Auf einen Blick
- Sebastian Fitzek fasziniert mit seinen Psychothrillern über menschliche Abgründe
- Schreiben hilft Fitzek, seine Ängste zu strukturieren und zu bewältigen
- Seine Thriller-Show zieht bis zu 10’000 Menschen an
- Fitzek ist Vater von fünf Kindern und thematisiert oft Familienprobleme
Bald feiern wir Halloween. Sie schreiben Psychothriller, die das ganze Jahr über für Gänsehaut sorgen. Was fasziniert die Menschen daran?
Sebastian Fitzek: Das liegt in der menschlichen Natur. Es ist wie bei einer Achterbahnfahrt – eigentlich eine beängstigende Sache, aber wir geniessen die Illusion der Gefahr. Dabei schütten wir Endorphine aus und fühlen uns danach lebendiger.
Lesen wir also schlimme Dinge, um uns danach besser zu fühlen?
In gewisser Weise schon. Wir stellen uns dem Tabuthema Tod – und das in einem angstfreien Rahmen. Ich glaube, wir brauchen hin und wieder diese Konfrontation mit dem Bösen und dem Tod, den wir sonst oft verdrängen. Indem wir das gezielt und sicher tun, fühlen wir uns danach für eine gewisse Zeit bewusster und intensiver lebendig, als hätten wir die literarische «Achterbahn» heil überstanden.
Sie beschreiben menschliche Abgründe bis ins grausamste Detail. Warum?
Diese Feststellung überrascht mich immer wieder. Im Vergleich zur Literatur, die ich selbst lese, bin ich wirklich harmlos. Schauen Sie sich die Romane von Ken Follett an oder Filme wie «John Wick», «Game of Thrones» oder «Das Schweigen der Lämmer», ein Meisterwerk. In Sachen Grausamkeit gehen die alle viel weiter. Darum staune ich, dass meine Thriller als explizit wahrgenommen werden.
In Ihrem Buch «Der Seelenbrecher» schnallt ein Sadist seine Opfer auf einem OP-Tisch fest und beschreibt im Detail, wie er ihnen die Augenlider entfernen wird. Das ist doch ziemlich explizit?
Ja, aber es kommt nicht so weit. Ich triggere oft Bilder, die bereits in den Köpfen der Lesenden vorhanden sind. Ich stelle sie quasi vor ein Schlüsselloch und lasse sie hindurchsehen, ohne viel zu beschreiben. Und das ist oft viel grausamer, weil die Fantasie der Menschen selbst die Lücken füllt. Je ausgeprägter die Fantasie, desto härter wird mein Buch empfunden.
Sie thematisieren auch Tabus wie Kindesmissbrauch und Sadismus. Ist das nicht heikel?
Ich bekomme positive Feedbacks von Organisationen wie dem Weissen Ring, die sich um Opfer von Missbrauch kümmern. Früher wurden diese Themen oft tabuisiert, aber das hilft nur den Tätern.
Sebastian Fitzek, geboren 1971 in Berlin, arbeitete als Journalist und Programmdirektor beim Radio. 2006 gelang ihm mit seinem Debütroman «Die Therapie» der Durchbruch, seither veröffentlicht er regelmässig Psychothriller. Mit 20 Millionen verkauften Büchern weltweit, die in 36 Sprachen übersetzt wurden, zählt er seit Jahren zu den erfolgreichsten Autoren Deutschlands.
Sebastian Fitzek, geboren 1971 in Berlin, arbeitete als Journalist und Programmdirektor beim Radio. 2006 gelang ihm mit seinem Debütroman «Die Therapie» der Durchbruch, seither veröffentlicht er regelmässig Psychothriller. Mit 20 Millionen verkauften Büchern weltweit, die in 36 Sprachen übersetzt wurden, zählt er seit Jahren zu den erfolgreichsten Autoren Deutschlands.
Wie kommen Sie auf Ihre Themen?
Als Vater von fünf Kindern ist alles, was mit Familie zu tun hat, besonders bedeutend für mich. Kindesmissbrauch oder häusliche Gewalt sind real und passieren täglich, im Gegensatz zum Mord an einer Millionärsgattin – das ist zwar tragisch, aber nicht so relevant für mich.
Ist das Schreiben ebenso aufregend wie die Lektüre?
Nicht wirklich, da ich das Ende meiner Geschichten schon kenne. Aber ich lasse bewusst weisse Flecken im Exposé, damit ich neugierig bleibe und mich selbst überraschen kann, wie sich die Figuren entwickeln. Wenn mich dann eine Szene emotional berührt, hoffe ich, dass sich das auf die Leser überträgt.
Wie strukturieren Sie die Arbeit an einem Buch?
Ich habe verschiedene Phasen. In der Kernphase des Schreibens brauche ich Ruhe und keine Termine. Ich muss in meinem Büro mit Ambiente und einer Tasse Kaffee sein. Dazu gehört ein kleines Ritual: Zwischen jedem Kapitel esse ich ein Stück Kinderschokolade. Während der drei bis vier Monate, in denen ich schreibe, bin ich oft sozial inkompatibel. Manchmal ist die Muse nicht sofort da, aber ich schreibe trotzdem weiter. Es ist ähnlich wie beim Sport, man muss dranbleiben.
Was macht das Schreiben mit Ihnen persönlich?
Als Familienvater habe ich viele Ängste. Das Schreiben hilft mir, diese zu strukturieren, ähnlich wie ein Tagebuch. Die Probleme verschwinden nicht, aber es beruhigt mich.
Ist das Schreiben eine Form der Psychohygiene?
