Iran und der «Globale Süden»
Der Tod einer Idee

Der Ausdruck «Globaler Süden» ist das vergilbte Che-Guevara-Shirt unter den politischen Begriffen. Mehr leider nicht. Das zeigt die Iran-Abstimmung des UNO-Menschenrechtsrats.
Publiziert: 27.11.2022 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2022 um 09:41 Uhr

Am Donnerstag spielte sich in Genf Historisches ab. Zum ersten Mal überhaupt widmete sich der Uno-Menschenrechtsrat in einer Sondersitzung der Islamischen Republik, seit diese 1979 in Iran die Macht übernahm.

Aber das war noch nicht alles: Die Mehrheit sprach sich für eine unabhängige Uno-Mission aus, die juristisch verwertbare Beweise für die Blutspur sammeln soll, welche die Mullahs bei ihrem Krieg gegen das eigene Volk hinterlassen.

Das Resultat ist ein wichtiger symbolischer Sieg für die Freiheitsbewegung und ein Erfolg für die anfänglich belächelte deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock, die eigens in die Schweiz gereist war, um diesen diplomatischen Coup in einem Parforceritt zu erringen.

Der Schaden für die Turbanträger ist unübersehbar – und unwiderruflich. Denn parallel zu ihrer Politik des Mordens und Beseitigens von Widersachern arbeitet die Führung in Teheran seit jeher geflissentlich am Schein der internationalen Vernetzung und der zwischenstaatlichen Normalität.

Mit dieser Strategie konnten die Ayatollahs bisher stets auf Komplizen zählen. Die Abstimmung vom Donnerstag offenbarte erneut, um wen es sich dabei handelt: Länder wie Kuba, Venezuela, Eritrea und natürlich China stellten sich auf die Seite der iranischen Regierung.

Aufhorchen lässt, wie die Vertreter dieser Länder argumentierten. Der Venezolaner etwa steigerte sich in eine Brandrede über die «Doppelstandards» des Westens gegen den «Globalen Süden» hinein. Der Kollege aus Havanna stimmte ihm zu und redete von der westlichen «Arroganz» gegenüber diesem «Globalen Süden». Die Delegation aus Peking spendete Beifall.

Was aber ist eigentlich der «Globale Süden»? Der Begriff wurzelt irgendwo diffus in den Tiefen des Antikolonialismus, in antiimperialistischer Folklore und in den sogenannten Dependenztheorien – in der Vorstellung also, dass die Armut an den Rändern der Weltwirtschaft bis zum heutigen Tag einzig und allein durch die westlich-imperialistisch-kolonialistischen Zentren verursacht worden sei.

Für die Despoten aller Couleur und aller Länder gibt es keine bessere Hilfsvokabel.

Der Ausdruck «Globaler Süden» ist das vergilbte Che-Guevara-Shirt unter den politischen Schlagwörtern, er ist eine Phrase, die mörderischen Diktaturen als ein ideologischer Pappkarton dient, der sich zur Tarnung vor menschenverachtende Gesellschaftsordnungen aufstellen lässt.

Am Donnerstag ist diese Idee in Genf zu Grabe getragen worden.

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