Beschattungsaffäre der Credit Suisse
Staatsanwältin erkundigt sich nach Rolle von CEO Thiam

Ein Dokument beweist: Die Justiz interessiert sich nicht nur für die Observation Iqbal Khans. Sondern auch für die Vorgeschichte – das Verhältnis zu seinem Ex-Chef Tidjane Thiam.
Publiziert: 18.01.2020 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2020 um 09:08 Uhr
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Am 17. September 2019 flog die Beschattung von Iqbal Khan auf. Der ehemalige Credit-Suisse-Banker erstattete Anzeige wegen «Drohung» und «Nötigung», Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft nahmen Ermittlungen auf.
Foto: ZVG
Thomas Schlittler

Am 17.September 2019 ­bemerken der Topbanker Iqbal Khan (44) und seine Frau (40), dass sie beschattet werden. Mitten in Zürich kommt es zum Aufeinandertreffen mit ­ihrem Verfolger, der – mittlerweile weiss es die ganze Welt – von der Credit Suisse (CS), Khans ehemaliger Arbeitgeberin, angeheuert worden ist.

Khan erstattet Anzeige wegen Drohung und Nötigung, Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft nehmen Ermittlungen auf. Die Medien versuchen den Ablauf der Beschattung nachzuzeichnen und spekulieren über die Hintergründe der Aktion – SonntagsBlick macht am 22. September einen Streit zwischen Khan und CS-CEO Tidjane Thiam (57) publik. Khan liess sich und seine Familie in der Folge von ­einem Sicherheitsunternehmen schützen.

Nun liegt SonntagsBlick ein ­Dokument vor, das belegt, dass sich auch die Justiz für die Vorgeschichte der Beschattung interessiert: Am 26. September bat die zuständige Staatsanwältin die Zentrale Datenverarbeitung der Kantonspolizei um «Aktenbeizug» betreffend Khan und dessen ehemaligen Chef Thiam.

Wörtlich heisst es in dem ­Schreiben: «Aufgrund eines ­laufenden Strafverfahrens und gestützt auf Medienberichte (...) ersuche ich Sie, mir sämtliche Akten betreffend oben genannte Person (Iqbal Khan, Anm. der Redaktion) oder Tidjane Thiam, seit Anfang Jahr 2019, zukommen zu lassen.»

Privatdetektiv sei «tätowiert» und «glatzköpfig»

Was das Auskunftsbegehren ­ergeben hat, behält die Staats­anwaltschaft für sich. «Zu ein­zelnen Verfahrenshandlungen machen wir keine Angaben», so die Behörde.

Doch alleine die Tatsache, dass es die Anfrage gab, ist bereits brisant. Denn dadurch wird eine Frage aufgeworfen, die vor allem für den enttarnten und anschliessend angezeigten Privatdetektiv von grosser Wichtigkeit ist: Wurden die «Todesängste», die Khan gemäss eigenen Aussagen bei der Konfrontation mit dem Privatdetektiv verspürte, ausschliesslich durch eben dieses Aufeinandertreffen ausgelöst – oder vielmehr durch eine monatelange Vorgeschichte?

Die schriftliche Strafanzeige, die Khans Anwalt am 19. September eingereicht hat, legt den Schluss nahe, dass Letzteres der wahre Grund für Khans «extreme Angst» war.

Zwar schildert die Strafanzeige, die SonntagsBlick ebenfalls vorliegt, ausführlich die Gründe dafür, dass das Ehepaar Khan durch die Vorfälle vom 17. September «zutiefst verstört und verängstigt» war. Unter anderem wird mehrmals betont, dass der Privatdetektiv «tätowiert» und «glatzköpfig» gewesen sei.

Khan kontaktierte bereits vor einem Jahr den Gewaltschutz

Am Ende der Anzeige gibt es aber auch einen Abschnitt, der ­beweist, dass die missglückte ­Beschattungsaktion Khans Ängste nicht alleine ausgelöst hat. «Der Anzeigeerstatter hat in der Vergangenheit bereits massive Drohungen gegen Leib und Leben erfahren müssen», schreibt Khans Anwalt.

Ist da tatsächlich vom Streit mit Thiam die Rede? Zumindest die «SonntagsZeitung» ist überzeugt davon. Das Blatt schrieb vor einer Woche, dass Khan bereits im Januar 2019 – nach seiner Ausei­nandersetzung mit Thiam – den Gewaltschutz der Kantonspolizei Zürich kontaktiert habe. Die Kantonspolizei Zürich will sich auf Anfrage nicht äussern. Auch Khan und sein Anwalt schweigen dazu.

CS organisierte 24/7 Personenschutz

Interessant an Khans schriftlicher Anzeige ist aber auch ein anderer Aspekt: Die CS wird darin in den höchsten Tönen gelobt. Zum Telefongespräch mit CS-Sicherheitschef Remo Boccali (48), das Khan unmittelbar nach dem Aufeinandertreffen mit dem Privatdetektiv führte, heisst es: «Die Credit Suisse erkannte die Bedrohungslage für ihren Arbeitnehmer sofort und organisierte für diesen umgehend einen 24/7 Personenschutz.»

Khans Anwalt versucht die Reaktion der CS zum Vorteil seines Mandanten zu nutzen: «Die Einschätzung der Gefahrenlage und die blitzartige Reaktion durch die Bank Credit Suisse (...) lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass sich der Anzeigeerstatter, seine Ehefrau und die beiden Kinder in einer unmittelbaren Gefahr befanden, ja sich möglicherweise weiterhin in einer solchen befinden.»

Das Merkwürdige an diesen Zeilen: Sie wurden am 19. September verfasst. Dabei war bereits im Verlauf des 18. Septembers herausgekommen, dass die CS hinter der Beschattung steckte. Sicherheitschef Boccali und der Mittelsmann, der zwischen CS und den enttarnten Privatdetektiven vermittelt hatte, stellten sich der Polizei. Zudem ist in ­einem Polizeirapport festgehalten: «Der Geschädigte Iqbal Khan wurde am 19.09.2019, um 11.20Uhr, (...) telefonisch darüber informiert, wer die Auftraggeber der Observation (...) sind.»

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