Mit Esoterik durch die Krise
Astrologie, Tarot und Meditation sind hip

Esoterische Menschen wurden oft belächelt und galten als Exoten. Doch Esoterik hat sich gewandelt. Auf Social Media haben Astrologie-Influencer Millionen von Followern. Produkte und Angebote werden hip. Wie die Boutique der 35-jährigen Alessia von Rohr zeigt.
Publiziert: 15:04 Uhr
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Alessia von Rohr (35) hat an der HSG Unternehmungsführung studiert und betreibt seit Anfang November ihren eigenen spirituellen Laden im Zürcher Seefeld.
Foto: DANG Mayer

Auf einen Blick

  • Esoterik und Spiritualität erleben eine Renaissance. Viele suchen nach Erklärungen und Sinn
  • Spirituelle Treffpunkte wie Moonhub bieten Gemeinschaft und Zugang zur Esoterik
  • Junge Menschen werden durch Krisen stärker belastet als ältere
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ravena FrommeltRedaktorin Gesellschaft

Auf dem Empfangstresen aus hellem Holz steht der Schriftzug Moonhub, an der Wand dahinter hängt eine grosse runde Lampe, ein leuchtender Vollmond. Holztische mit Kristallen und Schmuck, auf den Regalen an der Wand reihen sich Sets von Tarotkarten, Astrologiebücher und Aura-Sprays aneinander. Alessia von Rohr (35) hat den Laden Moonhub Anfang November eröffnet. «Es gibt ja diese esoterischen Shops in Zürich, aber die sind zu überwältigend», sagt sie. Man gehe rein und sei vollkommen erschlagen von allem, und irgendwie sei das für eine Person wie sie, die eigentlich sehr rational unterwegs sei, zu viel.

Tatsächlich wirkt ihr Laden eher wie eine Hipster-Boutique als wie ein Esoterik-Laden. «Ich wollte Spiritualität zugänglich machen, damit man keine Angst haben muss, reinzukommen», sagt von Rohr. Die HSG-Absolventin, die seit ihrem Master in Unternehmensführung in der Baubranche tätig ist, bietet mitten im Zürcher Seefeld esoterische Produkte an, regelmässig finden spirituelle Workshops, Meditation oder Yoga statt. Auf einem Sofa im hinteren Bereich führt Alessia von Rohr Tarot-Readings für einzelne Personen durch.

In den letzten Jahren haben Esoterik und Spiritualität Eingang in die Mitte der Gesellschaft gefunden. Während Esoterik oft negativ konnotiert ist und auf spezifischen Traditionen und Konzepten basiert, ist Spiritualität weniger dogmatisch und bezeichnet die individuelle Suche nach Sinn, Verbundenheit und Transzendenz. Viele Menschen kombinieren aber beide Ansätze miteinander, sodass es in der Realität oft Überschneidungen der zwei Begriffe gibt. Wer sich für esoterische oder spirituelle Themen interessiert, gilt schon lange nicht mehr als exotisch. Die vielen Esoterikbücher waren erst der Anfang: Heute gibt es immer mehr Podcasts und Social-Media-Accounts zu esoterischen Themen. Esoterik und Spiritualität sind hip geworden. Besonders bei jungen Menschen.

Allein zum Thema Astrologie finden sich auf Tiktok und Instagram zahllose Influencer mit Millionen Followern. Sie heissen «Astrodaddy», «Astrobellaluna», «Zodiac.boyfriend» oder auch «Astrolinski». Die Betreiberin des letztgenannten Accounts ist die deutsche Schauspielerin Palina Rojinski (39). Neben Astrologie sind auch Themen wie Manifestation, Numerologie oder Handlesen beliebt. Was diese Varianten der Esoterik miteinander gemeinsam haben? Sie regen dazu an, sich mit der eigenen Psyche auseinanderzusetzen.

