Unterrepräsentiert und übersehen
Die Schweiz hat die Inklusion von Menschen mit Behinderung versäumt

Die Schweiz hat es verpasst, Menschen mit Behinderung angemessen in die Gesellschaft zu integrieren. Das ist eines reichen, gebildeten Landes wie der Schweiz unwürdig.
Publiziert: 19.05.2024 um 10:01 Uhr
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Menschen mit Behinderung sind auch 20 Jahre nach Einführung des Gleichstellungsgesetzes mit hohen Hürden konfrontiert.
Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Wissen Sie, wie viele Menschen in der Schweiz eine Behinderung haben? 1, 5 oder 10 Prozent? Es sind 1,8 Millionen. 22 Prozent. Mehr als jeder Fünfte.

Eine unglaubliche Zahl, wenn man bedenkt, wie wenig Präsenz das Thema in der Öffentlichkeit erfährt. Die Schweiz feiert derzeit 20 Jahre Behindertengleichstellungsgesetz und 10 Jahre Uno-Behindertenrechtskonvention.

Zu feiern gibt es merklich wenig.

2022 kritisierte die Uno, die Schweiz verletze in vielerlei Hinsicht die Rechte der Menschen mit Behinderungen und lebe die Inklusion auf sämtlichen politischen Ebenen und in der Gesellschaft zu wenig.

Die Hürden für Menschen mit Behinderung im offenen Arbeitsmarkt sind hoch, der Schutz vor Diskriminierung unzureichend. Es fehlt eine politische Strategie zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems. Nur 60 Prozent der SBB-Bahnhöfe sind barrierefrei. Die Wartezeit für Blindenhunde beträgt mehrere Jahre, die Finanzierung ist von Spenden und Freiwilligen abhängig.

Diese Missstände haben nicht zuletzt mit der krassen Unterrepräsentation auf politischer Ebene zu tun. Letzten Herbst wurden drei Menschen mit Behinderung ins Parlament gewählt – es ist leider ein Rekord. Drei Politiker – für mehr als ein Fünftel der Gesellschaft. 

Die aktuelle Situation ist eines reichen und gebildeten Landes wie der Schweiz unwürdig. Die Schweiz muss endlich aufholen.

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