Hamid Ghare Hasanlou und Farzaneh Ghare Hasanlou befinden sich auf dem Heimweg von Protesten anlässlich des 40. Todestags der 20-jährigen Menschenrechtsaktivistin Hadis Najafi, die auf offener Strasse von bewaffneten Sicherheitskräften des iranischen Regimes erschossen wurde. Das Ehepaar trifft dabei auf Protestierende, die einen Basidsch-Milizen attackieren, der später daran verstirbt. Der Arzt Hamid Ghare Hasanlou versucht laut Augenzeugen, die Männer davon abzuhalten.
Am nächsten Tag wird das Ehepaar vor den Augen der 13-jährigen Tochter auf brutale Weise verhaftet und beschuldigt, am Tod des Basidsch-Milizen beteiligt gewesen zu sein. Im Gefängnis werden die beiden gefoltert. Hamid Ghare Hasanlou erleidet mehrere Rippenbrüche und einen Lungenriss. In einem Scheinprozess wird er zum Tode verurteilt. Davon erfährt er nach einer Operation, die seine Verletzungen nötig machten. Seine Frau muss 25 Jahre ins Gefängnis. Das Ehepaar ist bekannt für sein humanitäres Engagement und hat einen Sohn und eine Tochter.
In einer Aktion, die auch in anderen Parlamenten stattfindet, habe ich für den Radiologen Hamid Ghare Hasanlou eine politische Patenschaft übernommen. Ich will auf sein Schicksal aufmerksam machen und seine Ermordung verhindern. Die fürchterlichen Hinrichtungen der beiden jungen Männer vor ein paar Tagen rauben mir den Schlaf. Langsames und qualvolles Aufhängen an einem Baukran wegen Krieg gegen Gott. Mittelalter in Reinkultur. Seit Beginn der Proteste für die Menschenrechte im Iran sind mehr als 30'000 Menschen verhaftet und etwa 1000 Menschen getötet worden. Ein Regime ist ausser Rand und Band.
Szenenwechsel. Vor zwei Jahren reiste eine Schweizer Delegation mit dem Aussenminister in den Iran. Der Anlass: 100 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Iran. Zur gleichen Zeit ist der junge Sportler Navid Afkari zum Tode verurteilt worden, weil er an Protesten teilgenommen hat. Auch er wurde gefoltert. Aus dem Gefängnis entwich ein Tondokument des verzweifelten 27-Jährigen. Ich habe noch heute seine Stimme im Ohr. Die Schweizer Delegation sass sozusagen noch im Flieger zurück, als Navid Afkari hingerichtet wurde. Eine klare Provokation gegenüber unserer Regierung und des Rechtsstaates Schweiz.
Die Mullahs haben gezeigt, was sie von unserer Diplomatie halten. Die offizielle Schweiz darf sich das nicht gefallen lassen und alles tun, dass diese Exekutionen ausgesetzt werden. Den Botschafter einbestellen, ihm öffentlich die Menschenrechte vor Augen halten und die EU-Sanktionen gegenüber Funktionären des iranischen Regimes übernehmen, ist das Mindeste. Dies gebietet gerade unsere besondere Rolle in der Beziehung zum Iran. Neutralität heisst nicht Leisetreterei, sondern eine klare Benennung von Recht und Unrecht, sonst werden die Guten Dienste zu Bärendiensten. Unsere Diplomatie dient nicht den Mullahs. Sie dient den Menschen im Iran, die für die gleichen Rechte kämpfen, welche die «älteste kontinuierliche Demokratie der Welt» so selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt.
* Marianne Binder-Keller ist Mitte-Nationalrätin und Präsidentin Die Mitte Aargau