Die Klimaorganisation Renovate Switzerland generiert ordentlich Aufmerksamkeit. Beispielsweise, als sie am Montag eine Autobahnausfahrt in Zürich blockierte. Das Ziel: Durch den zivilen Ungehorsam die Regierung in Sachen Klimaschutz zum Handeln zu bringen. Doch anstatt der Regierung geraten die Aktivistinnen und Aktivisten immer wieder selbst ins Kreuzfeuer. Ihre Botschaft geht in heissen Diskussionen um die Form des Protests verloren.
Auch das Privatleben der Aktivistinnen und Aktivisten wird teils harsch kritisiert. So etwa von einem Blick-Leser, der berichtet: «Ich flog heute von Zürich nach Paris. Und wen treffe ich da? Max Voegtli von Renovate.» Der 30-Jährige war schon bei verschiedenen Demos dabei, beteiligte sich unter anderem an der Klebe-Aktion vom Gotthard als Peacekeeper. Er ist Vollzeit-Aktivist.
«Als Klima-Kleber geht das gar nicht», findet der Lesereporter. Denn für die Strecke Zürich–Paris gibt es einen Direktzug, der Passagiere innert vier Stunden ans Ziel bringt.
«Es handelt sich um Privatpersonen»
Als Blick bei Renovate nachhakt, zeigt sich Mediensprecherin Cécile Bessire entsetzt: «Ich finde es unverständlich, dass Bürgerinnen und Bürger unsere Aktivisten verfolgen und Fotos machen. Es handelt sich dabei um Privatpersonen.» Zudem findet sie, wie auch die «Letzte Generation», dass die Aufmerksamkeit fehlgelenkt sei: «Warum fragt man Personen, die sich fürs Klima einsetzen, sich zu rechtfertigen, und nicht Politiker und Politikerinnen, die die Öl-, Gas- und Kohle-Lobbys unterstützen?»
Des Weiteren erklärt sie, dass private Handlungen der Aktivistinnen und Aktivisten in ihrem eigenen Ermessen liegen: «Ich fliege nicht und habe das auch in Zukunft nicht vor. Ich kann nicht im Namen von anderen Personen sprechen», sagt Bessire. Anders bei Voegtli: Er bestätigt gegenüber «Züri Today», er sei via Paris nach Mexiko geflogen. Pikant: Erst am Dienstag war Voegtli bei «TalkTäglich» zu Gast und diskutierte dort über die Aktionen der Klimakleber.
Gemäss dem CO2-Rechner von «Myclimate.org» verursache eine Hin- und Rückreise mit dem Flugzeug von Zürich nach Mexiko via Paris rund 3,3 Tonnen CO2-Emissionen.
Zum Vergleich: Fährt man von Zürich mit einem PKW zu dritt ins Tessin und zurück, ergibt das einen CO₂-Ausstoss von 30 Kilogramm pro Person.
Vögtlis Mexiko-Reise entspricht also über Hundert Fahrten Tessin retour.
Voegtli meldet sich auf Twitter
Am Freitagnachmittag äussert sich Voegtli auf Twitter zu seiner Reise: «Ja, ich bin in Mexiko, um zwei Monate in Mittelamerika zu reisen. Die Privilegien, die ich hier ziehe, sind mir klar und es war nicht eine einfache Entscheidung.» Er habe alternative Anreisemöglichkeiten recherchiert. Allerdings sei wenig zu finden gewesen, schreibt Voegtli weiter.
Stellungnahme von Renovate im O-Ton:
Max Voegtli (30), der für das Recht auf eine Zukunft für uns allen sich an Strassen klebt, wurde diesen Donnerstag von einem Leser-Reporter am Flughafen Zürich gesichtet.
Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden, wenn Sympathisant:innen von Renovate Switzerland in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so.
