Die letzten zwanzig Jahre der SRG können in zwei Abschnitte geteilt werden: die Ära der Expansion und die Ära der Arroganz.
Unter Armin Walpen (1996–2010) breiteten sich die Öffentlich-Rechtlichen anscheinend uferlos aus. Zeugnis dieses betriebswirtschaftlichen Übermuts ist die nach dem Generaldirektor benannte Sala Walpen im Churer SRG-Sitz.
Walpens Nachfolger Roger de Weck (2011–2017) hingegen erwähnte lieber die moralische Überlegenheit der SRG in der Medienbranche. Relevanz war das neue Schlüsselwort. Dazu trieb de Weck die Online-Strategie des Hauses weiter.
Gut möglich, dass der seit 1. Oktober amtierende Generaldirektor Gilles Marchand eine Ära der Demut eröffnen wird. Vier Monate vor der No-Billag-Abstimmung sendet die Rundfunkspitze entsprechende Signale. Aktuelles Beispiel: Die SRG hat eine Imagekampagne gestoppt, die unter dem Slogan «Die Schweiz im Herzen» angelaufen war. SRG-Sprecher Edi Estermann bestätigt: «Es wurden auf den Sendern einige Trailer ausgestrahlt; einige weitere waren noch geplant. Angesichts des anstehenden Abstimmungstermins haben wir diese aber nicht mehr ausgestrahlt.»
Eine klare Deklaration von Eigenwerbung
Zuvor hatte der Sender Post vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) erhalten. Die Aufsichtsbehörde verbot die Kampagne zwar nicht, hielt die SRG aber dazu an, ihre Einspieler nicht mehr als Programmhinweise zu verkaufen, sondern im Werbeblock zu platzieren. Daraufhin wurde den Bossen die Angelegenheit zu heiss.
Bakom-Sprecherin Silvia Canova formuliert es so: «Das Bakom hat gegenüber der SRG seine Praxis zur Eigenwerbung präzisiert. Eigenwerbung ist eine Form von Werbung und muss vom redaktionellen Programm abgetrennt werden.» Weil die Grenzziehung «nicht immer offenkundig und einfach» sei, habe die SRG dem Amt «einzelne Trailer und Spots zu einer ersten Prüfung vorgelegt».
SRG-Sprecher Estermann betont, dass man mit dem Bakom zu diesem Thema «stets im einvernehmlichen Austausch» gestanden sei.
Die neue Bescheidenheit zeigt sich auch beim Aufgebot für die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang im Februar 2018. Vor vier Jahren löste die TV-Anstalt damit Kritik aus, dass sie 240 Mitarbeiter ins russische Sotschi schickte, deutlich mehr als die Delegationen von ARD und ZDF.
Seit Beginn der No-Billag-Debatte ist Schluss mit dem Exzess: Im Frühjahr werden noch 160 Mitarbeiter nach Fernost reisen. Sprecher Estermann: «Wir setzen stark auf neue Technologien, die es uns ermöglichen, eine grössere Anzahl TV-Bilder gleichzeitig in die Schweiz zu schicken.»
Das Ja zum neuen Radio- und Fernsehgesetz als Warnschuss
Im Unterschied zu Sotschi sei es deshalb möglich, die sogenannte Endproduktion mit Regisseuren, Produzenten und Technikern in die Schweiz zu verlagern – und die Delegation vor Ort spürbar zu verkleinern.
«Die Regisseure, Produzenten und viele Techniker werden während der Olympischen Spiele in den Regien in Zürich, Genf und Lugano arbeiten», so Estermann weiter. Dank dieser Umstellung will die SRG im Vergleich zu Sotschi eine halbe Million Franken Personal-, Reise- und Unterkunftskosten einsparen und das Geld für das Sportprogramm einsetzen.
Ein Warnschuss an die SRG war bereits das hauchdünne Ja zum neuen Radio- und Fernsehgesetz 2015. Seither verzichtet SRF auf seine umfangreiche Unternehmensbroschüre.
Symbolträchtig ist auch eine von Marchands ersten Amtshandlungen: Er hat die Lobbygruppe Trafögl aufgelöst, die noch unter seinem Vorgänger Roger de Weck aufgebaut worden war.