Es hapert mit der Elektromobilität – nicht nur, aber auch im Volkswagen-Konzern. Die Verkäufe der rein elektrischen ID-Modelle schwächeln; die Kunden greifen noch allzu gern auf bekannte Antriebstechniken mit Verbrennungsmotoren zurück. Da kommt die Neuauflage des Kompakt-SUVs Tiguan gerade recht. Die beiden Vorgänger-Generationen rollten seit dem Marktstart 2007 bereits 7,6 Millionen Mal über die Händler-Schwellen. Der Tiguan ist damit VWs globaler Bestseller der Neuzeit. An diese Erfolge soll der Nachfolger anknüpfen. Ob er das Zeug dazu hat, soll unser erster Test zeigen.
Vor der Fahrt
Optisch haben die VW-Designer nur sachte Hand angelegt: Vorne gibts einen Hauch ID.4, hinten ein heute fast schon obligates, durchgehendes LED-Leuchtenband. Alles nicht besonders spektakulär, aber deutlich aerodynamischer (cW 0,28 statt 0,33) und irgendwie vertraut – seit jeher das Erfolgsrezept der Wolfsburger. Mit 4,54 Meter Länge (+3 cm) bleibt der Tiguan kompakt, verbessert aber gleichzeitig seine Raumausnutzung. Die Verbrennermodelle schlucken neu 652 Liter (vorher 615 l); bei den beiden Plug-in-Varianten sinds deutlich weniger (490 l). Die längs und in der Lehnenneigung verstellbare Rückbank ist auch für grosse Passagiere langstreckentauglich.
Auf der Strasse
Rund um Nizza (F) testen wir die gesamte Antriebspalette des Tiguan durch: Als Einstiegsversionen stehen zwei mildhybridisierte 1,5-Liter-Turbobenziner zur Wahl, die beim Anfahren von einem E-Motor unterstützt werden. Diese eTSI mit 130 oder 150 PS fahren zwar nur selten rein elektrisch, stellen aber je nach Situation zwei der vier Zylinder ab, oder segeln auch mal komplett verbrennerlos über die Autobahn oder Landstrasse. Das Zusammenspiel von TSI und E-Komponenten klappt reibungslos und sehr geräuscharm.
Daneben wird der Tiguan mit zwei TSI und zwei TDI ohne E-Unterstützung (150–265 PS) angeboten – ausser dem schwächeren Diesel kommen alle serienmässig mit Allradantrieb 4Motion. Echte Schwächen zeigt keiner der laufruhigen und bereits aus vielen Modellen bekannten Zweiliter-Verbrenner – die Wahl ist also auch eine Frage des Budgets. Besonders gespannt waren wir aber auf die beiden neuen Plug-in-Hybrid-Versionen mit 204 oder 272 PS – dazu gleich mehr.
Das war gut
Rein ins PHEV-Topmodell mit 272 PS und 400 Nm Systemleistung. Im eHybrid werkelt zwischen 1,5-TSI (177 PS) und Sechsgang-DSG ein E-Motor, der mit bis zu 85 kW (115 PS) boostet und den Tiguan sauber und ohne Verzögerung anfahren lässt. Das Zusammenspiel der Antriebe funktioniert hervorragend: Der TSI schaltet sich bei Bedarf ruckfrei dazu, arbeitet erstaunlich leise im Hintergrund und sorgt für zackige Sprints. Mit neuer 19,7-kWh-Batterie (Vorgänger 10,6 kWh) soll der Plug-in-Tiguan bis 100 Kilometer rein elektrisch zurücklegen und ist dank 50-kW-Schnellladefunktion sogar auf Langstrecken einsetzbar (10–80% in 23 min geladen). Zuhause wird mit neu bis zu 11 kW geladen und der Akku in unter drei Stunden gefüllt.
Weiteres Highlight im Tiguan ist das neue, optionale Adaptivfahrwerk DCC Pro, das sich wie Getriebe und Lenkung über den neuen Fahrerlebnisschalter an der Mittelkonsole abstimmen lässt. Dank elektronisch getrennter Zug- und Druckstufe gleicht das Fahrwerk auch grobe Unebenheiten sauber aus, ohne unangenehm nachzuschwingen. So lässt sich der Tiguan von komfortabel sanft bis sportlich straff individuell anpassen.
Das war schlecht
Echte Schwächen können wir beim neuen Tiguan nicht ausmachen – eher im Gegenteil. Auf Kritik etwa bei der Bedienung von Golf, ID.3 und ID.4 wurde reagiert und im Tiguan wieder ein Lenkrad mit echten Tasten statt schwer zu bedienender Sensorflächen verbaut. Die unbeliebten Touch-Slider für Lautstärke und Temperatur sind zwar geblieben, aber neu immerhin beleuchtet. Doch natürlich darf auch die heute obligate Bildschirmlandschaft nicht fehlen: In der Mitte thront serienmässig ein 12,9-Zoll-Touchscreen (15 Zoll Option), der Fahrer blickt serienmässig auf Digitalinstrumente. Die deutlich verbesserte Sprachsteuerung IDA, die ab Mitte Jahr von ChatGPT KI-unterstützt wird, versteht jetzt auch komplexere Befehle (z.B: Zeig mir das Menü zum Einstellen des Head-up-Displays an). Die x-fach verstellbare «Atmospheres»-Ambientebeleuchtung kann ebenfalls über den mittigen Drehregler gewechselt werden.
Das bleibt
Der neue ist definitiv der beste Tiguan aller Zeiten. Gegen Aufpreis wird aus dem Bestseller gar ein Luxus-SUV. So gibts belüftete und beheizte Massagesitze vorne, grosses Panorama-Glasdach, Park Assist Plus mit Memory-Funktion, der den Tiguan an gespeicherten Orten gar per Smartphone einparkt oder HD-Matrix-LED-Scheinwerfer für perfekt ausgeleuchtete Strassen ohne Blenden des Gegenverkehrs. Zum Marktstart im März fährt der Tiguan vorerst in den beiden eTSI-Versionen oder den beiden TDIs vor, die Preisspanne reicht von 37'900 bis 58'800 Franken. Die beiden Plug-in-Versionen starten ebenfalls nächsten Monat zu Preisen ab 51'900 Franken (204 PS), der Top-TSI mit 265 PS und Allrad kommt erst im Mai.