Neuer Mini Cooper SE im ersten Fahrtest
Elektro-Styler mit Defiziten

Cooler stromern als im Mini Cooper SE geht fast nicht. Die zweite Elektro-Mini-Generation setzt mehr denn je auf Style und Fahrspass, doch grundlegende Stromer-Tugenden wie Reichweite und schnelles Laden bleiben dabei leider auf der Strecke.
Publiziert: 18.05.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2024 um 13:43 Uhr
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In neuer, fünfter Generation wird der Mini Cooper zum zweiten Mal als reiner Stromer angeboten.
Foto: Bernhard Filser
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Verkehrte Welt im beliebten Ferienort Sitges südlich von Barcelona: Dort, wo die Sonne sonst auch Ende April schon die Touristen an die Strandpromenaden zieht, schüttet es wie aus Kübeln. Statt glimmender Asphalt also zentimetertiefe Pfützen – und mittendrin Minis neuester Elektro-Spassmacher Cooper SE. Den Spass lassen wir uns trotzdem nicht verderben. Wir erhaschen einen kurzen Blick auf den knallgelben Dreitürer, der im Joint Venture mit dem chinesischen BMW-Partner Great Wall Motors entstand.

Design: eine runde Sache

Die Designer haben den einstigen Briten-Winzling, der seinen 3,06 Meter kurzen Urahn neu um 80 Zentimeter überragt, behutsam, aber gekonnt für die nächste Generation fit gemacht. Geblieben sind etwa die Kulleraugen-Scheinwerfer, hinzugekommen eine mächtig wirkende Frontmaske, die den einstigen Trapezkühler ersetzt. Hinten gibts neu LED-Rückleuchten in Dreiecksform – das farblich abgesetzte Dach bleibt ein Hingucker. Dass der Mini in fünfter Generation trotz allem nicht zum Raumriesen für lange Urlaubsfahrten zu fünft erwächst (Kofferraum 210–800 l), versteht sich von selbst.

Die grössten Veränderungen zum Vorgänger finden sich im Innenraum: Angefangen beim gestochen scharfen OLED-Runddisplay des Infotainmentsystems über die verzierten, detailverliebten Textiloberflächen bis hin zu den perfekt ausgeformten Sitzen, bei denen einzig die in den Nacken drückende Kopfstütze stören kann. Im aufgeräumten Cockpit finden sich trotz aller Reduktion aufs Wesentliche auch noch einige echte Knöpfe: Über den mittleren Drehschalter machen wir den Mini scharf, links daneben stellen wir die Fahrstufe ein: D wie Drive!

Der Mini macht mächtig Laune

Los gehts über die regendurchtränkten Strassen des spanischen Hinterlands. Schon im normalen Fahrmodus, die Mini neu «Experience Modes» getauft hat und bei welchen sich Ansprechverhalten, Ambientelicht und auch die akustische Untermalung im Innenraum ändert, zeigt der Mini sein fahrerisches Talent: Die von uns gefahrene SE-Variante mit 218 PS (160 kW) starkem E-Motor an der Vorderachse (der schwächere E leistet 184 PS/135 kW) drischt den 1,7 Tonnen schweren Kleinwagen willig nach vorne. Auf trockenen Strassen und ohne ständig scharrende Vorderräder sprintet der Cooper SE in 6,7 Sekunden auf Tempo 100 (Spitze 170 km/h). Die künstlich angelegte Soundkulisse im «Go-Kart-Mode», bei der nicht nur die Optik des Infotainments wechselt, sondern auch das Ansprechverhalten nochmals zackiger wird, ist für unseren Geschmack zu viel des Guten – lässt sich übers Untermenü aber auch kurzerhand deaktivieren.

Trotz seines für einen Mini-Stromer mächtigen Leergewichts macht der Cooper SE mächtig Laune, was vor allem am tiefen Schwerpunkt und der sportlich und ultradirekten Lenkung liegt. Minis so oft zitiertes Gokart-Feeling – beim kurvenklebenden Cooper verkommt das Marketing hier für einmal nicht zum faulen Spruch. Nur das sehr sportlich abgestimmte Fahrwerk könnte für Komfortliebhaber eine etwas zu straffe Note haben. Und warum Mini trotz Premium-Anspruch weiterhin eine billige Plastikscheibe fürs optionale Head-up-Display verbaut, wissen nur die Rechengötter in der Münchener Firmenzentrale. Vor allem, weil das Navi sogar über gewisse Augmented-Reality-Funktionen verfügt, bei denen etwa die nächste Kreisel-Ausfahrt im Bildschirm angezeigt werden. Im Sichtfeld des Fahrers würde es aber deutlich mehr Sinn machen.

Maue Reichweite, stolzer Preis

Und auch bei der Reichweite fährt der Elektro-Mini seinen Premium-Ansprüchen hinterher: Selbst im getesteten SE reicht der 54,2-kWh-Akku für höchstens 400 Kilometer – bei zügiger Fahrt oder auf der Autobahn werdens in der Praxis maximal 300. In der Basisversion E dürfen getrost nochmals 100 Kilometer an diesen Werten abgezogen werden. Demgegenüber steht eine mehr als dürftige Schnellladegeschwindigkeit von 95 Kilowatt (im E maximal 75 kW), womit Mini-Fahrer bestenfalls 30 Minuten an der Ladestation verbringen, bis die Batterie wieder zu 80 Prozent erstarkt ist. Klar, der Mini ist für die City prädestiniert – aber beim Blick aufs Wettbewerbsumfeld mit teils deutlich günstigeren Preisen ist das zu wenig.

Zu wenig: ein gutes Stichwort. Das müssen Käuferinnen des neuen Cooper SE definitiv nicht hinlegen, wenn sie den Mini-Stromer ihr Eigen nennen wollen. Schon die Basis «Essentiel Trim» des SE steht mit 44'390 Franken in der Preisliste. In sportlichem «JCW Trim» steigt der Preis auf 55'120 Franken. Beim Cooper E mit weniger Leistung und kleinerer Batterie gehts ab 40'690 Franken los. Viel Geld für ein Auto, das die meisten Kunden wohl vor allem als Zweitwagen nutzen. Dafür werden sie aber auch mit coolem Design, tollem Innenraum und jeder Menge Fahrspass verwöhnt. Und für alle, die trotzdem lieber auf Verbrenner- statt Elektroantrieb setzen, bietet Mini den Cooper auch weiterhin mit konventionellem Benziner an.

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