Schreiben kann therapeutisch sein, davon bin ich überzeugt. Oft wälzt man Probleme im Kopf und findet keine Lösung, zum Beispiel bei Ärger mit einem Vorgesetzten. Da wird empfohlen, das niederzuschreiben – ohne es abzuschicken! Das Schreiben hilft, die Gedanken zu strukturieren, und das Problem erscheint vielleicht weniger überwältigend.
Der Tod spielt eine grosse Rolle in Ihren Büchern. Haben Sie Angst davor?
Ja, definitiv. Ich hatte mal einen Podcast mit dem Titel «3.29 Uhr», in Anlehnung an die gefährliche Zeit zwischen 2 und 5 Uhr morgens. In diesem Zeitraum gibt es statistisch gesehen die meisten Todesfälle. Es gibt verschiedene Todesängste, wie die vor Schmerz, vor Einsamkeit oder die Frage, was danach kommt.
Welche beschäftigt Sie am meisten?
Das Danach. Ich mag keine Prüfung, auf die ich mich nicht vorbereiten kann. Ich würde gerne wissen, was nach dem Tod passiert. Die Vorstellung vom grossen Unbekannten finde ich beängstigend.
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Wenn Sie in einem Ihrer Psychothriller die Hauptfigur wären, welche würden Sie wählen?
Meine allererste Hauptfigur, Viktor Larenz. Er hat eine besondere Stellung für mich und taucht auch in anderen Romanen wieder auf. Er ist ein Psychiater, dessen Tochter auf mysteriöse Weise verschwindet. Traumatisiert zieht er sich auf eine einsame Insel zurück und wird dort mit einer seltsamen Patientin konfrontiert.
Wie nah sind Sie Ihren Figuren?
Es ist nicht so, dass ich direkt mit den Figuren mitleide oder sie als Erweiterung meines Selbst sehe. Aber es wirft mich auf meine eigenen Themen zurück, zum Beispiel meinen Handykonsum. Das ist ja nicht so dramatisch, aber ich empfinde es als eine Sucht. Früher hätte man für jemanden, der 30-mal am Tag zum Briefkasten rennt, vielleicht Hilfe geholt. Aber bei mir, der ständig die Mailbox checkt, ist das sozial akzeptiert. Ich empfinde meine Handysucht als Zwangsstörung.
Was macht das mit Ihnen?
Durch solche Erfahrungen verstehe ich besser, was Menschen zu Zwangshandlungen bringt. Wenn ich mein Handy zu Hause lasse, verspüre ich sofort den Drang, zurückzugehen. Diese Nervosität ist nachvollziehbar und hilft mir, das Verhalten meiner Figuren besser zu verstehen, insbesondere wenn sie mit psychischen Erkrankungen kämpfen. Es ist wichtig, bei mir selbst anzusetzen und dann das Verständnis für andere zu entwickeln, auch wenn ich das in einem überhöhten Kontext darstelle.
Ihre Bücher werden millionenfach aufgelegt. Wird man reich mit Schreiben?
Es braucht mehrere Bestseller, um wirklich finanziell abgesichert zu sein. Ich habe von Anfang an alles, was ich verdient habe, reinvestiert – in ein Team, das mir den Rücken freihält, damit ich mich voll auf das Schreiben konzentrieren kann. Ich habe eine Firma und fünf Kinder, das kostet auch. Reichtum ist für jeden relativ. Luxus wie eine Superyacht bedeutet mir nichts.
Gibt es einen Luxus, den Sie sich dank Ihres Erfolgs geleistet haben?
Ja, wir haben uns eine neue Küche gegönnt. Und ich habe darauf bestanden, zwei Geschirrspülmaschinen zu haben. So kann ich die eine füllen, während die andere noch läuft, und vermeide, sie ständig ausräumen zu müssen. Für mich ist das der ultimative Luxus!
Sie lesen nicht im Buchladen, sondern sind mit einer Thriller-Show unterwegs; bald treten Sie in Basel auf. Wie muss man sich das vorstellen?
Es ist unglaublich, dass sich meine Lesungen von kleinen Buchhandlungen mit fünf Leuten hin zu Arenen mit 10’000 Menschen entwickelt haben. Das zeigt, wie stark das Medium Buch ist. Das Ganze ist eine Mischung aus Show, Projektionen und Stand-up auf einer 360-Grad-Bühne. Möglich macht das ein Team aus 50 Leuten. Wir haben acht Trucks und zwei Nightliner, um die Technik, die Band und das ganze Team zu transportieren. Wir arbeiten seit zwei Jahren daran, und es steckt viel Herzblut von vielen Menschen dahinter.
Also so eine Art visuelles Hörbuch im Grossformat. Wird es auch gruselig?
Oh ja, es gibt eine Nacht des Grauens! Mein neues Buch «Das Kalendermädchen» ist von der Tradition des lebendigen Adventskalenders inspiriert, bei dem Menschen ihre Fenster weihnachtlich schmücken und die Nachbarn einladen. Dabei wird unwissentlich ein Psychopath angelockt. Eine junge Frau muss einen besonderen, schrecklichen Adventskalender öffnen, um das Leben eines Mädchens zu retten.
Mit dem grossen Erfolg kommt auch Gegenwind. Der bekannte Literaturkritiker Denis Scheck bezeichnet Ihre Bücher als «Gewaltpornos». Wie gehen Sie damit um?
Erfolg allein bedeutet nicht, dass etwas auch gut ist. Darum ist mir Kritik wichtig, und ich nehme sie ernst, wenn ich mich damit verbessern kann. Aber es kommt darauf an, von wem sie kommt. Wenn jemand nur für den eigenen Vorteil kritisiert, um selber mehr Aufmerksamkeit auf Instagram oder in einer TV-Sendung zu bekommen, dann lasse ich das an mir vorbeiziehen.
«Thriller-Arena-Tour»: Sebastian Fitzek tritt am 6.12. in der St. Jakobshalle in Basel auf.
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