Krisen belasten junge Menschen stärker

Der aktuelle Trend erstaunt Andreas Krafft (58), Zukunftsforscher an der HSG, nicht: «Die heutige Zeit und die Ereignisse in dieser Welt sind für viele Menschen unüberschaubar und unverständlich. Warum gibt es immer noch Kriege? Warum Pandemien? Es gibt vieles, was wir uns nicht mehr erklären können, und wir wissen auch nicht, wie sich die Sachen entwickeln werden – das löst Stress aus.» Gemäss Krafft sind es vier Faktoren, die Menschen dazu bringen, sich mit Spiritualität zu beschäftigen: Erstens suche man nach Erklärungen für äussere Geschehnisse, zweitens wolle man diesen einen Sinn zuschreiben, drittens suche man seinen eigenen Platz in der Welt, und viertens schöpfe man aus der neu gewonnenen Orientierung Hoffnung.

Für viele ist Spiritualität zu einer Art Religionsersatz geworden. Laut Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) bezeichnet sich fast ein Drittel der Personen ohne Religionszugehörigkeit als spirituell. «Dadurch, dass die traditionellen Religionen enorm an Bedeutung verloren haben, entsteht ein Vakuum», sagt Zukunftsforscher Krafft. «Doch die Sehnsucht nach etwas Grösserem, nach einer Verbundenheit, ist immer noch da.» Oft seien es auch persönliche Krisen, die Menschen dazu bringen würden, sich mit Esoterik zu beschäftigen, besonders Junge. «Wir wissen, dass junge Menschen von Krisensituationen stärker belastet werden als Erwachsene», so Krafft. Auch seien Jugendliche und junge Erwachsene mehr auf der Suche nach Identität und Erklärungen.

Schicksalsschlag als Ausgangspunkt für eigenen Store

Durch eine persönliche Krise fand vor fünf Jahren auch von Rohr zur Spiritualität, als kurz nacheinander ihr Vater und dann dessen Zwillingsschwester starben. «Das war eine intensive Zeit für mich. Ausser meiner Mutter hatte ich keine Familienmitglieder mehr», so Alessia von Rohr. Dann seien in ihrer Wohnung plötzlich die Lichter von selbst ein- und ausgegangen – von Rohr konnte das mittels Rationalität nicht einordnen. «Ich hatte auch niemanden in meinem Freundeskreis, der das verstehen konnte», erzählt sie. Von Rohr lernt eine Frau kennen, die sich als Medial Healer and Trainer bezeichnet. «Von ihr habe ich erfahren, dass es noch mehr gibt als nur das, was wir mit unserem rationalen Verstand begreifen können», sagt von Rohr.

Dass es mehr als das rational Begreifbare geben muss, ist auch für Vivienne Brühwiler (22), klar: «Auch wenn wir Menschen uns als unglaublich klug empfinden, wissen wir noch lange nicht alles über die Geheimnisse der Welt und des Universums», so die St. Gallerin. Seit ihrer Pubertät legt sie gerne Tarotkarten, besitzt Heilsteine und befasst sich mit Runen, Mythologie und Astrologie. Beeinflusst wurde sie damals von ihrer Mutter, die immer wieder spirituelle Bücher las, heute folgt die gelernte Köchin auf Social Media auch Esoterik-Accounts.

Nach Debatten um Fake News sei heute für viele nicht mehr klar, was wahr sei und was nicht, sagt Andreas Krafft. Es gebe immer mehr Wissen, aber teilweise auch Wissen, das sich gegenseitig widerspreche. Das überfordere viele. «Auch hat die Wissenschaft in Zeiten von Corona eine Art Diskreditierung erlebt. Die Wissenschaftsgläubigkeit hat abgenommen, aber Alternativen gibt es kaum.» Dies führe ebenfalls dazu, dass man auf esoterische Themen zurückgreife, was der Zukunftsforscher nicht per se für schädlich hält. «Es ist jedoch wichtig, eine gewisse Selbstbestimmung zu behalten. Der einzelne Mensch muss weiterhin beurteilen, ob das, was geschieht oder mir gesagt wird, gut ist oder nicht», sagt Krafft. Die Frage sei, ob Esoterik einem helfe oder eher Angst erzeuge. In letzterem Fall rät er davon ab.

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