Individuelles Verhalten ist nicht unwichtig, im Gegenteil. Sich politisch gegen die Klimakrise zu engagieren, geht oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun. Insbesondere beeinflusst es auch nicht, wie richtig oder falsch unsere Forderungen an die Regierung sind.
Renovate Switzerland ist nicht hier, um von Menschen, die sich für eine lebenswerte Zukunft engagieren, zu verlangen, dass sie perfekt sind. Egal, ob du deinen Müll trennst, ob dein Haus renoviert ist, ob du für eine Bank arbeitest, ob du Fleisch isst oder ob du fliegst. Alles, was du tun solltest, ist, dir eine lebenswerte Zukunft zu wünschen und dich in der Klimabewegung zu engagieren. Wenn wir warten, bis alle Menschen sich klimabewusst verhalten, um zu handeln, dann wird es zu spät.
Sich zu weigern, in den endlosen Kreislauf von Schuldzuweisung und Verurteilung einzutreten, ist der grösste Akt der Menschlichkeit, den wir bislang vollbringen können. Es geht um unser Überleben, denn wir sind aufeinander angewiesen, um den Klimanotstand zu bewältigen.
Wir laden alle ein, sich die wirklich wichtige Frage zu stellen: Wie schaffen wir es, als Gesellschaft zu überleben?
Stellungnahme von Renovate im O-Ton:
Max Voegtli (30), der für das Recht auf eine Zukunft für uns allen sich an Strassen klebt, wurde diesen Donnerstag von einem Leser-Reporter am Flughafen Zürich gesichtet.
Natürlich können wir nachvollziehen, dass negative Gefühle ausgelöst werden, wenn Sympathisant:innen von Renovate Switzerland in ein Flugzeug steigen. Vielen von uns geht es so.
Individuelles Verhalten ist nicht unwichtig, im Gegenteil. Sich politisch gegen die Klimakrise zu engagieren, geht oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. Es ist jedoch keine Voraussetzung, dies zu tun. Insbesondere beeinflusst es auch nicht, wie richtig oder falsch unsere Forderungen an die Regierung sind.
Renovate Switzerland ist nicht hier, um von Menschen, die sich für eine lebenswerte Zukunft engagieren, zu verlangen, dass sie perfekt sind. Egal, ob du deinen Müll trennst, ob dein Haus renoviert ist, ob du für eine Bank arbeitest, ob du Fleisch isst oder ob du fliegst. Alles, was du tun solltest, ist, dir eine lebenswerte Zukunft zu wünschen und dich in der Klimabewegung zu engagieren. Wenn wir warten, bis alle Menschen sich klimabewusst verhalten, um zu handeln, dann wird es zu spät.
Sich zu weigern, in den endlosen Kreislauf von Schuldzuweisung und Verurteilung einzutreten, ist der grösste Akt der Menschlichkeit, den wir bislang vollbringen können. Es geht um unser Überleben, denn wir sind aufeinander angewiesen, um den Klimanotstand zu bewältigen.
Wir laden alle ein, sich die wirklich wichtige Frage zu stellen: Wie schaffen wir es, als Gesellschaft zu überleben?
Nicht das erste Mal
Auch bei der «Letzten Generation» gab es schon ordentlich Wirbel, als Anfang Jahr eine Aktivistin und ein Aktivist der deutschen Aktivistengruppen nach Thailand flogen. Es entbrannte eine grosse Diskussion. Sich für den Klimawandel einzusetzen und dennoch einen Langstreckenflug anzutreten, hielten viele für eine Doppelmoral.
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Die «Letzte Generation» sagte damals: «Sich politisch gegen den Klimakollaps zu engagieren, geht oft damit einher, das eigene Leben umzustellen. Es ist jedoch keine Voraussetzung.» Zudem verstehe man die negativen Gefühle, forderte aber dennoch: «Wir laden alle ein, jetzt den Blick voneinander ab- und dem wirklich Wichtigen zuzuwenden: Wie schaffen wir es, als Gesellschaft zu überleben?» (mrs/zis/bab)