Hüte dich vor alten Männern, denn sie haben nichts mehr zu verlieren, warnte schon der irische Schriftsteller George Bernard Shaw (1856–1950) ...
François Höpflinger: Das ist natürlich in der Politik häufiger der Fall. Wir haben in gewissen Ländern einen Trend zu Gerontokratie, wo – wie etwa in Afrika – die Alten herrschen.
Und auf unseren Alltag bezogen?
Bei familialen Beziehungen gibt es in den letzten zwanzig Jahren weniger Generationenkonflikte. Erwachsene Kinder haben eine bessere Beziehung zu ihren alten Eltern. Auch die Grosselternbeziehungen wurden intensiver.
Stritt man früher mehr?
Man hatte sicher weniger Verständnis für die Jungen. Den Älteren ging es zudem gesundheitlich schlechter. Was die Beziehung zu den Jüngeren nicht gerade erleichterte. Dank des Ausbaus der AHV geht es vielen Alten nun finanziell besser, sodass sie Kinder und Enkel unterstützen können.
Die Familie ist das eine, aber es gibt ja auch gesellschaftliche Generationenkonflikte.
Es existieren noch immer Generationenunterschiede – und häufig ist es einfach ein Nebeneinander statt ein Miteinander. Man toleriert sich gegenseitig, aber jede Generation hat ihre eigene Autonomie. Es gibt noch immer einen intergenerationalen Neid, etwa wenn die Alten die Jungen für verwöhnt halten.
Wo verlaufen die Konfliktlinien zwischen Jung und Alt?
Sicher auf der politischen Ebene, weil diese Entscheidungen, demografisch bedingt, von Älteren dominiert werden. Und auch in Firmen gibt es Generationendifferenzen, die zu Konflikten führen können.
In Politik und Wirtschaft muss man sich also vor Alten hüten?
Das trifft sicher auf alte, machtorientierte Männer zu, die den Wert ihrer Erfahrungen überschätzen. Und die realisieren, dass sie von Jüngeren überholt werden. Dann klammern sich diese Funktionsträger an ihre Positionen. Das sehe ich an den Unis, wo teils ältere Lehrstuhlinhaber versuchen, die Jungen abzuwehren. Die versuchen ihrerseits, die älteren Generationen mit neuen Methoden auszuhebeln.
Viele Alte weisen jegliche Schuld am Klimawandel von sich, streiten diesen sogar ab.
Die Älteren verdrängen das, weil sie es gewesen sind, die von der Umweltausbeutung profitiert haben, etwa mit dem Autofahren. Manche sagen schlicht: Nach uns die Sintflut.
Was können die Senioren zur Versöhnung beitragen?
Die Phase der Grosselternschaft ist länger denn je. Das ist ein Geschenk. Aktive Grosseltern sind besser integriert in neue Entwicklungen und haben mehr Verständnis für die neuen Generationen.
Das Zusammenleben zwischen den Generationen ist also besser als je zuvor?
In den Familien ja, bei den Freundschaften ists anders. Leute über 50 haben selten enge Freundschaftsbeziehungen mit Menschen unter 50, Partnerbeziehungen dagegen schon.
Warum ist das so?
Bei Freundschaften handelt es sich oft um langjährige Beziehungen. Man ist miteinander aufgewachsen, hat gemeinsame Aktivitäten, und diese oft in gleichaltrigen Gruppen.
Sie selber schauen auch regelmässig zu Ihren Enkeln. Woher kommt dieses Pflichtgefühl?
Familiäre Plichtgefühle sind sehr stark verankert, das hat wohl sogar biologische Wurzeln. Die Solidarität unter den Kleingruppen hat die Menschheit vorangetrieben. Viele Grosseltern können nicht Nein sagen. Aber wie viel mischt man sich ein, wann hält man sich zurück? Diese Diskussion hält an.
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