Im Wartezimmer der Frauenklinik Bern sitzen fünf Frauen. Zwei sind im Teenageralter, eine 27-Jährige ist mit ihrer Mutter gekommen. Und eine Frau ist Mitte 30 und seit kurzem selbst Mutter. Sie alle leiden an Endometriose.
In vielen Gesellschaftsbereichen wehren sich Frauen heutzutage lautstark gegen Ungerechtigkeit. Auch in der Medizin besteht Nachholbedarf. Denn es scheint unvorstellbar: Die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung ist tatsächlich noch weitgehend unerforscht. Dabei kann Endometriose zu schweren Beeinträchtigungen im Leben der Patientinnen führen.
Bei der chronischen Krankheit setzt sich die Schleimhaut der Gebärmutter auch ausserhalb der Gebärmutter an und blutet dort zyklusbedingt Monat für Monat. Dadurch können unerträgliche Schmerzen entstehen.
Was wissen wir über Endometriose?
Von dieser Krankheit hat ausserhalb des Wartezimmers im Endometriosezentrum eine Mehrheit der Frauen – und erst recht der Männer – noch nie gehört. Dabei ist eine von zehn Frauen im gebärfähigen Alter weltweit betroffen. Schätzungsweise sind das über 420 000 allein in der Schweiz. Viele können ihr Leiden nicht einmal benennen. Das haben Dinah Gafner (36) und Isabel Gonzalo (27) erkannt. Und handeln jetzt. Die diplomierten Pflegefachfrauen haben sich auf Endometriose spezialisiert. Als «Endometriose-Nurses» bieten sie in der Frauenklinik Bern wöchentlich Sprechstunden an. «Viele Frauen sind verzweifelt, wenn sie zu uns kommen», weiss Dinah Gafner.
Von Endometriose spricht man, wenn sich Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutterhöhle ansetzt – etwa an Bauchfell, Eierstöcken, Gebärmuttermuskulatur, Scheide, Blase oder Darm. Das Blut der Endometrioseherde kann nicht abfliessen. Oft sind Entzündungen die Folge. Symptome sind starke Menstruationsbeschwerden, Schmerzen beim Sex und Stuhlgang, Zyklusstörungen. Die Endometriose verursacht nicht immer Schmerzen, manchmal wird sie erst bei unerfülltem Kinderwunsch entdeckt. Ärzte gehen davon aus, dass sie bei rund 50 Prozent der unfruchtbaren Frauen vorkommt.
Helfen können Hormontherapien, Pillen oder eine Bauchspiegelung, bei der die Herde entfernt werden. Die Rückfallquote ist aber hoch. Früher schlugen Ärzte eine Schwangerschaft als Therapie vor, davon rät man heute ab. Eine Schwangerschaft bringt nicht zwingend Besserung. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und Fehlgeburten.Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken ist mit Risiken verbunden. Erst mit der Menopause nimmt die Krankheit ein Ende.
Von Endometriose spricht man, wenn sich Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutterhöhle ansetzt – etwa an Bauchfell, Eierstöcken, Gebärmuttermuskulatur, Scheide, Blase oder Darm. Das Blut der Endometrioseherde kann nicht abfliessen. Oft sind Entzündungen die Folge. Symptome sind starke Menstruationsbeschwerden, Schmerzen beim Sex und Stuhlgang, Zyklusstörungen. Die Endometriose verursacht nicht immer Schmerzen, manchmal wird sie erst bei unerfülltem Kinderwunsch entdeckt. Ärzte gehen davon aus, dass sie bei rund 50 Prozent der unfruchtbaren Frauen vorkommt.
Helfen können Hormontherapien, Pillen oder eine Bauchspiegelung, bei der die Herde entfernt werden. Die Rückfallquote ist aber hoch. Früher schlugen Ärzte eine Schwangerschaft als Therapie vor, davon rät man heute ab. Eine Schwangerschaft bringt nicht zwingend Besserung. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und Fehlgeburten.Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken ist mit Risiken verbunden. Erst mit der Menopause nimmt die Krankheit ein Ende.
Aufklärung tut not – selbst bei den Gynäkologen
Bis zur Diagnose dauert es meist lange, durchschnittlich sieben bis zehn Jahre. Das liegt zum einen daran, dass Gynäkologen oft nicht vertraut sind mit den Symptomen und Frauen falsch behandeln. Zum anderen kann Endometriose nur mit einer Bauchspiegelung unter Vollnarkose diagnostiziert werden.
Hinzu kommt: Viele Frauen ertragen ihren Zustand einfach. Kein Wunder, wenn selbst Ärzte und Mütter starke Mensschmerzen als normal abtun. Nach dem Motto: Das gehört halt einfach zum Frausein. Nicht ernst genommen werden, weil die Krankheit für Aussenstehende nicht sichtbar ist, belastet die Psyche, schafft Unsicherheit.Sogar existenzbedrohend kann Endometriose sein. Denn wenn die Schmerzen die Frauen so stark einschränken, dass sie regelmässig am Arbeitsplatz fehlen, können sie ihren Job verlieren. Die meisten stossen zumindest auf Unverständnis, erzählt Dinah Gafner, die einen Master in Pflegewissenschaften hat. Gynäkologie und der weibliche Zyklus seien eben noch immer tabuisiert, und Frauen empfänden es als unangenehm, mit ihren Arbeitgebern darüber zu sprechen. So fehlt das Bewusstsein für die Konsequenzen der Endometriose.
