Nirgendwo in der Politik sind SRG-Kritiker stärker vertreten als bei der Schweizerischen Volkspartei. In den Reihen der SVP finden sich aber auch Vertreter von Verbänden, die unbedingt am öffentlichen Rundfunk festhalten wollen. Solche Politiker – und es sind nicht wenige – geraten jetzt in die Bredouille. Ausgerechnet wegen der von ihr bekriegten SRG droht der SVP nun selbst die Zerreissprobe.
Nationalratspräsident Jürg Stahl (49) steckt am ärgsten in der Zwickmühle. Der oberste Schweizer amtet auch als Präsident von Swiss Olympic, einem Sportspitzenverband, der 92 Mitglieder mit 19000 Vereinen und zwei Millionen Aktivmitgliedern vertritt. Schon im August beschloss die Organisation, die No-Billag-Initiative klar abzulehnen. Ausgerechnet die Kantonalpartei von Jürg Stahl aber – die Zürcher SVP – entschied sich letzte Woche für die Ja-Parole.
Im Gespräch mit SonntagsBlick geht der SVP-Politiker jetzt erstmals auf Distanz zu No Billag. «Es ist klar, dass ich die Meinung meines Verbandes teile und die Initiative ablehne», sagt Stahl. Der Schweizer Sport sei auf die Berichterstattung der SRG angewiesen. «Ohne die öffentlich-rechtlichen Sender kämen viele Verbände in finanzielle Nöte, weil ohne Berichterstattung Sponsoren abspringen würden.»
Stahl ist nicht der Einzige
Wenn Stahls Amtszeit als neutraler Leiter der grossen Kammer abgelaufen ist – zu Beginn der Wintersession am 27. November –, will er in die Offensive gehen und Co-Präsident des «Nein zu No Billag»-Komitees werden. Damit würde einer der bekanntesten SVP-Exponenten zum Aushängeschild der No-Billag-Gegner.
Stahl ist nicht der einzige SVP-Politiker, der sich gegen den Anti-SRG-Kurs der Rechtspartei auflehnt. Auch der Walliser SVP-Nationalrat Franz Ruppen (46) wird am 4. März ein Nein in die Urne legen. «Als Vertreter einer Randregion kann ich zum Anliegen nicht Ja sagen.» Nicht nur die SRG, sondern auch lokale Radio- und TV-Sender bekämen Geld aus dem Gebührentopf. Ruppen: «Würde dieser Geldfluss versiegen, drohte solchen Anstalten das Aus.» Das hätte einen negativen Einfluss auf die Medienvielfalt in den peripheren Gebieten.
SVP-Ständerat Eberle sogar Mitglied des «Nein zu No Billag»-Komitees
Noch entschiedener tritt der Thurgauer SVP-Ständerat Roland Eberle (63) an: Wie die «Thurgauer Zeitung» berichtet, ist er bereits Mitglied des Komitees «Nein zu No Billag». Würde die Initiative angenommen, entziehe dies den betroffenen Medienunternehmen einen wesentlichen Teil ihrer Mittel: «Wenn der Kuchen kleiner wird, wird es einen extremen Verteilkampf geben.» Das Angebot würde in Fläche und Qualität ausgedünnt. «Das wäre keine gute Entwicklung», warnt Eberle.
Die SVP Schweiz wird ihre Parole zu No Billag erst Ende Januar in Genf fassen. Angesichts der sich abzeichnenden Kontroversen innerhalb der Partei würde es nicht überraschen, wenn sie in diesem Punkt Stimmfreigabe beschliesst. Dann könnten alle ihr Gesicht wahren.