Bankenbeben am Paradeplatz in Zürich. Im Epizentrum: die Credit Suisse. Es trifft: CS-Boss Tidjane Thiam (57). Er muss abtreten. Die zwölf Verwaltungsräte der Grossbank und ihr Präsident Urs Rohner (60) haben am Donnerstag den Entscheid getroffen, Thiam fallen zu lassen.
Immerhin: Thiam darf erhobenen Hauptes abtreten und sogar noch die Zahlen 2019 präsentieren. Denn in der offiziellen Version heisst es, der Verwaltungsrat der Credit Suisse habe den «Rücktritt von Tidjane Thiam als Group CEO per 14. Februar 2020 angenommen».
Diplomatische Worte
Die Erleichterung bei CS-Präsident Rohner muss gross sein, der Befreiungsschlag ist ihm fürs Erste gelungen, trotz des Widerstandes gewichtiger Aktionäre. Deshalb gibt es Lob für den scheidenden CEO. «Tidjane Thiam hat der Credit Suisse einen enormen Beitrag geleistet, seit er 2015 zu uns gestossen ist», so Rohner in der CS-Mitteilung von Freitag. «Es ist klar sein Verdienst, dass die Credit Suisse heute wieder als grundsolide Bank dasteht und in die Gewinnzone zurückgekehrt ist.»
Von aussen hat man den Eindruck, dass beim Abgang deutlich weniger Harmonie im Spiel war, wie Rohner es in der Mitteilung durchscheinen lässt. «Es gab nie einen Machtkampf zwischen mir und Tidjane Thiam», bekräftig Rohner gegenüber Schweizer Radio SRF. «Die Debatte, dass wir einen persönlichen Streit gehabt hätten, war völlig daneben.»
Es sei ihm und dem Verwaltungsrat um die Reputation der Grossbank gegangen. «Die Situation ist in den letzten Wochen schwieriger geworden.» Rohner spielt auf den zweiten Beschattungsfall eines CS-Geschäftleitungsmitglieds an, der bekannt wurde. «Nach dem zweiten Fall hat sich die Situation verschlechtert. Da hat der Verwaltungsrat die nötigen Schritte eingeleitet.»
Warum nennt Rohner in der Medienmitteilung keinen Grund für den Abgang Thiams? Im Gegenteil, sie ist voll des Lobes für den abtretenden CEO. Rohner dazu zu SRF: «Das Lob ist absolut gerechtfertigt, er hat in den letzten Jahren einen hervorragenden Job gemacht.» Es habe auch nicht grössere Gründe gegeben.
Harte Verhandlungen vor dem Abgang
Es dürften dennoch harte Verhandlungen gewesen sein zwischen Thiam und dem Verwaltungsrat. «Ich bin mit dem Verwaltungsrat übereingekommen, dass ich die Bank verlassen werde», lässt sich der abtretende CS-Boss in der Medienmitteilung zitieren.
Alles zur CS-Beschattungsaffäre
Thiam bedauert
Und fügt an: «Ich hatte keinerlei Kenntnisse von der Beschattung zweier ehemaliger Kollegen. Zweifellos hat dies der Credit Suisse geschadet und zu Verunsicherung und Leid geführt. Ich bedauere das Vorgefallene und es hätte nie passieren dürfen.»
Bisher hat das Thiam-Lager innerhalb der Grossbank sämtliche Angriffe parieren können. Lediglich sein langjähriger Gefährte und Vertrauter – Pierre-Olivier Bouée (48) – musste über die Klinge springen. Doch der Beschattungsskandal um Starbanker und Ex-CS-Mitarbeiter Iqbal Khan (43) sowie Enthüllungen zu weiteren ausspionierten CS-Managern manövrierten Thiam in eine Sackgasse.
Sieger Rohner
Präsident Rohner geht im Moment als Sieger aus der Beschattungsaffäre hervor. Seine Kollegen im Verwaltungsrat stärken ihm den Rücken. CS-Vizepräsident und Roche-Konzernchef Severin Schwan (52) erklärt: «Urs Rohner hat den Verwaltungsrat während dieser turbulenten Zeit in anerkennenswerter Weise geführt. Alle Schritte des Verwaltungsrates erfolgten einstimmig und nach sorgfältigen Beratungen. Ausserdem spricht er dem Verwaltungsratspräsidenten sein volles Vertrauen aus, und erwartet, dass dieser sein Amt bis April 2021 ausübt.»
Der Neue ist ein CS-Urgestein
Neuer Konzernchef der CS wird Thomas Gottstein (55). Der Schweizer verfügt über 30 Jahre Bankerfahrung, davon mehr als 20 Jahre bei der Credit Suisse. Er kennt sich sowohl im Investmentbanking wie auch im Private Banking aus. Seit 2015 leitet Gottstein die Credit Suisse (Schweiz) und ist damit für den wichtigen Heimmarkt verantwortlich.