«Impfverweigerer diskriminieren»
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Verhaltensforscher fordert:«Impfverweigerer diskriminieren»

Braucht es eine systematische Diskriminierung?
«Es gibt keinen Grund, sich vor Impfung zu drücken!»

Braucht es eine systematische Diskriminierung von Ungeimpften, um die Impfquote weiter zu steigern? Mitte-Nationalrat Lorenz Hess plädiert für rigorosere Massnahmen, um eine vierte Welle zu verhindern.
Publiziert: 06.07.2021 um 15:51 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2021 um 17:05 Uhr
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In der Schweiz herrscht derzeit Impf-Flaute.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

In den Kantonen herrscht Impf-Flaute. Inzwischen impft die Schweiz täglich bloss etwa 68'000 Personen am Tag, insgesamt sind 7.7 Millionen Dosen verimpft. Zu Spitzenzeiten waren es 26'000 mehr. Dabei ist erst gut die Hälfte unserer Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Die Impfquote muss aber klar höher liegen, damit eine von der Delta-Variante dominierte vierte Welle im Herbst nicht wieder das Gesundheitssystem an seine Grenze bringt.

Doch wie lässt sich die Impfquote deutlich erhöhen? Für Verhaltensökonom Gerhard Fehr (50) sind Informationskampagnen alleine nicht genug. Wer sich nicht impfen lasse, den müsse man «systematisch diskriminieren», sagt er im Blick-Interview. «Das bedeutet: Nur noch diejenigen, die geimpft sind, dürfen ins Restaurant oder in ein Konzert gehen.»

Mitte-Hess kritisiert Impfverweigerer

Support erhält Fehr von Mitte-Nationalrat Lorenz Hess (60, BE). «Wenn wir rasch zurück in die Normalität wollen, müssen wir uns impfen!», macht er klar. Damit schütze man nicht nur sich selbst, sondern auch alle anderen. «Das ist eine Frage der Solidarität. Ich habe kein Verständnis für Impfverweigerer.»

Hess hat sich schon früh für ein Covid-Zertifikat starkgemacht. Es gehe nicht um Privilegien für Geimpfte, sondern um die Rückkehr zur Normalität. Das Zertifikat dürfe zwar nicht im öffentlichen Bereich wie dem Service public oder an Gemeindeversammlungen zum Einsatz kommen, stellt er klar. «Im Privatbereich hingegen braucht es eine Ausweitung auf Events, Sport und Kultur, wenn die Corona-Fallzahlen wieder weiter steigen.» Dann sei ein rigoroses Vorgehen nötig, um eine vierte Welle zu verhindern. «Eine solche können wir uns wirtschaftlich nicht leisten», sagt Hess.

«Es ist feige, wenn man lauthals nach Öffnungen brüllt, sich aber nicht impfen lässt», macht der Berner klar. «Es geht um zwei Stichli in den Arm. Ausser aus medizinischen Gründen gibt es keinen Grund, sich davor zu drücken!»

Und er warnt vor Schlimmerem: «Wenn nun kein Ruck durch die Bevölkerung geht, kommt in der Diskussion ums Epdiemiengesetz auch der Impfzwang wieder aufs Tapet.

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«Was ist denn so schlimm an einer Impfung?»
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SVP-Gutjahr ist schockiert

Bei SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr (37, TG) hingegen kommen Fehrs Vorschläge schlecht an. Schon in der Parlamentsdebatte zum Covid-19-Gesetz wehrte sie sich gegen zu viele Einschränkungen via Covid-Zertifikat. Auch jetzt macht sie klar: «Natürlich bin ich dagegen, dass man Ungeimpfte stärker bestraft.» Dennoch «schockiert» die Aussage Fehrs, dass man nur mit systematischer Diskriminierung überzeugen könne, die Politikerin.

Sich impfen oder eben nicht impfen zu lassen, müsse ein persönlicher Entscheid sein, findet sie. «Man muss auch die Konsequenzen selber tragen, wenn man aufgrund einer Nichtimpfung stärker erkrankt als Geimpfte», so Gutjahr.

Sie stört sich zudem daran, «dass man sich parallel zum Impfen nicht mehr mit den Genesenen auseinandersetzt und Antikörpertests vorantreibt, um zu schauen, wie sich diese Immunität entwickelt». Dass man weiterhin nur sechs Monate als genesen gilt, sei für sie unerklärlich. «Es macht den Anschein, dass die Pharmaindustrie hier keinen Profit erzielen kann und deshalb diese Personengruppen aussen vor lässt», moniert Gutjahr. «Für mich nicht nachvollziehbar und äusserst irritierend.»

Gegen «indirekten Impfzwang»

Auch SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (42, BE) ist kritisch: «Ich halte wenig von diesen Vorschlägen, sie könnten sogar kontraproduktiv sein, indem eigentlich Impfwillige finden, das gehe jetzt zu weit.»

Die Herausforderung sei nun, die Gruppe der Impf-Zurückhaltenden – «nicht zu verwechseln mit den Impfgegnern» – mit starken Argumenten und Vorbildern zu motivieren. «Eine Schlüsselfunktion haben dabei die Hausärzte, weil sie eine Vertrauensperson sind», findet Wasserfallen. Daher plädiert sie auch für eine kostendeckende Impfpauschale für Arztpraxen.

«Wir müssen die Schwächsten unserer Gesellschaft schützen», betont SP-Nationalrätin Yvonne Feri (55, AG) wiederum. So geht sie mit Fehr in einigen Punkten einig. Etwa, dass die Risiken einer Covid-Erkrankung stärker in den Vordergrund gerückt werden müssten, um Ungeimpfte von einer Impfung zu überzeugen. Denn viele würden die Folgen einer Ansteckung unterschätzen. Und auch angemessene Bussen für jene, die einem Impftermin unentschuldigt fernbleiben, kann sie sich vorstellen.

Von einer systematischen Diskriminierung hingegen hält sie wie ihre Parteikollegin Wasserfallen nichts. «Diskriminierungen sind ein indirekter Impfzwang, das darf nicht sein», so Feri. Stattdessen müsse man auf Solidarität pochen, um die Pandemie zu beenden. «Um aus der Situation herauszukommen, braucht es nun eine möglichst breite Impfkampagne», sagt sie. Sie verlangt auch vermehrt mobile Impfstationen, um die in den Ferien Daheimgebliebenen besser zu erreichen.

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