Asylminister erhielt Brief, bevor Streit erneut eskalierte
Jans ignorierte eritreischen Hilferuf

Mitte März haben sich eritreische Regimekritiker an den neuen Justizminister gewandt. Zwei Wochen vor der erneuten Gewalteskalation zwischen verfeindeten Eritreern haben sie gewarnt, die Situation sei dramatisch. Jans will den Brief nicht selbst beantworten.
Publiziert: 07.04.2024 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2024 um 09:00 Uhr
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In Gerlafingen SO haben sich an Ostern verfeindete eritreische Gruppen bekämpft.
Foto: Leserreporter
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Andreas SchmidInlandredaktor

Am 16. März wandte sich eine Gruppe von Eritreerinnen und Eritreern schriftlich an Justizminister Beat Jans (59, SP). Sie hätten sich zusammengetan, um auf die Unterdrückung regimekritischer Landsleute aufmerksam zu machen, Versuche zu deren Spaltung durch die Regierung anzuprangern und ihre Besorgnis über Menschenrechtsverletzungen in der Heimat auszudrücken. Aus diesen Gründen bitte das Kollektiv Jans um ein Gespräch, heisst es in dem Brief, der Blick vorliegt.

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Gut zwei Wochen später, am Ostersonntag, gerieten verfeindete eritreische Gruppen in Gerlafingen SO aneinander. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas vor, um die mit Steinen und Schlagstöcken bewaffneten Gegner des Regimes davon abzuhalten, eine Feier von deren Anhängern zu sprengen.

Beide Seiten seien nicht an einer Deeskalation interessiert gewesen, hielt die Solothurner Polizei fest.

Polizei setzt Wasserwerfer gegen eritreische Gruppen ein
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Bei Fest in Gerlafingen SO:Polizei setzt Wasserwerfer gegen eritreische Gruppen ein

Regierungstreue Eritreer spalten die eritreische Diaspora

Zuvor habe es nie gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Eritreern im Kanton gegeben, so Sprecher Bruno Gribi. Im Kanton Zürich hatten sich Anhänger und Kritiker von Präsident Isayas Afewerki bereits im September bekämpft. Nach den Krawallen forderten Politiker Massnahmen, um gegen Unterstützer der Diktatur vorzugehen.

Die sammelten daraufhin an sogenannten Kulturfestivals Geld für die Regierung in Asmara, bespitzelten Gegner des Regimes, setzten sie unter Druck und provozierten sie, wie die Oppositionellen beklagen. An den Festivals verbreiteten Afewerkis Unterstützer zudem Hassbotschaften gegen ihre Widersacher – wie auch am vergangenen Sonntag in Gerlafingen.

Ausserdem seien in der Schweiz Spione mit diplomatischer Immunität für den Diktator aktiv. Im Brief an Bundesrat Jans heisst es sogar, seine Agenten kämen als «falsche Flüchtlinge» ins Land, um die eritreische Gemeinschaft in der Schweiz zu infiltrieren. In den vergangenen beiden Jahren habe das eritreische Regime seine Aktivitäten hierzulande intensiviert.

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Wir spüren die Repression der eritreischen Diktatur bis hier in der Schweiz.
Okbaab Tesfamariam, Sprecher des eritreischen Medienbunds Schweiz
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Indem Afewerkis Gegner wiederholt gewalttätig wurden, verscherzten sie sich viele Sympathien in der Schweizer Bevölkerung. Das Verständnis für ihre Anliegen ging durch die Auseinandersetzungen zurück. «Viele meiner Landsleute fühlen sich ohnmächtig», erklärt Okbaab Tesfamariam, Sprecher des eritreischen Medienbunds Schweiz, der sich für Integration und Bedürfnisse der geflüchteten Eritreer einsetzt. Er betont, die Regierung in Asmara organisiere vor den Augen seiner geflüchteten Landsleute Propagandaveranstaltungen und rufe zu Gewalt gegen Oppositionelle auf: «Wir spüren die Repression der eritreischen Diktatur bis hier in der Schweiz.» Auch Mitglieder des Medienbunds würden immer wieder bedroht, wenn sie sich öffentlich exponierten.

Opposition warnte mehrmals vor Regimefreunde

Tesfamariam bedauert, dass manche Regimegegner nicht vor Gewalt zurückschrecken. Dies sei aber eine kleine Minderheit. Zugleich hält er fest, dass die Behörden untätig geblieben seien, obwohl man sie wiederholt darauf hingewiesen habe, dass von den Kulturfestivals Gefahr ausgehe. Schon im Somer 2022 habe die Opposition die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, das Staatssekretariat für Migration sowie die damalige Justizministerin Karin Keller-Sutter (60, FDP) angeschrieben und auf das Problem aufmerksam gemacht. Auch an die zuständigen Polizeikorps habe man sich gewandt, sie würden seither regelmässig über bevorstehende Veranstaltungen informiert. Das Angebot, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten und Kontaktpersonen aus der Diaspora zur Verfügung zu stellen, stehe. Nur: «Geschehen tut sehr wenig bis nichts», kritisiert Tesfamariam.

Anfrage von Blick wurde nur halb Beantwortet

Die Hoffnung schwinde, dass dies mit dem neuen Justizminister und dem Brief an ihn besser werde. Bisher habe sich Jans nicht gemeldet – obwohl er in den letzten Tagen mehrmals öffentlich betonte, dass ihn der Streit in der eritreischen Diaspora umtreibe und forderte: «Hört auf, eure politischen Konflikte in der Schweiz auszutragen!»

Wie das Justizdepartement (EJPD) auf Anfrage von Blick mitteilt, habe Jans das Sekretariat für Migration beauftragt, auf den Brief zu reagieren. «Die Antwort wird demnächst verschickt. Über den Inhalt machen wir keine Angaben.»

Fragen, wann der Auftrag an die Behörde erging, weshalb Adressat Jans den Brief nicht selbst beantwortet und ob der Bund das Gesprächsangebot annimmt, bleiben somit offen.

Klare Ansage von Jans an Eritreer-Gruppen
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Ausschreitungen in Gerlafingen:Klare Ansage von Jans an Eritreer-Gruppen

Die Rivalität der Eritreer in der Schweiz rührt daher, dass manche der vor Jahrzehnten vor der äthiopischen Besatzung in die Schweiz Geflüchteten das heutige Regime in Asmara unterstützen. Asylbewerber aus jüngerer Zeit hingegen wollen Afewerkis Diktatur entkommen. Viele der Regierungstreuen sind mittlerweile in der Schweiz eingebürgert oder haben eine Niederlassungsbewilligung, können also nicht zurückgeschafft werden.

Nachrichtendienst des Bundes sei aktiv

Unklar ist, womit Ausschreitungen wie die in Gerlafingen künftig verhindert werden können. Das Bundesamt für Polizei verweist auf die Zuständigkeit der Kantone für Sicherheit. Im Austausch mit ihnen verfolge man die Entwicklung aber genau, betont Sprecher Patrick Jean.

Beim Nachrichtendienst des Bundes heisst es, Diaspora-Gemeinschaften in der Schweiz würden nach Erkenntnissen des Dienstes regelmässig von ausländischen Agenten ausgeforscht. «Betroffen sind die Angehörigen von einem Dutzend Staaten», sagt Sprecherin Sonja Margelist. Zu einzelnen Gruppierungen äussert sich der Nachrichtendienst nicht.

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