Auf den Tag genau vor zehn Monaten trat Wladimir Putin (70) seinen Krieg gegen die Ukraine los. Bei allem Dilettantismus, mit dem sich seine Armee seither blamiert – Putin hat einen Trumpf: Er hat Zeit und Beharrlichkeit, den Krieg noch sehr lange weiterzuführen.
Deshalb war der Überraschungsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) in Washington so wichtig. Er hatte zwei Ziele: Der Westen darf nicht kriegsmüde werden. Und er soll weitere Unterstützung liefern.
Beides ist gelungen. Joe Biden (80) sagte klipp und klar: «We will stay with you as long as it takes» – wir sind da, solange es dauert. Der US-Präsident versprach Selenski weitere Militär-Soforthilfe in der Höhe von 1,8 Milliarden Dollar und die hocheffizienten Patriot-Abwehrraketen. Der US-Kongress sprach für nächstes Jahr weitere Hilfe von 45 (!) Milliarden Dollar.
Die USA haben finanziell bisher mehr geleistet als alle anderen Länder zusammen und doppelt so viel wie die EU. Selenski sagte zur Milliardenhilfe: «Ihr Geld ist keine Wohltätigkeit, es ist eine Investition in die globale Sicherheit.»
Ob es uns passt oder nicht: Der Krieg in der Ukraine ist auch unser Krieg. Weil er ein Angriff ist auf unsere freiheitliche Welt. Weil Putins Atom-Drohung uns alle ebenso betrifft wie die Flüchtlingswelle, die hohen Energiepreise und die Folgen für Wirtschaft und Wohlstand.
Daran sollten alle denken, die heute Abend in der wohlig warmen Stube Weihnachten feiern, das Fest von Liebe und Besinnlichkeit: an die Zehntausende von Kriegstoten. An die Millionen von frierenden Ukrainerinnen und Ukrainern in zerstörten Städten. An die Millionen von ukrainischen Flüchtlingen, die irgendwo in Europa getrennt von ihren Familien leben.
Heute feiert die Welt die Geburt Jesu. Vor 2022 Jahren irrten Maria und Josef von Nazareth durch die Nacht, um ihr Kind zu gebären. Überall, wo sie anklopften, wurden sie abgewiesen und fanden schliesslich in einem Stall Unterschlupf. Heute klopft die ukrainische Nation an die Türen Europas und begehrt Einlass, um Mitglied zu werden in der europäischen Familie.
Sind wir nicht zum Teil ebenso hartherzig mit der Ukraine wie damals die Bewohner Bethlehems mit Maria und Josef?
Der Ständerat lehnte vor zwei Wochen eine Motion aus dem Nationalrat ab, welche die humanitäre Hilfe für die Ukraine von 80 auf 95 Millionen Franken erhöht hätte. Und noch immer verbietet die Schweiz anderen Ländern, Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion der Ukraine weiterzugeben – zum Beispiel Deutschland, das Schweizer Panzermunition liefern will.
Unser Land versteckt sich im Paragrafendschungel der Schweizer Neutralität und merkt nicht, wie es auf der falschen Seite der Geschichte steht.
Weihnachten ist auch ein Fest der Hoffnung: Vielleicht nutzen unsere Politikerinnen und Politiker Weihnachten, um zur Besinnung zu kommen.