Neuer 296 GTB schon gefahren
So irre schnell ist der kleine Hybrid-Ferrari

Der kleine V12: So bezeichnet Ferrari den V6-Motor in seinem Hybridsportwagen 296 GTB. Kann der Benziner mit Elektro-Boost die fehlenden sechs Zylinder wettmachen? Blick hats ausprobiert.
Publiziert: 14.05.2022 um 13:05 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2022 um 09:06 Uhr
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Der neue 296 GTB ist der erste Serien-Ferrari mit V6-Motor.
Foto: Ferrari
Martin A. Bartholdi

Bei Ferrari geht es nicht um Autos. Firmengründer Enzo Ferrari (1898-1988) ging es viel mehr um deren Herz: «Ich baue Motoren und schraube Räder daran.» Dabei hatte es ihm der V12-Motor besonders angetan. Zwischen dem «Cavallino Rampante» und dem legendären Triebwerk besteht eine innige Beziehung, die bis in die Anfangszeiten zurückreicht. Schon der erste Strassen-Ferrari 125 S hatte 1947 einen V12 mit allerdings winzigen 1,5 Litern Hubraum.

Und jetzt das: Der neue Mittelmotor-Ferrari 296 GTB rollt mit einem V6 an. So wenige Zylinder gabs bei Ferrari noch nie in einem Strasse-Sportwagen. «Piccolo V12» nennen ihn die Ingenieure trotzdem. Aber kann der zusätzliche Elektromotor im Hybridantrieb die fehlenden Zylinder kompensieren? Und wie tönt der 296 GTB?

Die Fakten

Der 2,9-Liter-V6 (daher die Bezeichnung 296, obwohl man eigentlich auf drei Liter aufrunden könnte) leistet 663 PS (448 kW) und wird mit dem 176 PS (123 kW) starken Elektromotor aus dem grossen Hybrid-Bruder SF90 ergänzt. So kommt der 296 GTB auf 830 PS (610 kW) Systemleistung. Damit ist er auf Augenhöhe mit dem aktuelle V12, der im 812 auf 800 oder 830 PS (588 o. 610 kW) kommt. Eben – ein «kleiner V12». Auch beim Prestigesprint auf Tempo 100 gibts keinen Sieger: 2,9 Sekunden für beide. Aber beim Sprint auf 200 km/h kann der 296 GTB die 812 Superfast und Competizione mit 7,3 Sekunden um 0,6 beziehungsweise 0,2 Sekunden distanzieren. Von wegen klein.

Und wie fühlt sich das auf der Strasse an? Das digitales Cockpit ist voll auf den Fahrer ausgerichtet. Wir drücken auf die Start-Touchschaltfläche unten im Lenkrad – und nichts geschieht. Denn der 296 GTB startet im Hybridmodus. Gang rein und los. Innerorts bleiben wir dabei: Bis zu 25 Kilometer weit kann der 296 GTB rein elektrisch fahren. Obwohl Spritsparen nicht das erste Ziel der Ferrari-Ingenieure war.

Das Talent

Auf Performance scharfgestellt, erwacht fauchend der V6 des 296 GTB hinter uns. Jetzt auf der Landstrasse spannen beide Motoren für optimale Leistung zusammen. Hier macht der 296 GTB schon ordentlich Spass – vor allem, wenn wir selber schalten und etwas hochtourig fahren. Bis 10'000 Touren reicht der Drehzahlmesser; warnrot wird er bei 8500 Umdrehungen.

Auf den kurvigen Strassen des nördlichen Apennin (I) zeigt sich der 4,57 Meter lange Ferrari erfreulich flink. Er reagiert präzise und zieht wie auf Schienen durch die Kurven. Obwohl 1,6 Tonnen schwer, fährt er sich dank des kurzen Radstandes so agil wie ein Sportler-Leichtgewicht à la Lotus. So reaktionsfreudig lässt sich ein V12 nicht fahren – schon garnicht, wenn der Riesenmotor bleischwer auf der Vorderachse liegt.

Der Boost

Irre, wie der «kleine» Hybrid-Ferrari aus den Kurven beschleunigt, sobald der Elektroboost leicht verzögert einsetzt. Im Headup-Display überschlagen sich die digitalen Tachozahlen – schnell auf die Bremse. Cool, aber heikel für den Fahrausweis: Dieser Boost ist eigentlich nur etwas für die Rennstrecke.

Dort lässt sich die Leistung des 296 GTB viel besser aus- und erfahren. Vor allem im Qualifying-Modus, wenn die vollen 830 PS abgerufen und die Batterie bis auf das letzte Ampere ausgequetscht wird. Ein neu entwickeltes Anti-Blockiersystem lässt uns spät in die Kurve bremsen, ohne dass der 296 GTB über die Vorderräder rutscht. Der Unterschied zwischen elektrischer Rekuperation und mechanischer Bremse? Kaum zu erkennen. Das präzise Lenkgefühl bleibt; ebenso die wahnwitzige Beschleunigung mit kreischendem V6 hinter uns.

Ferrari 296 GTB

Antrieb 3,0-l-V6-Turbobenziner, 663 PS (488 kW) und Elektromotor 167 PS (123 kW), Systemleistung 830 PS (610 kW), Hochvoltbatterie mit 7,45 kWh, Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 2,9 s, Spitze über 330 km/h
Masse L/B/H 4,57/1,96/1,19 m, 1470 kg
Umwelt WLTP elektrische Reichweite ca. 25 km, Verbrauch noch nicht bekannt
Preise ab 308'600 Fr.

Antrieb 3,0-l-V6-Turbobenziner, 663 PS (488 kW) und Elektromotor 167 PS (123 kW), Systemleistung 830 PS (610 kW), Hochvoltbatterie mit 7,45 kWh, Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, Hinterradantrieb
Fahrleistungen 0 bis 100 km/h in 2,9 s, Spitze über 330 km/h
Masse L/B/H 4,57/1,96/1,19 m, 1470 kg
Umwelt WLTP elektrische Reichweite ca. 25 km, Verbrauch noch nicht bekannt
Preise ab 308'600 Fr.

Nach sechs bis sieben Runden auf der drei Kilometer kurzen Ferrari-Hausstrecke in Fiorano ist der Akku leer. Nachladen sehr erwünscht, aber nicht aus dem gleichen Grund wie bei anderen Plug-ins: Hybridtechnik soll die Performance erhöhen!

Das Fazit

Der Sound des neuen Motors ist cool und eines Ferraris würdig. Aber verdient er die Bezeichnung «Piccolo V12»? Nein. Der Klang ist kein Vergleich mit einem V12 – der bleibt einzigartig. Handling, Kraftentfaltung, Präzision und Dynamik sind trotzdem auf Top-Niveau. Das gilt leider auch für den Preis ab 308'600 Franken.

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