So lebt es sich in einem Mini-Haus
«Mein Zuhause ist meine Wohlfühloase»

Tanja Schindler (52) lebt seit sieben Jahren in einem Ökominihaus. Auf nur 35 Quadratmetern wohnt und arbeitet die Baubiologin in Altdorf UR. Sie kämpft für mehr bezahlbaren Mini-Wohnraum in der Schweiz.
Publiziert: 05.06.2020 um 11:11 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2020 um 09:23 Uhr
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In Altdorf UR steht seit fast drei Jahren das Ökominihaus von Tanja Schindler. In Merenschwand AG sind vier weitere Ökominihäuser bewilligt worden.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

Wer sich ein Leben auf nur 35 Quadratmetern Wohnfläche vorstellt, denkt wohl vor allem an Unordnung und beengte Verhältnisse. Die Baubiologin Tanja Schindler (52) beweist aber das Gegenteil. Hohe Räume mit grossen Fensterfronten und hellem Holz lassen ihr Zuhause geräumig erscheinen.

Praktische Stauräume schaffen Ordnung und Übersicht in ihrem Ökominihaus, das seit bald drei Jahren in Altdorf UR steht. Hier wohnt und arbeitet die selbständige Baubiologin und öffnet interessierten Besuchern auch immer wieder die Tür für Besichtigungen ihres kleinen Reichs. «Ich war schon als Kind fasziniert von kleinen und kompakten Wohnräumen», erzählt sie im Gespräch mit BLICK.

Natürlicher und einfacher Lebensstil

Bevor Schindler mitsamt ihrem Haus nach Altdorf umgezogen ist, lebte die zweifache Mutter nach der Scheidung fünf Jahre allein in Nänikon ZH in ihrem Ökominihaus.

Nachhaltig, einfach und gesund zu leben, sind ihr wichtige Anliegen. Das zeigt sich nicht nur bei der Bauweise mit natürlichen Materialien, sondern zieht sich durch ihr gesamtes Leben durch - von Biokosmetik, über Öko-Putzmittel, bis hin zur Kleidung und Bio-Ernährung.

Eine Solaranlage versorgt das Flachdachhaus des Tiny House mit sauberem Strom und im Badezimmer neben der Dusche steht ein Kompost-WC.

«Die Bewilligungen sind das grösste Problem»

«Wir brauchen neue Wohnkonzepte. Das dauert in der Schweiz wohl noch etwas, aber der Bedarf ist da», ist Schindler überzeugt. Die privaten, wie auch die öffentlichen, gut besuchten Führungen in ihrem Ökominihaus bestätigen das.

Schindler ist neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Baubiologin auch Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins Kleinwohnformen Schweiz. Der Verein existiert seit zwei Jahren und engagiert sich auch politisch, damit Tiny Houses, Zirkuswagen, Jurten oder Minihäuser in der Schweiz einfacher realisiert werden können.

«Die Bewilligungen sind das grösste Problem. Das regelt jede Gemeinde anders», weiss Schindler, die auch Bauberatung bis zur kompletten Projektleitung anbietet. Dabei seien bewegbare Häuser auch eine sinnvolle Variante für die Zwischennutzung von Baugrundstücken und Brachen. «Auch wer ein eigenes Grundstück besitzt, braucht eine Baubewilligung, und nicht selten verhindert ein Nachbar mit einer Einsprache ein Bauprojekt.»

Wie schwierig es ist, eine Baubewilligung zu erhalten, weiss die Baubiologin auch aus eigener Erfahrung. Sie selber hat in Altdorf nur eine Sonderbewilligung erhalten, weil ihr Ökominihaus als Projekt und Vorzeigemodell gilt.

Umso mehr freut sich Schindler, dass in der Aargauer Gemeinde Merenschwand ein Pionierprojekt für vier Ökominihäuser bewilligt wurde. Kostenpunkt für ein Haus in mittlerer Grösse: rund 230'000 Franken.

Leben mit 3000 Franken pro Monat

Die hohen Kosten sind eine weitere Hürde für Liebhaber von reduziertem Wohnraum. «Banken finanzieren weder Tiny Houses noch Minihäuser», erklärt Schindler. Gegen 100'000 Franken müsse man für ein gutes Tiny House oder ein kleineres Ökominhaus mit bescheidenem Ausbau rechnen.

Ihr eigenes Haus konnte sich Schindler damals nur mit Unterstützung aus der Verwandtschaft finanzieren. Auf einer bestehenden Liegenschaft konnte ein Verwandter seine bestehende Hypothek aufstocken und damit Tanja Schindler das Haus finanzieren.

Neben der Rückzahlung muss Schindler für ihr bewohntes Grundstück monatlich gegen 300 Franken der Gemeinde Altdorf bezahlen. Das seien übliche Kosten, die bei dieser Wohnform je nach Lage, anfallen. «Ich gebe aber sonst wenig Geld aus und komme mit etwa 3000 Franken im Monat über die Runden.»

Einen Teil davon verdient sie durch private Führungen in ihrem Haus, die von Firmen, Schulen oder Vereinen besucht werden. Die öffentlichen Führungen sind kostenlos.

Mehr Mut zur Einfachheit

«Ich möchte vor allem die biologische Wohnform besser bekannt machen und zum einfachen Leben ermutigen», erzählt Schindler. Das gelingt ihr oft, wie sie von interessierten Besuchern erfährt.

Auch ihr Lebenspartner, der momentan noch in einer grossen Wohnung lebt, möchte in absehbarer Zeit bei ihr einziehen. «Ein Zimmer mit einer Türe müssten wir aber als Rückzugsmöglichkeit schon haben. Mit 45 Quadratmetern Wohnfläche wäre das möglich. Das ist unser nächstes Ziel.» Den Entschluss zu einem reduziertes Leben hat Schindler bisher nicht bereut, und sie vermisst nichts: «Mein Zuhause ist meine Wohlfühloase.»

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