Der kleine Clio ist Renaults grosser Überflieger. Mehr als 16 Millionen Exemplare sind seit der Einführung 1990 zu den Kundinnen und Kunden gerollt – der Clio ist damit das meistverkaufte französische Auto der Neuzeit. Ob die aktuelle fünfte Generation aber nochmals einen Nachfolger erhalten wird, ist ungewiss: Die Elektrifizierung schreitet auch bei Frankreichs grösstem Autobauer unaufhaltsam voran – dereinst könnte der Clio vom nächstes Jahr startenden, vollelektrischen Renault 5 ersetzt werden.
Bevor es so weit ist, rollt im September der Renault Clio 5.1 zu den Händlern. Beim Facelift haben die Franzosen sprichwörtlich Vollgas gegeben, um den Kleinwagen für mindestens vier weitere Jahre fit für die Strasse zu machen. Solange dürfte der Clio weiterhin der Bestseller im Hause Renault bleiben.
Kraftvoller und erwachsener
Wie gründlich es der Autobauer bei der Überarbeitung genommen hat, stellen wir bereits beim ersten Sichtkontakt fest. Die Front strahlt nun in Renaults neuem Markengesicht mit schicker LED-Leuchtengrafik; die zuvor krallenartigen Tagfahrlichter sind eleganteren Einsätzen gewichen, welche die Form des neuen Renault-Rhombus aufnehmen. Auch am Heck haben die Stylisten Hand angelegt – der Clio wirkt nun deutlich kraftvoller und erwachsener als der Vorgänger.
Für die Testfahrt steht uns der Clio in neuer Topausstattung Esprit Alpine zur Verfügung, die die bisherige R.S. Line ersetzt. Damit hinterlässt der Clio einen guten ersten Eindruck, punktet beim Thema Nachhaltigkeit mit reichlich Textilmaterialien und Kunststoff statt Echtleder. Digitalinstrumente sind neu ebenso Standard wie der mittige, tabletartige Touchscreen, der je nach Version sieben oder 9,3 Zoll misst. Zum Raumwunder wird der Clio weiterhin nicht: Während die Kofferraumgrösse mit 340 bis 1069 Litern in Ordnung geht, wird es für grössere Passagiere auf der Rückbank eng.
Der Clio fährt teils elektrisch
Im Gegensatz zu Renaults SUV-Neuheiten Austral und Espace basiert das Infotainmentsystem samt Navigation allerdings noch nicht auf der moderneren Google-Architektur. Schade: Denn sowohl punkto Übersichtlichkeit als auch beim Handling des Navis kann das Bediensystem auf der Testfahrt nicht restlos überzeugen. Anders siehts beim Fahrverhalten des unverändert 4,05 Meter kurzen Kleinwagens aus: Los gehts im Brüsseler Stop-and-Go-Verkehr, in dem der Clio dank Vollhybrid-Antrieb zumeist rein elektrisch und flüsterleise unterwegs ist. Erst wenn mehr Leistung erforderlich wird, schaltet sich der 94 PS (69 kW) starke Vierzylinder-Benziner dazu, der zusammen mit den E-Motoren an Vorderachse und im automatisierten Getriebe maximal 145 PS (107 kW) und 205 Nm auf die Vorderräder überträgt.
Renaults selbst entwickeltes Multi-Mode-Getriebe, bei dem der Verbrenner erst bei höheren Geschwindigkeiten mechanisch zugeschaltet wird, wirkt nun deutlich ausgereifter als noch beim Vorgänger. Der Wechsel zwischen den Leistungsflüssen und Gängen geschieht meist unbemerkt und sanft – das passt gut zum durchaus komfortablen Charakter des neuen Clio. Doch wenn er will, kann der Kleinwagen auch zackig davonziehen, überzeugt auf kurvigen Landstrassen mit schön direkter Lenkung und gutem Seitenhalt auf den für manche vielleicht zu eng geschnittenen Vordersitzen.
Hohes Gewicht, tiefer Verbrauch
Dass der Hybrid-Clio nicht zum GTI-Jäger wie das längst eingestellte RS-Modell wird, offenbart aber bereits die Sprintzeit von 9,3 Sekunden bis Tempo 100 (Spitze 174 km/h). Gerade bei höheren Autobahngeschwindigkeiten geht dem Clio schon mal der Pfus aus, was auch am für einen Kleinwagen relativ hohen Leergewicht von mindestens 1250 Kilogramm liegen dürfte – hier muss der Kleine den zahlreichen Elektrokomponenten inklusive 1,2-kWh-Batterie im Heck Tribut zollen.
Diese sorgen auf der anderen Seite aber für einen auch im Alltag äusserst niedrigen Verbrauch: Auf der Testrunde kamen wir laut Bordcomputer auf weniger als 5,0 l/100 km – mit sanftem Gasfuss scheint auch der von Renault angegebene Normverbrauch von 4,2 l/100 km realistisch.
Faire Preise
Trotz der umfangreichen Überarbeitung bleiben die Preise auf dem Niveau des Vorgängers: Los gehts mit dem in der Schweiz weniger gefragten Dreizylinder-Benziner mit 90 PS und manuellem Sechsgang-Getriebe in tiefster Ausstattung Evolution ab 18'900 Franken. Das von uns gefahrene Hybrid-Topmodell in edler Esprit-Alpine-Linie beginnt bei 28'100 Franken. Ein fairer Deal für den wohl besten Clio aller Zeiten.