Auch im sozialen Umfeld gibt es oft kein Verständnis. Wer immer jammert, wird schnell ausgeschlossen oder als wehleidig abgestempelt. Während des Geschlechtsverkehrs können Schmerzen die Sexualität der Frauen immens einschränken und so zur Belastungsprobe für die Beziehung werden. Deshalb ist es für Gafner wichtig, dass sie den Patientinnen auch emotional zur Seite steht: «Ich möchte die Frauen darin unterstützen, ein positiveres Lebensgefühl zu erlangen, ihnen einen Weg aufzeigen, wie sie mit der Krankheit leben können.»
In der Schweiz leidet mindestens etwa jede zehnte geschlechtsreife Frau unter Beschwerden vor der Periode. Viel ist über PMS zwar nicht bekannt, jedoch gibt es durchaus Möglichkeiten, wie man gegen die Symptome vorgehen kann.
In der Schweiz leidet mindestens etwa jede zehnte geschlechtsreife Frau unter Beschwerden vor der Periode. Viel ist über PMS zwar nicht bekannt, jedoch gibt es durchaus Möglichkeiten, wie man gegen die Symptome vorgehen kann.
Zu wenig lukrativ für die Pharmabranche?
Denn das müssen ihre Patientinnen momentan noch. Zwar gibt es Behandlungsmöglichkeiten wie Hormontherapien oder Pillen. Die Forschung weiss jedoch noch viel zu wenig darüber, wie die Krankheit entsteht. Geschweige denn, ob sie verhindert oder gar geheilt werden kann. Das erstaunt, wenn man weiss, wie verbreitet die Krankheit ist. Ob es daran liegt, dass es sich um eine «Frauenkrankheit» handelt? Eine, die man den Betroffenen nicht ansieht?
Möglicherweise wäre die Forschung fortgeschrittener, wenn einer von zehn Männern betroffen wäre. «Das kann sein», sagt Gafner. Sie sieht den Grund für die Versäumnisse vor allem darin, dass Endometriose-Patientinnen keine Lobby haben. Und dass die Gynäkologie an sich ein wenig attraktives Gebiet sei. «Brustkrebs etwa hat eine riesige Lobby, weil die Brust für Weiblichkeit steht, auch im kranken Zustand noch sexy sein kann und man viel Geld damit verdient. Das beweisen Kalender, in denen Frauen mit amputierten Brüsten posieren», sagt Dinah Gafner. Ein weiterer Grund sei, dass Endometriose, trotz fortschreitendem Krankheitsbild, gutartig sei.
Dennoch hofft Gafner, dass das Wissen bald zunimmt. Zumindest an der Frauenklinik arbeitet ein Forschungsteam daran.Zurück im Wartezimmer. Die 27-Jährige wird von Gafner für die Sprechstunde abgeholt. Es ist ihre erste. Sie möchte nicht, dass eine Journalistin beim intimen Gespräch mithört. Ihre Mutter erzählt, dass auch sie Verwachsungen hatte. Nur hatten die damals keinen Namen. Viel bekannter als damals ist Endometriose aber auch heute nicht.
«Ich bin 1 von 10» – Aktion soll die Krankheit enttabuisieren
Das wollen nicht nur die «Endometriose-Nurses», sondern auch immer mehr Betroffene nicht länger akzeptieren. Deshalb bilden sie Gemeinschaften, organisieren Info-Veranstaltungen. Mit einer gelben Schleife hat die Endometriose ein Symbol bekommen. Prominente Aushängeschilder wie die «Girls»-Schauspielerin Lena Dunham erzählen öffentlich von ihrer Erkrankung.
Der März ist «Endometriose-Bewusstseins-Monat». Am 24. März fanden in vielen Städten Endo-Umzüge statt, auch in Genf. Und auf Instagram geben betroffene Frauen ihrer Krankheit ein Gesicht. Unter dem Hashtag #1in10 laden Frauen Schwarz-Weiss-Fotos hoch. Darauf halten sie ein Blatt mit dem Schriftzug «I am 1 in 10» – ich bin eine von zehn. Damit setzen sie ein Zeichen. Und appellieren an all jene Frauen, die ihre Schmerzen noch immer im Stillen ertragen und auf Unverständnis stossen: Holt euch Hilfe, euer Leiden hat einen Namen!
Es ist das Natürlichste überhaupt, und trotzdem schämen sich Frauen dafür. Eine Bewegung kämpft gegen die Tabuisierung der Periode. Doch der Kampf ist hart – insbesondere in armen Ländern.
Es ist das Natürlichste überhaupt, und trotzdem schämen sich Frauen dafür. Eine Bewegung kämpft gegen die Tabuisierung der Periode. Doch der Kampf ist hart – insbesondere in armen Ländern.