Wegen zurückhaltender Iran-Politik
Parteien wollen Cassis zur Rede stellen

Wegen seiner zurückhaltenden Iran-Politik verliert das Parlament allmählich die Geduld mit Aussenminister Ignazio Cassis. Nun ergreifen Ratsmitglieder selber erste Massnahmen.
Publiziert: 15.12.2022 um 14:11 Uhr
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Seit dem Tod von Mahsa Amini (†22) Mitte September reissen die Proteste gegen das iranische Mullah-Regime nicht ab.
Foto: keystone-sda.ch
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Das Bundesparlament möchte nicht länger tatenlos zusehen. Im Iran herrscht seit dem Tod von Mahsa Amini (†22) Mitte September der Ausnahmezustand. Das Mullah-Regime versucht mit aller Gewalt, die anhaltenden Proteste niederzuschlagen. In den letzten Tagen wurden zwei junge Männer hingerichtet, zum Entsetzen der Weltöffentlichkeit. Bereits wurde eine Liste mit weiteren 25 Demonstranten veröffentlicht, denen ebenfalls ein Todesurteil droht.

Schon nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs zeigten sich Aussenminister Ignazio Cassis (61) und der Gesamtbundesrat sehr zurückhaltend. EU-Sanktionen wurden erst auf massiven Druck hin übernommen, russische Gräueltaten nur äusserst vorsichtig kommentiert.

«Ignazio Cassis macht viel zu wenig»

Auch jetzt verpasst es die Regierung, Farbe zu bekennen. Die Kritik am Iran-Regime bleibt diskret – gerade auch wegen der Guten Dienste für die USA. Seit 1980 vertritt die Schweiz in Iran die Interessen der USA. Das Schutzmachtmandat ermöglicht der offiziellen Schweiz, mit Teheran direkt Gespräche zu führen. Das will der Bundesrat nicht gefährden.

Doch damit geben sich die Parteien nicht mehr zufrieden. Immer lauter werden die Zweifel, dass die Schweiz auf dem diplomatischen Parkett mehr erreiche, wenn sie öffentlich nicht allzu kritisch auftrete. «Ignazio Cassis macht viel zu wenig», heisst es gerade von Mitte-Links. «Er müsste nicht nur ein Zeichen der Solidarität setzen und die Hinrichtungen viel deutlicher verurteilen.» Der Bundesrat solle auch die Sanktionen der EU übernehmen.

Nun wollen die Fraktionsspitzen Cassis zur Rede stellen. Noch steht kein fixer Termin und nichts ist bislang offiziell. Doch Blick weiss: Noch während der laufenden Session ersuchen die Spitzenpolitiker den Bundespräsidenten in dieser Woche um ein Gespräch. «Es herrscht grosse Beunruhigung über die Situation in Iran», ist in der Wandelhalle zu hören.

Sogar Schutzmachtmandat infrage gestellt

Die Erwartungen gehen dabei auseinander. Während manche lediglich ausloten wollen, welchen Handlungsspielraum die Schweiz aufgrund des Schutzmachtmandats überhaupt hat, vertreten andere klar die Haltung, das Land solle die EU-Sanktionen ebenfalls übernehmen, mitsamt personalisierten Sanktionen gegen Mitglieder des Regimes.

Gegenüber CH Media stellt Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (42) sogar das Schweizer Schutzmachtmandat infrage. Letztlich diene dieses auch dem Regime und dessen Machterhalt. «Der Bundesrat muss das Vorgehen des Regimes verurteilen und mit allen Mitteln dafür kämpfen, dass keine weiteren Todesurteile vollstreckt werden.»

Iran-Vertreter einbestellt

Das Aussendepartement selber sieht sich alles andere als untätig. So habe die Schweiz in den letzten Tagen mehrfach bei den iranischen Behörden interveniert. Gleichzeitig erinnert das Departement an den dauerhaften Dialog mit dem Regime. «Die Schweiz ist der Ansicht, dass sie mit diesem Ansatz langfristig die meisten Ergebnisse für das iranische Volk erzielen kann», sagt es zu CH Media.

Dem Parlament aber reicht das nicht. Es will nun eigene Zeichen setzen. Am Donnerstag wurde die Gründung der parlamentarischen Gruppe «Free Iran» bekannt gegeben. Sie will den Menschen im Iran in ihrem Streben nach Menschenrechten mehr Gehör in der Schweiz verschaffen. Zudem übernehmen die überparteilichen Mitglieder individuelle Patenschaften für Personen, die vom Regime zum Tode verurteilt wurden.

«Wollen diplomatischen Weg nicht verbauen»

«Wir können nicht die Welt verändern, aber wir können ein Zeichen der Solidarität setzen», sagt FDP-Nationalrätin und Gründungsmitglied Doris Fiala (65). Die Schweiz dürfe nicht wegschauen und sich einfach diplomatisch still verhalten. «Wenn wir einfach nur schweigen, ist das menschlich ein gar kühles, für viele unverständliches Zeichen.»

Gleichzeitig nimmt die Freisinnige aber auch Parteikollege Cassis in Schutz. «Der Bundesrat hat hier eine andere Rolle. Wegen des Schutzmachtmandats sind ihm teilweise die Hände gebunden», betont sie. «Wir wollen diesen diplomatischen Weg ja nicht verbauen und die Situation noch verschlimmbessern.»

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