«Freiwilligkeit reicht nicht»
Bundesrat will gleiche Arbeitsrechte für Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen sollen im Arbeitsleben besser vor Diskriminierungen geschützt werden sowie erleichterten Zugang zu Dienstleistungen haben. Der Bundesrat will Arbeitgebende und Private in die Pflicht nehmen, um dort eine Gleichstellung zu erreichen.
Publiziert: 10.03.2023 um 14:14 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2023 um 16:34 Uhr
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Bundesrat Alain Berset stellt die Ziele für die Behindertenpolitik 2023 bis 2026 vor.
Foto: keystone-sda.ch

Menschen mit Behinderungen seien in ihrem Alltag nach wie vor benachteiligt, teilte der Bundesrat am Freitag mit. Sie stiessen etwa auf Vorurteile im Bewerbungsverfahren oder auf Arbeitsinstrumente, die nicht barrierefrei seien. Zudem seien viele Beratungsangebote, etwa in der Gesundheitsversorgung, für sie nur eingeschränkt zugänglich.

«Wir müssen die Gesetze verändern, um die Situation zu verbessern. Freiwilligkeit reicht nicht», sagte Bundespräsident Alain Berset vor den Medien in Bern. Der Bundesrat will deshalb Arbeitgebende dazu verpflichten, «zumutbare» Massnahmen zu treffen, damit Mitarbeitende mit Behinderungen gleichgestellt einer Arbeit nachgehen können. Sie sollen im Arbeitsleben «explizit» vor Diskriminierung geschützt werden, so der Bundesrat.

Fokus auf gehörlose Personen


Ebenso sollen Private dafür sorgen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Dienstleistungen «ohne erschwerende Bedingungen» genutzt werden können. Dazu gehören im weitesten Sinne auch Besuche beim Coiffeur oder bei der Metzgerin.

Einen Fokus will der Bundesrat bei der Gleichstellung gehörloser Personen setzen. Er will beispielsweise die drei Schweizer Gebärdensprachen anerkennen. Damit erfüllt er eine Forderung des Parlaments.

Neben der Arbeit und den Dienstleistungen will der Bundesrat die Gleichstellung auch bei der Partizipation und beim Wohnen verbessern. Menschen mit Behinderungen hätten Schwierigkeiten, die Wohnform und den Wohnort frei zu wählen, schrieb der Bundesrat. Eingeschränkt seien sie vielfach durch den Zugang zum Wohnraum - etwa, weil dieser zu teuer sei oder Einrichtungen nicht den benötigten Anforderungen entsprächen.

Deshalb soll geprüft werden, wie das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen verbessert werden kann. In der Schweiz leben laut Bundesrat rund 150'000 Menschen mit Behinderungen in Wohn- oder Altersheimen. Die Regierung will weiter prüfen, wie die aktive Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben gefördert werden kann.

«Ambitionierter Zeitplan»

Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit einer entsprechenden Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) beauftragt. Die Vernehmlassungsvorlage soll bis Ende Jahr vorliegen, im Sommer darauf bereits eine Botschaft ans Parlament.

«Wir sind uns bewusst, dass dies ein ambitionierter Zeitplan ist», sagte Berset. Der Bundesrat wolle mit diesem Entscheid eine Debatte lancieren, wie Menschen mit Behinderungen in der Schweiz gleichgestellt werden können - und zwar möglichst rasch.

Die Zahl der in der Schweiz lebenden Menschen mit Behinderungen wird auf 1,8 Millionen geschätzt. «Das ist ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung», sagte Berset. Miteinberechnet sind Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sowie ältere Menschen mit Beeinträchtigungen. Von den 1,8 Millionen gelten rund 590'000 als Menschen mit starker Beeinträchtigung.

Gehörlosenbund fordert eigenes Gesetz

Der Dachverband Inclusion Handicap bezeichnete die Massnahmen des Bundesrats als «ein erfreulicher Teilerfolg». Es sei eine wichtige Reaktion auf einige drängende Probleme bei der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Es brauche jedoch noch weitere Massnahmen. Die Umsetzung der Gleichstellung in der Schweiz sei insgesamt eine "zähe Angelegenheit".

Der Schweizerische Gehörlosenbund kritisierte, dass der Bundesrat die Anerkennung der Gehörlosensprachen im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes regeln will. Die Organisation fordert ein eigenes Gebärdensprachengesetz. Denn Gehörlosigkeit dürfe nicht ausschliesslich als Behinderung verstanden werden. Die Gehörlosengemeinschaft in der Schweiz sei eine sprachliche und kulturelle Minderheit, hiess es. (SDA)


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