Welt-Autismus-Tag 2024
Das sind die typischen Autismus-Ursachen

Wie gut es uns gelingt, uns in andere hineinzuversetzen und angemessen zu reagieren, hat nicht nur damit zu tun, welche Erfahrungen wir gemacht haben. Die Gabe der Empathie scheint zum Teil auch im Erbgut verankert zu sein, wie eine Studie belegt.
Publiziert: 02.04.2024 um 11:20 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2024 um 21:03 Uhr
Viele haben Probleme, soziale Kontakte zu knüpfen und gelten oft als sonderbar.
Foto: Getty Images (Symbolbild)
Peter Gruber

Am 2. April ist der Welt-Autismus-Tag. So soll Autismus sichtbarer werden und Autistinnen und Autisten in der Gesellschaft besser integriert werden. Eine Früherkennung sowie geeignete Interventionsmassnahmen sind für die Entwicklung der Betroffenen von enormer Bedeutung. Die Frage der Entstehung von Autismus ist aber weiterhin Gegenstand der Forschung.

Was ist Autismus?

Autismus ist eine Entwicklungsstörung, die sich auffällig durch rhetorische und kommunikative Störungen äussert. Menschen mit Autismus nehmen aufgrund komplexer Störungen des zentralen Nervensystems sich und die Welt anders wahr. Sie haben Schwierigkeiten, Bedeutungen und Regeln innerhalb von Kommunikation und Sozial-Verhalten zu erkennen. Die Welt ist für sie unverständlich, überwältigend und Angst auslösend.

Autistische Kinder zeigen aussergewöhnliche Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen.
Foto: Getty Images (Symbolbild)

Was sind die typischen Symptome?

Autismus ist eine angeborene und tiefgreifende Störung. Sie betrifft vor allem die Wahrnehmung und die Informationsverarbeitung. Daher zeigen Menschen mit autistischen Symptomen Schwächen in der Kommunikation und im sozialen Umgang mit Mitmenschen. Sie sind oft nicht in der Lage, Mimik und Gestik der Mitmenschen korrekt zu interpretieren. Oftmals versuchen Autisten durch sich wiederholende stereotype Handlungen eine Ordnung herzustellen. Ihre Sprache entwickelt sich zögerlich oder gar nicht. Viele kapseln sich von ihrer Umgebung ab.

Sie zeigen dafür aussergewöhnliche Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen wie Mathematik, Malen oder Musik und weisen oftmals eine hohe Intelligenz auf. Autismus tritt bereits in den ersten drei Lebensjahren auf. Auf 1000 Einwohner kommen statistisch 6 bis 7 Autisten. Mehr Knaben als Mädchen – das Verhältnis liegt bei 4:1.

Dustin Hoffman spielt im Film Rain Man den Autisten Raymond, der von seinem Bruder Charlie (Tom Cruise) aus einer Klinik auf eine Reise durch die USA mitgenommen wird.

Wie entsteht Autismus?

Forscher versuchen weiter, Autismus genauer zu untersuchen. Viele Wissenschaftler sprechen von einem möglichen Zusammenhang zwischen Ernährung, Darmbakterien und Medikamenten. Laut einer Studie leiden 70 Prozent aller autistischen Kinder an schwerwiegenden Margen-Darm-Störungen. Dies führte zur These, dass Autismus eine bakterielle Ursache haben könnte. Unter den vielen Hypothesen für die Entstehung von Autismus wird die Besiedlung des Darms mit Clostridien und deren Sporen als Schlüsseleffekt diskutiert.

