6000 ukrainische Kriegsflüchtlinge zwischen 14 und 17 Jahren könnten in der Schweiz eine Berufslehre machen. Und diese selbst dann beenden, wenn während der Lehrzeit ihr Schutzstatus S aufgehoben würde. Das hat Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) im März entschieden.
Damit will die Politik den Jugendlichen eine Perspektive bieten. Zudem könnten sie die Kenntnisse, die sie in einer Schweizer Lehre erwerben, später auch beim Wiederaufbau ihres Landes einsetzen, so die Hoffnung.
In Zürich ein Dutzend Stifte
Doch nun zeigt sich: Kaum ein ukrainischer Jugendlicher beginnt in den nächsten Wochen eine solche Berufsausbildung. Wie eine Blick-Umfrage bei den zuständigen Kantonen zeigt, bleiben die Zahlen weit unter den Erwartungen. In Basel haben 6, in Bern 15, in Zug 8 Teenager aus der Ukraine einen Lehrvertrag im Sack.
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Im Kanton Zürich geht man von einem Dutzend aus. Einer davon ist Andrii (16). Zurzeit besucht er ein Vorbereitungspraktikum, bevor er dann im August die vierjährige Lehre als Automatiker beginnt. Andrii kam im März 2022 mit seiner Mutter und seiner Schwester in die Schweiz. Inzwischen spricht er sehr gut Hochdeutsch. Neben einem Vorbereitungskurs am Ausbildungszentrum Winterthur hat er via Fernkurs auch das Schuljahr in der Ukraine beendet.
Warum haben trotz Sonderregel so wenige Ukrainer einen Ausbildungsplatz? Viele Jugendliche seien erst vor ein paar Monaten in die Schweiz gekommen – die kurze Zeit habe bei vielen noch nicht gereicht, um die Deutschkenntnisse so weit aufzubauen, damit es für den Einstieg in eine Berufslehre reicht, sagt Niklaus Schatzmann, Amtschef des Mittelschul- und Berufsbildungsamts Kanton Zürich. Viele junge Ukrainerinnen und Ukrainer würden deshalb im kommenden Schuljahr ein Brückenangebot besuchen, um ihre Deutschkenntnisse weiter zu verbessern.
Betriebe sind zurückhaltend
Es sind aber nicht nur die Deutschkenntnisse, die den Jungen aus der Ukraine den Berufseinstieg erschweren. «Bis vor Kurzem haben Lehrbetriebe gezögert, mit Jugendlichen aus der Ukraine einen Lehrvertrag abzuschliessen, weil nicht sicher war, ob diese bis Abschluss der Lehre in der Schweiz bleiben könnten», sagt Daniel Reumiller, Leiter der Berufsberatungs- und Informationszentren des Kantons Bern.
Das erlebte auch Andrii so. «Ich habe mehr als 20 Bewerbungen verschickt, oftmals habe ich nie mehr was von den Betrieben gehört», erzählt er Blick. Doch jetzt freue er sich auf seine Ausbildung. «Ich möchte ein guter Berufsmann werden», erzählt der aus Charkiw geflüchtete Jugendliche. Sein Tipp an andere Lehrstellensuchende: «Gebt nicht auf und seid nicht traurig, wenn mal eine Absage kommt.»
Baume-Schneider selbst will Ukrainer ausbilden
Wer wie Andrii eine vierjährige Lehre absolviert, wird bei Abschluss der Ausbildung bereits fünf Jahre in der Schweiz sein – und darum wohl die Aufenthaltsbewilligung B erhalten, sofern der Schutzstatus zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgehoben ist.
Das SEM will sich vorerst nicht zur tiefen Zahl an Ukrainerinnen und Ukrainern als Lehrlingen äussern. Allerdings will Baume-Schneiders Departement mit gutem Vorbild vorangehen. So hat auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement von Baume-Schneider ab August einen Flüchtling aus der Ukraine in Ausbildung angestellt, allerdings in einer KV-Vorlehre.