Da waren's nur noch zwei Kandidaten... Fünf SP-Männer und eine SP-Frau hatten anfangs Interesse bekundet an der Nachfolge des abtretenden Bundesrats Alain Berset (51). Und auf der SP-Tour durch die Schweiz versprachen sämtliche sechs öffentlich, sich nicht als Wilde in die Landesregierung wählen zu lassen.
Tempi passati. Was zählt in der Politik das Geschwätz von gestern? Da ist einerseits die SVP, deren Parteispitze mehrfach klargemacht hatte, ausschliesslich jemandem vom SP-Ticket zu wählen, wenn dieses eine Auswahl bietet. Doch plötzlich äussern Parteivertreter Zweifel daran, ob Jon Pult (39) und Beat Jans (59) überhaupt wählbar sind.
Heer für Herzog
Neben dem Dauerbundesratskandidaten Daniel Jositsch (58), der vor allem rechts seiner SP beliebt ist, werden gerade auch aus der SVP der langjährige frühere Fraktionschef Roger Nordmann (50) und die soeben zur Ständeratspräsidentin erkorene und als solche am Mittwoch gefeierte Eva Herzog (61) als mögliche wilde SP-Bundesratsmitglieder genannt. Fachlich würde man das Amt des Bundesrats allen drei zutrauen. Doch eben, auf dem SP-Zweierticket sind sie diesmal nicht.
Herzog, für die sich SVP-Nationalrat Alfred Heer (62) ausgesprochen hat, dürfte tatsächlich kaum als Bundesrätin zur Verfügung stehen. Es wäre ein Affront, als Ständeratspräsidentin schon wieder abzuspringen. Auf Kontaktversuche reagierte die Baslerin aber nicht.
Verlässlich oder opportunistisch?
Bleiben Nordmann und Jositsch. Dass der einstige Fraktionspräsident es als Welscher fast aufs Zweierticket der SP geschafft hat, ist mehr als nur ein Achtungserfolg. Auch in seiner Fraktion weiss man, dass man mit ihm einen starken SP-Vertreter in der Landesregierung hätte. Das wissen auch die anderen Fraktionen. Dennoch geniesst er bei ihnen einen guten Ruf. Wer eine starke Landesregierung will, hat wohl Mühe, Nordmann völlig aussen vor zulassen. Zudem gilt er als verlässlich.
Letzteres wird Jositsch nicht nachgesagt. Opportunistisch trifft es eher. Innerhalb der eigenen Fraktion dürfte der Beziehungsstatus mit ihm längst von «es ist kompliziert» auf «völlig verchachelt» gestellt worden sein. Als Jositsch als einziger in Bundesbern noch hoffte, es aufs SP-Ticket zu schaffen, war er plötzlich zu allen nett. Ganz entgegen seiner Natur. Er scharwänzelte um jede und jeden herum, von der oder dem er sich Hilfe erhoffte – ob Fraktionsmitglied, Lobbyist oder Pressevertreter.
Inzwischen zeigt er allen die kalte Schulter. Auf Fragen zur Nichtnomination und der Bundesratswahl am kommenden Mittwoch mag Jositsch nicht antworten. Er lief Blick davon. Auf Anrufe reagiert er nicht.
Auch Blocher ist nicht besser
Während selbst SVP-Vordenker Christoph Blocher (83) davon abrät, Ständerat Jositsch in den Bundesrat zu wählen, weil es «verdächtig» sei, wenn jemand das so sehr wolle wie der Zürcher, liebäugeln noch immer so viele Bürgerliche mit dessen Wahl, dass klar ist: am 13. Dezember dürfte Jositsch erstmal etwa 60 Stimmen machen. Was darauf folgt, muss sich weisen. In der eigenen Fraktion sind viele überzeugt: Jositsch würde entgegen seinem Versprechen eine Wahl annehmen.
Und Nordmann? Am Rande der Feierlichkeiten seines Parteifreunds Eric Nussbaumer (63) zum Nationalratspräsidenten und von Fraktionskollegin Herzog zur Ständeratschefin sagte er nur: «Solche Spekulationen machen keinen Sinn. Mit Jans und Pult haben wir zwei gute Kandidaten.»
Wenn es trotz aller vorgängigen Versprechen hüben wie drüben am Wahlmittwoch zu Überraschungen kommen sollte, dann sind SP-Exponenten daran dennoch nicht ganz unschuldig.
Nirgends in der Schweizer Politik wird so oft gelogen wie rund um die Bundesratswahlen. Jeder lüge, der behaupte, er wolle nicht Bundesrat werden, sagt Blocher. Da hat der SVP-Doyen wohl recht – und fängt wie zum Beweis gleich selbst an zu flunkern. Einzig er, sagt Blocher, habe das je nie werden wollen.