Die Vorwahlen der Demokraten sind angesichts der eskalierenden Corona-Krise in den USA beinahe in Vergessenheit geraten. Hat Anfang Jahr noch das ganze Land über das grösste Kandidatenfeld aller Zeiten gesprochen, fiel in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit Donald Trumps (73) missglücktem Krisenmanagement zu.
Seit gestrigem Mittwoch ist der parteiinterne Vorwahlkampf nun entschieden! Mit Bernie Sanders (78) hat sich der letzte verbliebene Herausforderer von Joe Biden (77) zurückgezogen. Damit steht fest: Der frühere Vizepräsident fordert im Herbst Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen heraus.
Überraschend kommt das nach den vergangenen Monaten nicht. Biden führte im ganzen Jahr 2019 das Kandidatenfeld in den Umfragen an. Nach enttäuschenden Ergebnissen in den ersten Vorwahlstaaten Iowa, New Hampshire und Nevada flammte bei seinen Gegnern zwischenzeitlich etwas Hoffnung auf. Doch das Parteiestablishment hat sich gerade noch rechtzeitig vor dem Super-Wahltag Super Tuesday hinter ihren Liebling gestellt.
Demokraten haben es verpasst, ein frisches Gesicht zu präsentieren
Für die Demokraten ist der Rückzug von Sanders zweifelsfrei eine gute Nachricht. Jetzt kann sich die Partei auf den Wahlkampf gegen die Republikaner und Trump konzentrieren. Doch wenn man sich an die verlorene Wahl 2016 und die anschliessenden Forderungen zurückerinnert, ist Biden als Kandidat eine herbe Enttäuschung für die Demokraten.
Er ist nicht das erhoffte, neue Gesicht. Biden steht nicht für Aufbruch. Der 77-Jährige repräsentiert auch nicht die Parteibasis, die immer jünger wird. Wieder ein weisser, alter Mann, dabei ist die demokratische Partei so divers wie nie zuvor. Es ist aber nicht nur Biden: Die Alternativen, mit Ausnahme von Pete Buttigieg (38) und Kamala Harris (55), wären ebenso ernüchternd gewesen.
Die Partei hat versagt – und offenbar nicht von den Fehlern von 2016 gelernt. Biden erinnert an die gescheiterte Hillary Clinton (72): Karrierepolitiker, grosse Erfahrung, Parteiestablishment. Die jungen, linken Demokraten vergleichen die Wahl zwischen Trump und Biden wie vor vier Jahren bereits wieder mit «Pest oder Cholera».
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Wahlen wegen Corona offener denn je
Joe Biden als Präsidentschaftskandidat ist ein Fehler. Ein noch grösserer Irrtum wäre es aus Sicht der Demokraten aber gewesen, Bernie Sanders aufzustellen. Der Senator von Vermont ist viel zu links, um bei einer nationalen Wahl in den USA eine Chance zu haben.
Immerhin für die Partei: Wegen der Corona-Krise ist das Präsidentschaftsrennen wieder offener denn je. Noch Anfang Jahr sah es danach aus, dass sich Trump locker die zweite Amtszeit sichern wird. Mittlerweile gibt es wegen Covid-19 zu viele Ungewissheiten, um eine verantwortungsvolle Prognose zu machen. Klar ist: Biden muss seine Partei so schnell wie möglich einen – und so die Anhänger von Sanders ins Boot holen.
Der Vizepräsident unter Barack Obama (58) erhält wegen dem Coronavirus eine Schonfrist. Die Corona-Krise in den USA eskaliert weiter, das ganze Land befindet sich im Ausnahmezustand. Spätestens im Sommer aber wird das Scheinwerferlicht auf den Präsidentschaftswahlkampf gerichtet. Dann müssen Biden und die Demokraten abliefern. Ein Fehler von 2016 hat man bereits wiederholt. Viel mehr verträgt es nicht. Hochspannung garantiert.