Die «Fridays for Future»-Proteste brachten einen Stein ins Rollen – und Millionen von Menschen auf die Strasse. Am globalen Klimastreik im September 2019 nahmen rund 4,3 Millionen Menschen teil. Doch nun nimmt der Hype ab. Am globalen Klimastreik im März 2023 waren nur noch rund 350'000 Menschen beteiligt.
Auch in den Medien verliert die Organisation an Relevanz, wie der «Spiegel» berichtet. Neue Organisationen wie die «Letzte Generation» nehmen ihren Platz ein. Ob durch Klebeaktionen oder das Beschmieren eines Gemäldes mit Kartoffelbrei: Die teils skurrilen Aktionen der Letzten Generation sorgen für Aufmerksamkeit. Eine «Spiegel»-Analyse von rund 2,2 Millionen Artikeln zeigt, dass es im April etwa 15-mal mehr Artikel über die Letzte Generation gab als über Fridays for Future.
Das neue Konzept ist laut der «Spiegel»-Analyse einfach: «Maximale Aufmerksamkeit durch maximale Störung.»
Eine neue Ära für den Klimaaktivismus?
Auch hierzulande gibt es neue Gruppierungen, etwa Renovate Switzerland. Die schweizerische Klimabewegung verlangt, dass die Regierung den Klimanotstand ausruft und fordert einen Notfallplan für die thermische Sanierung aller Gebäude bis 2030. Im April klebten sich Aktivistinnen und Aktivisten dafür vor den Gotthard-Tunnel. Aber warum häufen sich solche Aktionen?
Soziologe Ueli Mader vermutet in einem Interview mit Blick: «Die Aktionen passieren aus einer gewissen Ohnmacht.» Wenn trotz zahlreicher Proteste das Gefühl entsteht, dass nicht genug unternommen wird, wird zu härteren Massnahmen gegriffen.
Renovates Mediensprecherin Cécile Bessire sagt: «Organisationen wie Renovate Switzerland und Letzte Generation zeigen, dass die Bewegung an Reife gewinnt. Unsere Organisationen setzen bewusst gewaltfreie Aktionen als Mittel ein, um die öffentliche Debatte nachhaltig zu verändern, während Fridays for Future eine eher spontane und kurzlebige Bewegung war.»
Radikale Aktionen seien gesunder Menschenverstand
Anders als bei Fridays for Future sorgen die Aktionen von Renovate jedoch bei vielen Menschen für Unverständnis und Ärger. Klima-Kleber werden als radikal bezeichnet und belächelt, ihre eigentliche Botschaft gelangt in den Hintergrund.
Bessire verteidigt die Aktionen trotzdem: «Sie sind radikal in dem Sinne, dass sie dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Wenn es in einem Theater brennt, muss jemand aufstehen und das Stück stören, um die Leute zu warnen. Das ist unangenehm, aber es ist gesunder Menschenverstand. Die Absicht ist hier, das Gemeinwohl zu bewahren.» (mrs)