Zunächst sollten wir festhalten, dass es jedem freisteht, sein Leben komplett zu verpfuschen. Es gibt keine Gesetze, die besagen, man müsse seine Talente würdigen und seine Chancen nutzen. Es ist traurig, wenn jemand es unterlässt, aber solange es nicht zu akuter Selbst- oder Fremdgefährdung führt, kann – und darf – man nicht viel dagegen tun.
Helfen ist keine Lösung
Gewiss ist es für Eltern schmerzhaft, wenn sie mitansehen müssen, wie ihr Kind unablässig stolpert. Und dass sie sich überlegen, wie dem armen Geschöpf zu helfen sei, liegt auch nahe. Aber wie soll Ihre Tochter je ein gesundes Selbstbewusstsein erlangen, wenn sie in den Augen ihrer Eltern immer wieder erkennen muss, dass sie ein nicht lebensfähiges Dummerchen ist?
Sobald wir feststellen, dass ein geliebter Mensch Hilfe braucht, erniedrigen wir ihn. Denn selbst wenn unsere wohlmeinende Diagnose zutrifft, so ist es nicht an uns, den Nächsten, sie zu zustellen und eine geeignete Therapie zu bestimmen, sondern an einer Fachperson. Und es ist allein am Betroffenen, deren Rat zu suchen. Man darf ihn hin und wieder dazu ermuntern, aber dabei muss es bleiben.
«Betrachten Sie Ihre Tochter nicht als Sanierungsfall»
Wenn Sie Ihrer Tochter helfen wollen, sollten Sie sie nicht länger als Sanierungsfall betrachten, sondern als einen erwachsenen Menschen, der bisher nicht vielleicht die günstigsten Entscheidungen getroffen hat, aber in Zukunft treffen kann. Allein schon, indem Sie sie als fähig ansehen, ihr Leben in den Griff zu bekommen, befähigen Sie sie dazu.
Verweisen Sie Ihre Tochter an die Möglichkeiten, geeignete Unterstützung zu finden. Aber befreien Sie sich von der Pflicht, selbst Lösungen finden zu müssen. Sie leiden dadurch nur mit. Und freunden Sie sich mit der Möglichkeit an, dass alles so bleibt, wie es ist. Ihre Tochter ist dadurch nicht weniger liebenswert. Weder für Sie noch sonst wen.