Die Liste der Privatschulen des Kantons Zürich umfasst nicht weniger als 36 Seiten. Konfessionell ausgerichtete Institutionen, amerikanische und japanische Schulen oder weltanschaulich geprägte Angebote sind im Register zu finden. So ist etwa auf Seite 29 die Schule Zürisee in Hombrechtikon ZH aufgeführt. Sie gibt unter der Rubrik «Verbindungen» an: «Frank Eickermann, ‹Der Weg ins Licht› und weitere, teilweise schamanische Vereinigungen.»
Der Deutsche Eickermann hat eine Bewegung gegründet, die mit sogenannten Lichtzentren dereinst die Erde transformieren soll. Eickermann geniesst in seiner Anhängerschaft göttlichen Rang.
«Keine spirituelle Schule»
Dass die Privatschule mit Eickermanns Bewegung verbunden sei, erklärt Schulleiter Muran Müller damit, dass ihm privat besuchte Seminare wie «Weg ins Licht» oder schamanische Treffen geholfen hätten, «emotional freier» zu werden, was im Umfeld von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig sei. Müller betont aber auch: «Die Schule selbst ist konfessionell neutral.» Sie fördere rund 20 Kinder und Jugendliche der Primar- und Sekundarschulstufe; «bedeutsam ist das altersübergreifende Miteinander.» Zu haben ist das für durchschnittlich gut 20'000 Franken pro Schuljahr, Verpflegung inklusive.
Die Schule könne individuell auf die persönlichen und fachlichen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen eingehen. Der private Hintergrund habe keinen Einfluss auf die Lehre. «Wir sind keine spirituelle Schule», betont Muran Müller. Dass die Institution die Verbindungen zu Eickermann und anderen schamanischen Vereinigungen offen deklariere, liege daran, dass ihm Transparenz wichtig sei. «Deshalb kommunizieren wir offen über eigentlich private Aspekte.»
Mehr zu Corona-Skeptikern
Die Schule Zürisee verfügt bereits seit 2016 über eine Bewilligung der kantonalen Bildungsdirektion. Laut Myriam Ziegler, Leiterin des Volksschulamts, haben private Schulen Anspruch auf eine Bewilligung, sofern sie eine der Volksschule «gleichwertige» Bildung anböten und sich am kantonalen Lehrplan orientierten: «Privatschulen können auch Schwerpunkte inhaltlicher, pädagogischer, weltanschaulicher, religiöser oder konfessioneller Art setzen.»
Corona als Treiber
Mit der zunehmenden Kritik an den öffentlichen Schulen und seit Corona zusätzlich mit dem wachsenden Widerstand gegen den Staat stiegen Angebot und Nachfrage nach alternativen Schulmodellen in mehreren Kantonen. In Bern, Solothurn, St. Gallen sowie in der Zentralschweiz beispielsweise entstanden Einrichtungen, die von Corona-Skeptikern und Vereinen wie Graswurzle gefördert wurden. Dazu boomte der Heimunterricht vielerorts.
Sie sahen vor allem in der Bildung und in der Gesundheitsversorgung Potenzial für Veränderungen des Systems. Eine Parallelgesellschaft drohe, warnten Beobachter wiederholt.
Auch Muran Müller von der Schule Zürisee zählt zu den Massnahmenkritikern und Mitgliedern des Vereins Graswurzle, der Alternativen zum System bieten will. So hatte diese Organisation zweimal den umstrittenen österreichischen «Bildungsrevoluzzer» – so die Graswurzle-Ankündigung – Ricardo Leppe eingeladen. Dieser Referent war im Mai 2023 in Zürich von einem Esoterik-Kongress ausgeschlossen worden, weil er wiederholt mit antisemitischen Äusserungen aufgefallen war.
Nicht einbezogen
Kurt Scherrer leitet die Arbeitsgruppe Bildung von Graswurzle. Er betont, die Einladungen Leppes habe die Graswurzle-Vereinsleitung eigenständig organisiert. Die damals neue Arbeitsgruppe sei weder einbezogen worden noch beteiligt gewesen.
Scherrer betont, dass der Verein kein eigenes Bildungsprogramm habe. Er setze sich grundsätzlich für lebensnähere Schulangebote ein. Scherrer: «Überall dort, wo nebst den öffentlichen Betrieben private Initiativen wie Privatschulen oder etwa auch Privatunterricht, sogenanntes Homeschooling, durch die staatliche Obrigkeit nicht gänzlich unterdrückt und verunmöglicht werden, wächst dieser private Bereich.»
In den staatlichen Betrieben gebe es schon seit vielen Jahren keine Versuchsschulen mehr. Das zeige dort einen Mangel an Veränderungsbereitschaft, sagt Scherrer.
Schulen als Mitglieder von Graswurzle
Graswurzle wies zeitweise Schulen als «Graswurzle-Schulen» aus. Die anfänglich benutzte Bezeichnung sei «schlichtweg falsch» gewesen, sagt Kurt Scherrer. Deshalb sei der Begriff vor langer Zeit auf der Internetseite gelöscht worden. Zudem betraf die Bezeichnung laut Scherrer «nur einige ganz wenige» Firmenmitglieder des Vereins. «Wir sind politisch und konfessionell neutral», betont Scherrer, der früher an öffentlichen Schulen und in der Lehre tätig war.
Julia Sulzmann von der evangelischen Informationsstelle Relinfo sagt, dass es nie ein von Graswurzle organisiertes Schulprogramm gegeben habe. Wegen weltanschaulicher Nähe seien aber Angebote empfohlen worden. «Nun scheint es einen Trend der Schulen zu geben, sich nach aussen von Graswurzle zu distanzieren», stellt Sulzmann fest. «Das liegt daran, dass die Schulen möglicher Kritik vorbeugen wollen.»