Streit um Schutzstatus S
Bundesrat pfeift Asylminister Jans zurück

Das Parlament verschärft das Asylrecht immer weiter. SP-Bundesrat Beat Jans hingegen stellte eine Ausweitung des Schutzstatus S zur Diskussion – das hätte weitreichende Folgen.
Publiziert: 03.10.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2024 um 13:07 Uhr
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Asylminister Beat Jans legte seinen Kollegen ein Papier vor, dass die Zukunft des Schutzstatus S besprach.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Parlament verschärft Asylgesetze, Jans fordert Lockerungen
  • Bundesrat und Parteien lehnen Jans' Vorschlag ab
  • S-Ausweitung hätte weitreichende Folgen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Stück für Stück hat das Parlament dieses Jahr die Asylschraube angezogen. Im Sommer entschied das Parlament, dass abgewiesene Asylsuchende aus Eritrea künftig in ein Drittland wie Ruanda ausgeschafft werden sollen. Zudem will der Ständerat den Schutzstatus S einschränken. Er soll nicht mehr automatisch für alle ukrainischen Flüchtlinge gelten. Und im Herbst entschied der Nationalrat, das Recht auf Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene abzuschaffen.

Bundesrat Beat Jans (60) scheint das alles nicht zu beeindrucken. Während auch unsere Nachbarn die Migrationsströme mit weiteren Verschärfungen einzudämmen versuchen, sieht der Sozialdemokrat dafür keinen Grund.

Im Gegenteil: Das Justizdepartement hat im Bundesrat sogar zur Diskussion gestellt, den Schutzstatus S auf vorläufig Aufgenommene auszuweiten. Das zeigen Blick-Recherchen. Personen werden vorläufig aufgenommen, wenn ihr Asylgesuch abgelehnt wurde, eine Rückkehr aber nicht möglich, zumutbar oder rechtens ist.

Schweiz soll für Asylsuchende nicht noch attraktiver werden

In den anderen Departementen ist die Idee aber gar nicht gut angekommen. Das bestätigen mehrere unabhängige Quellen. Zu einem formalen Antrag im Bundesrat ist es daher gar nicht erst gekommen. Eine solche Lockerung hätte schliesslich weitreichende Folgen: So würden durch die erwartete Sogwirkung nicht nur die Sozialleistungen steigen, auch der Familiennachzug würde deutlich erleichtert. Die Folgen wären absehbar: Die Schweiz würde als Zufluchtsort für Asylsuchende noch attraktiver, sagen Kritiker.

Vor allem aber will der Bundesrat angesichts drohender Defizite sparen. Höhere Asylausgaben passen ihm da gar nicht ins Konzept. Zumal Jans erst vor wenigen Tagen bereits einen Nachtragskredit von 185 Millionen für Ukraine-Flüchtlinge hatte beantragen müssen. Die bisher budgetierten 1,2 Milliarden reichen nicht. Dies, weil das Staatssekretariat für Migration (SEM) neu mit durchschnittlich 63'500 Personen mit Status S rechne, die Sozialhilfe benötigen. Im Budget war man von 50'000 Personen ausgegangen.

Das bedeutet die vorläufige Aufnahme

Flüchtlingsorganisationen kritisieren, dass sogenannt vorläufig Aufgenommene einen vergleichbaren Schutzbedarf wie anerkannte Flüchtlinge haben und trotzdem gegenüber anderen Schutzberechtigten benachteiligt seien.

Nachteile müssen vorläufig Aufgenommene etwa bei der Reisefreiheit und der Sozialhilfe in Kauf nehmen. So dürfen vorläufig Aufgenommene selbst in Europa nur in Ausnahmefällen reisen. Gleichzeitig haben sie nur Anspruch auf Asylsozialhilfe, deren Ansätze deutlich tiefer liegen als bei der regulären Sozialhilfe. Die Bemessung der Sozialhilfebeiträge liegen in der Kompetenz der Kantone – und sind unterschiedlich.

Deshalb fordert die schweizerische Flüchtlingshilfe, dass die vorläufige Aufnahme und der Status S durch einen einheitlichen Schutzstatus mit gleichen Rechten ersetzt werden.

Flüchtlingsorganisationen kritisieren, dass sogenannt vorläufig Aufgenommene einen vergleichbaren Schutzbedarf wie anerkannte Flüchtlinge haben und trotzdem gegenüber anderen Schutzberechtigten benachteiligt seien.

