«Ich habe mehr als genug Platz hier und habe alles, was ich brauche», sagt Bernd Weichert. Rund 25 Quadratmeter Wohnfläche stehen dem gebürtigen Berliner in seinem eigenhändig umgebauten Zirkuswagen zur Verfügung.
Der 44-jährige war mehrere Jahre mit seiner damaligen Freundin in Schottland zu Hause, bis es das Paar vor 10 Jahren wieder in die Schweiz zog. Im Kanton Aargau bewohnte der gelernte Metallbauer mit Fachrichtung Konstruktionstechniker bis zur Trennung von seiner Partnerin eine geräumige Viereinhalb-Zimmer-Wohnung mit rund 180 Quadratmeter. Dann ergab sich vor vier Jahren für Weichert die Gelegenheit, für 20'000 Franken einen Zirkuswagen des ehemaligen Zirkus Nock zu kaufen. Allerdings war der Wagen baulich in einem schlechten Zustand, und Weichert musste für diverse Reparatur- und Umbauarbeiten zusätzlich gegen 30'000 Franken investieren. «Ich bin ein schräger Vogel, und das hat mich gereizt», erklärt der Berliner lachend seinen Kaufentscheid.
Zuerst wurden die Aussenwände und das Dach repariert, sodass der Handwerker einziehen und fortan weiter in seinem neuen Zuhause umbauen konnte. Wände wurden herausgerissen und eine neue Dusche, Küche, ein Panoramafenster und ein Kaminofen eingebaut. «Ich bin aber nie ganz fertig und habe immer wieder neue Ideen, die ich bei Gelegenheit jeweils umsetze», erzählt Weichert.
Tiefe Wohnkosten, hohe Hürden
Neben den Umbauarbeiten in seinem Wagen ist der «schräge Vogel» Vollzeit als Servicetechniker für Labor-Wasseraufbereitung angestellt und unterstützt in der Freizeit die örtliche Jugend als technischer Berater beim Umbau eines Zirkuswagens zum Jugendtreff. «Ich habe einige Freunde, die inzwischen auch einen Zirkuswagen umbauen. Das ist gar nicht mehr so aussergewöhnlich.»
Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese alternative Wohnform günstig und bezahlbarer Wohnraum rar ist. Dennoch ist es nicht einfach in der Schweiz, sich mit einem Zirkuswagen offiziell niederzulassen. Wildes Campieren ist verboten, und fast alle Campingplätze sind über die Wintermonate geschlossen.
Auf dem Campingplatz in Ottenbach, angrenzend an die Naturschutzzone, wurde Weichert vor zwei Jahren fündig – allerdings nur für die Sommermonate. Dort fühlt er sich in seinem Zirkuswagen wohl. «Monatlich kostet mich das nur etwa 300 Franken.» Weichert betont aber, dass für ihn nicht die tiefen Kosten entscheidend waren und er auch kein «alternativer Graslutscher» sei. «Ich verdiene gut, fahre Auto, und wenn ich Baumaterial oder sonst etwas kaufe, dann achte ich auf Qualität und leiste mir, was mir gefällt.» Für ihn sei es einfach unsinnig, viel für das Wohnen zu bezahlen für etwas, das nie ihm gehört, und unnötig viel Wohnraum zu beanspruchen. «Mir würde auch noch weniger Platz reichen. Ich arbeite den ganzen Tag, schlafe rund acht Stunden, was brauche ich denn mehr als das, was ich hier habe?», fragt er rhetorisch.
Privates Winterlager
In den nächsten Tagen ist aber für Weichert wieder Schluss am Standort in Ottenbach. Der Campingplatz schliesst über die Wintermonate. Wo er mit seinem Zirkuswagen den Winter verbringt, weiss er noch nicht genau. «Mein Zirkuswagen ist geheizt und wintertauglich. Ich habe auch schon private Angebote zum Überwintern, habe mich aber noch nicht entschieden.»
Wo er sich in einigen Jahren aber sieht, das weiss der Tüftler und Handwerker jetzt schon: «Ich möchte wieder nach Schottland und dort in der Schweiz vorgefertigte Tiny-Houses aufstellen und vermieten. An diesem Projekt arbeite ich schon länger.» Seine Philosophie von wenig Wohnraum für viel Lebensqualität wird er auch dort mit seinem Zirkuswagen weiter leben.