Eine Erfolgsgeschichte sind VWs ID-Modelle bislang nicht. Die als Volksstromer angepriesenen ID.3 und ID.4 offenbarten für VW bis dahin nicht gekannte Verarbeitungs- und Technikschwächen und konnten auch punkto Design nicht restlos bei der potenziellen Kundschaft überzeugen. Nicht zuletzt deswegen musste Konzernchef Herbert Diess (64) im Sommer 2022 seinen Platz an der Spitze räumen. Seither scheint es aufwärtszugehen in Wolfsburg: Der Elektro-Bulli ID. Buzz erntete beim Marktstart vergangenen Herbst viel Applaus, und auch das im Frühling in Shanghai (China) vorgestellte, neue Elektro-Flaggschiff ID. 7 kam beim Publikum gut an.
Schon kurz zuvor enthüllte der neue VW-CEO Thomas Schäfer (53) den rein elektrischen Kleinwagen ID. 2all, der ab 2025 die E-Mobilität endlich bezahlbarer machen soll und dann wohl ab rund 25'000 Franken startet. An der aktuell über die Bühne gehenden Mobilitätsmesse IAA in München (D) hat Europas grösster Autobauer nun das ID. GTI Concept enthüllt, das nicht nur das gefeierte Design des ID.2 aus der Feder des neuen Chefdesigners Andreas Mindt (54) aufnimmt, sondern sich auch sonst auf bekannte VW-Qualitäten zurückbesinnt. Der erste echte Elektro-Sportler aus dem VW-Konzern könnte dabei zum echten Volltreffer werden und ganz nebenbei eine standesgemässe Wiederbelebung des GTI-Labels werden, das drohte, durch den allgegenwärtigen Elektrotrend unter die Räder zu kommen.
Golf GTI I als grosses Vorbild
Knackige Formen, gelungene Proportionen, ausgestellte Radhäuser und fette Räder: Das Design des 4,10 Meter langen ID. GTI Concept ist mehr als gelungen. Viele Details wie die beiden gezeigten Lackierungen Diamantsilber und Marsrot, die rote Einfassung des Frontgrills oder die speziell entworfenen Felgen im Pirelli-Design erinnern an das grosse Vorbild der Studie: Der erste Golf GTI von 1976 feierte vor fast 50 Jahren ebenfalls an der IAA (in Frankfurt) seine Weltpremiere. Damals liess der GTI die Sportwagenwelt mit seiner bezahlbaren Sportlichkeit aufschrecken – dies soll der ID. GTI nun ins E-Zeitalter übertragen.
Der neue Elektrosportler teilt sich mit seinem Urahnen den Frontantrieb und einen vergleichsweise nüchternen Innenraum, der den dynamischen Anspruch mit allerhand sportlichen Dreingaben unterstreicht. Dazu zählen etwa rot strahlende Sitzlogos, leuchtende Play-Pause-Pedalen oder das rechteckig gehaltene Sportlenkrad mit typischer 12-Uhr-Markierung. Ganz neue digitale Möglichkeiten eröffnet das neuartige Head-up-Display mit Augmented-Reality-Technologie: Ist die Fahrerin oder der Fahrer im GTI-Modus auf einer Rennstrecke unterwegs, werden Streckenverlauf und Position des Fahrzeugs ganz links in der Windschutzscheibe angezeigt.
300 PS scheinen realistisch
Was das ID. GTI Concept letztlich zu leisten imstande ist, darüber hält sich VW noch bedeckt. Ausgehend vom Technikbruder ID. 2all, dessen E-Motor bereits 226 PS (166 kW) an die Vorderräder schickt, dürften beim ID. GTI Leistungen zwischen mindestens 250 PS und 300 PS gesetzt sein. Ausserdem soll der stromernde GTI eine elektrisch gesteuerte Vorderachs-Differentialsperre erhalten, um die Dynamik auch standesgemäss auf die Strasse bringen zu können.
Die Reichweite des ID. GTI dürfte bei über 400 Kilometern liegen. Bei aller Lust auf Kurven und Geschwindigkeit soll aber auch die Praktikabilität nicht zu kurz kommen. Der Radstand von 2,60 Metern sorgt für entsprechende Platzverhältnisse: Der 490 bis 1330 Liter fassende Laderaum bietet über 100 Liter mehr als ein aktueller VW Golf GTI, der allerdings eine Klasse höher angesiedelt ist.
Marktstart nicht vor 2026
«Die perfekte Kombination aus Fahrspass und Alltagstauglichkeit – dafür stehen die drei Buchstaben GTI seit Jahrzehnten», sagt Volkswagen-CEO Thomas Schäfer: «Mit dem ID. GTI Concept bringen wir die GTI-DNA ins Elektrozeitalter: unverändert sportlich, ikonisch, technisch progressiv, erreichbar. Aber dabei neu interpretiert für morgen: elektrisch, vollvernetzt, superemotional. Fahrspass und Nachhaltigkeit passen zusammen. So hat GTI Zukunft – für unsere Marke, für die Fans.»
Einen grossen Haken gibts allerdings: Denn bis die VW-Fans in den Genuss des ersten Elektro-GTI aus dem Hause Volkswagen kommen, dürfte es noch mindestens bis zum Jahr 2026 dauern – im schnelllebigen, sich ständig verändernden Elektrozeitalter ist das eine halbe Ewigkeit. Und was der Elektro-GTI letztlich kosten wird, ist ebenfalls noch völlig unklar. Ausgehend von den 25'000 Franken des ID. 2all scheinen aber Preise zwischen 30'000 und 35'000 Franken durchaus realistisch.