Nachteile müssen vorläufig Aufgenommene etwa bei der Reisefreiheit und der Sozialhilfe in Kauf nehmen. So dürfen vorläufig Aufgenommene selbst in Europa nur in Ausnahmefällen reisen. Gleichzeitig haben sie nur Anspruch auf Asylsozialhilfe, deren Ansätze deutlich tiefer liegen als bei der regulären Sozialhilfe. Die Bemessung der Sozialhilfebeiträge liegen in der Kompetenz der Kantone – und sind unterschiedlich.

Deshalb fordert die schweizerische Flüchtlingshilfe, dass die vorläufige Aufnahme und der Status S durch einen einheitlichen Schutzstatus mit gleichen Rechten ersetzt werden.

Mit der Variante, den Schutzstatus S auszuweiten, bezieht sich Jans auf einen kürzlich veröffentlichten Bericht, den der ehemalige Aargauer SP-Regierungsrat und -Nationalrat Urs Hofmann (67) im Auftrag der damaligen Justizministerin Karin Keller-Sutter (60) verfasst hat. Auch Hofmann forderte, der Status S solle zum Modell für vorläufig Aufgenommene werden. So sei der «Rechtsstatus anzugleichen».

Jans kassierte im Bundesrat eine Abfuhr

Der Vorschlag soll aber von vorneherein chancenlos gewesen sein. Die anderen Departemente hätten dem Justizdepartement (EJPD) ordentlich die Meinung gegeigt, ist aus bundesratsnahen Kreisen zu hören. In einer Medienmitteilung teilte das Staatssekretariat für Migration Mitte September den Entscheid des Bundesrats mit, dass der Status der vorläufigen Aufnahme grundsätzlich beibehalten werden soll.

Die Regierung gab Jans' Departement aber den Auftrag zu prüfen, wie die Rechtsstellung von Schutzsuchenden angeglichen werden könnte. Im Protokoll soll sogar extra festgehalten worden sein, dass Jans dabei aber keine neuen Anreize setzen dürfe. Ihm seien enge Leitplanken gesetzt worden, ist zu hören.

Auch bei den Parteien kommen die Ausbau-Pläne nicht gut an. Sie stünden völlig quer in der Landschaft, heisst es von der FDP-Spitze. Von einem «absoluten Witz» spricht die Mitte: «Das würde das Konzept des Schutzstatus komplett aushebeln. Dieser ist nur als Reaktion auf extreme Ereignisse gedacht wie den Ukraine-Krieg.»

Jans sei zu einer völlig falschen Einschätzung der Asyl-Situation gekommen, kritisieren Bürgerliche. «Er scheint da nicht gut beraten zu sein», ist im Bundeshaus zu hören. «Kantone und Gemeinden sind schon heute unter Druck – und Jans will die Asyl-Tore noch weiter öffnen. Das kommt nicht gut an.»

*In einer früheren Version des Artikels stand, dass Jans einen formalen Antrag mit der Ausweitung des Status S im Bundesrat beantragt hatte. Dem ist nicht so, intervenierte das EJPD am Donnerstag. Es handelte sich lediglich um eine Variante unter mehreren, die in einem entsprechenden Papier vorgeschlagen wurde. 

Gegendarstellung

«Der Blick berichtete am 3. Oktober 2024, Bundesrat Beat Jans habe dem Bundesrat die Ausweitung des Schutzstatus S auf vorläufig Aufgenommene beantragt. Das ist tatsachenwidrig. Auf Grundlage der Arbeiten einer Evaluationsgruppe hatte das EJPD bereits in der Ämterkonsultation vorgeschlagen, den Schutzstatus S und die vorläufige Aufnahme beizubehalten. Geprüft werden sollten lediglich punktuelle Anpassungen. Diesen Vorschlägen hat der Bundesrat mit Entscheid vom 20. September 2024 zugestimmt.» Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

Die Redaktion entschuldigt sich für den Fehler von einem Antrag im Bundesrat geschrieben zu haben, hält aber an ihrer übrigen Darstellung fest.

«Der Blick berichtete am 3. Oktober 2024, Bundesrat Beat Jans habe dem Bundesrat die Ausweitung des Schutzstatus S auf vorläufig Aufgenommene beantragt. Das ist tatsachenwidrig. Auf Grundlage der Arbeiten einer Evaluationsgruppe hatte das EJPD bereits in der Ämterkonsultation vorgeschlagen, den Schutzstatus S und die vorläufige Aufnahme beizubehalten. Geprüft werden sollten lediglich punktuelle Anpassungen. Diesen Vorschlägen hat der Bundesrat mit Entscheid vom 20. September 2024 zugestimmt.» Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

Die Redaktion entschuldigt sich für den Fehler von einem Antrag im Bundesrat geschrieben zu haben, hält aber an ihrer übrigen Darstellung fest.

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