschichte eingehen.
Wird der Bündner Jon Pult mit einer Nusstorte kontern? Wohl kaum. Natürlich habe er noch ein paar Pfeile im Köcher, sagt er zu SonntagsBlick. Welche das sind, verrate er aber nicht.
Pults Strategie ist klar: kein Verbiegen, keine Bestechungsversuche mit Süssgebäck. Da klingt viel Stolz mit – und ein wenig Trotz. Jon Pult sagt es wie einer, der mit reinem Gewissen und geschwellter Brust einer Niederlage entgegensieht: «Ich antworte stets so, wie ich denke. Und ich bleibe, wer ich bin.»