Empathie liegt zum Teil in den Genen

Wie gut es uns gelingt, uns in andere hineinzuversetzen und angemessen zu reagieren, hat offenbar nicht nur damit zu tun, wie wir aufgewachsen sind und welche Erfahrungen wir gemacht haben. Wie aus der Analyse von Informationen von über 46.000 Studienteilnehmern hervorging, scheint das Einfühlungsvermögen zu zehn Prozent mit genetischen Faktoren zusammenzuhängen. Dies berichtet ein internationales Wissenschaftsteam im Fachblatt Translational Psychiatry. Ihre Arbeit bestätige die Ergebnisse früherer Empathie-Studien mit eineiigen im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen, so die Wissenschaftler. Darüber hinaus bestätigte die Studie auch, dass Frauen im Schnitt empathischer sind als Männer. Dieser Unterschied ging allerdings nicht auf die Gene zurück, sondern sei anderen Faktoren zuzuschreiben, wie hormonellen Einflüssen vor der Geburt oder der Erziehung und Sozialisation, so die Forscher.

Biologie des Autismus dank Gen-Analyse besser verstehen

Des Weiteren fanden die Wissenschaftler heraus, dass genetische Varianten, die mit einem geringeren Mass an Empathie in Verbindung standen, auch mit einem höheren Risiko für Autismus assoziiert waren. Sie hoffen, dass ihre Arbeit dabei helfen kann, die Biologie des Autismus besser zu verstehen und dass dadurch eine schnellere und akkuratere Diagnose möglich werden könnte. Ihre Studie sei ein wichtiger Schritt, die kleine, aber wichtige Rolle der Gene für das Einfühlungsvermögen zu verstehen, sagt Studienautor Varun Warrier von der University of Cambridge. Er gibt allerdings auch zu bedenken, dass nur ein Zehntel der individuellen Unterschiede zwischen den Menschen auf das Erbgut zurückgeht. Genauso wichtig sei es, sich mit den nicht-genetischen Faktoren zu beschäftigen, die für die restlichen 90 Prozent verantwortlich seien.

Risiko durch Fieber in der Schwangerschaft?

Infektionen in der Schwangerschaft können das ungeborene Kind gefährden. Bekommen werdende Mütter Fieberschübe, leiden ihre Kinder später häufiger an Störungen aus dem autistischen Spektrum. Das sagen US-amerikanische Forscher nach Auswertung der Daten von fast 100'000 norwegischen Kindern. Das Autismusrisiko für Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft Fieber gehabt hatten, war um 34 Prozent erhöht gegenüber Kindern, deren Mütter kein Fieber hatten. Traten die Fieberschübe im zweiten Drittel der Schwangerschaft auf, stieg das Risiko auf 40 Prozent.

Laut der Studienautoren erhöhte sich das Risiko noch mit zunehmender Anzahl der Fieberschübe. Hatten Mütter nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein- bis zweimal Fieber, stieg es um den Faktor 1,3. Bei drei oder mehr Fieberschüben in diesem Zeitraum verdreifachte es sich. «Unsere Ergebnisse deuten auf eine Rolle der Infektion schwangerer Mütter und deren angeborener Immunantwort hin. Zumindest bei der Entstehung einiger Arten von Störungen des autistischen Spektrums», fasst Mady Hornig, Professorin für Epidemiologie von der Columbia Universität in New York zusammen. Die Ergebnisse veröffentlichte die Fachzeitschrift Molecular Psychiatry.

Medikamente helfen nur begrenzt

Nahmen die Mütter fiebersenkender Mittel wie Ibuprofen oder Paracetamol ein, wirkte sich das kaum auf das Risiko der Kinder aus, eine Störung aus dem autistischen Spektrum zu entwickeln. Im Fall von Paracetamol stellten die Studienautoren ein leicht geringeres Risiko fest. Bei Ibuprofen waren die Daten nicht aussagekräftig, weil nur ganz wenige Frauen dieses Mittel verwendet hatten. Darüber hinaus blieb ebenfalls unklar, ob die jeweilige Fieberursache eine Rolle für das Autismusrisiko spielte. Von den 95'754 Kindern, die zwischen 1999 und 2009 in die Studie aufgenommen wurden, hatten 583 Kinder eine autistische Störung. 15'701 Mütter berichteten von Fieber während der Schwangerschaft. «In Zukunft sollte die Forschung den Fokus darauf legen, Infektionen und Entzündungen, die zu autistischen Störungen beitragen können, zu identifizieren und ihnen vorzubeugen», mahnten die Forscher.

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