Stecker als Standard in den USA
Viele Marken übernehmen Teslas Stecker

Der Steckerkampf an der Ladesäule schien beendet: Für Schnellader hat sich der CCS-Stecker durchgesetzt. Aber in den USA steigen jetzt viele Marken auf den Tesla-Stecker um – auch bei uns?
Publiziert: 06.07.2023 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.07.2023 um 13:06 Uhr
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Ein Audi am Tesla-Charger? Das ist seit einem Jahr zunehmend auch bei uns möglich.
Foto: Lorenzo Fulvi
Lorenzo Fulvi und Stefan Grundhoff

Ein Audi am Tesla-Charger? Früher unmöglich, aber inzwischen fast normal. Denn vor einem Jahr begann der US-Elektroauto-Pionier, seine Schweizer Supercharger auch für Fremdmarken freizugeben. Das war problemlos möglich, denn hierzulande haben fast alle Elektroautos einen Typ-2- oder CCS-Stecker (Combined Charging System) – und damit dieselben, die auch Tesla hat. Doch in den USA schwenkt die Autoindustrie nun auf ein neues System um.

Als das Elektroauto vor einigen Jahren noch in seinen technischen Kinderschuhen steckte, entbrannte ein kurzer, aber heftiger Kampf um den geeigneten Ladeadapter. Für die normale Ladung des Elektromobils setzte sich letztlich der sogenannte Mennekes-Typ-2-Stecker durch, mit dem sich mittlerweile an den meisten Ladesäulen nachtanken lässt und mit dem auch die heimische Wallbox ausgestattet ist.

Viele Vorteile

Doch wer auf langen Strecken unterwegs ist, kann mit dem Typ-2-Stecker nicht viel anfangen, denn die Ladegeschwindigkeit ist hier eher Schnecke als Gepard. Wer schnell laden will, kommt um den CCS-Stecker nicht herum. Baulich ist der CCS-Stecker eine Erweiterung des Typ 2 um zwei weitere Pole, die für flottes Ladetempo sorgen.

Auf der Strecke blieb der Chademo-Stecker, der seinen technischen Ursprung in Japan hat. Die maximale Ladeleistung beträgt hierbei lediglich 50 kW statt 350 oder mehr beim CSS-Stecker. Keine nennenswerte Bedeutung beim Nachladen des eigenen Elektrofahrzeugs haben CEE- und Schukostecker, die allenfalls mit 2,3 bis 3,7 kW nachladen können.

Doch jetzt kommt überraschend wieder Bewegung ins Rennen um die Ladestecker. Denn immer mehr Marken schlagen sich in den USA auf die Seite von Tesla und dessen NACS-Stecker (North American Charging Standard), den die Marke auf dem US-Markt einbaut. Ein Grund ist der grosse Markt USA, denn hier liegen Ladeanbieter wie Electrify America in vielen Regionen deutlich hinter der Ladeinfrastruktur der Musk-Firma zurück.

Diese hatte früh ihr Supercharger-Netz aufgebaut – und gleich zahlreiche Ladepunkte pro Ladestation errichtet. Anders siehts bei den übrigen US-Ladeanbietern aus: Vor allem in der Agglomeration sind endlos lange Warteschlangen an den Ladepunkten der Normalfall. Zudem hapert es oft mit der Ladegeschwindigkeit, weil nur 100 oder 150 kW bereitgestellt werden. Auch die hohe Ausfallquote nervt viele Elektroautofahrer.

Diese Chance hat Elon Musk (52) erkannt und seine ehemals nur für Tesla-Modelle gedachten Supercharger mit Ladegeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilowatt nunmehr für diverse Marken geöffnet. Das gilt nicht allein für die USA, sondern beispielsweise auch für Europa. An zahlreichen Superchargern von Tesla sind daher immer mehr Fremdfabrikate zu sehen, die hier ihre Energie tanken.

Adapter als Lösung für ältere Autos

Jetzt schwenken auch Konkurrenzmarken um aufs Tesla-System. So gewährt Volvo seinen Kunden ab sofort Zugang zu 12'000 Tesla-Superchargern in den USA, Kanada und Mexiko. Künftige Volvo-Fahrzeuge sollen ab 2025 in der Region zusätzlich mit Teslas NACS-Ladebuchsen ausgerüstet werden. «Auf unserem Weg, bis 2030 vollständig elektrisch zu fahren, wollen wir das Leben mit einem Elektroauto so einfach wie möglich machen», unterstreicht Volvo-CEO Jim Rowan (58).

Die Fahrer von Volvo-Modellen wie XC40 / C40 Recharge oder den jüngst vorgestellten Modellen EX30 und EX90 müssen sich dafür noch nicht einmal wie bisher üblich in der Tesla-App als Fremdfabrik anmelden. Die Tesla-Supercharger werden in die Volvo-App sowie das Navigationssystem übernommen und können ab der ersten Hälfte 2024 dank eines serienmässigen Stecker-Adapters genutzt werden. So können auch Fahrzeuge mit einem CCS-Anschluss an einer NACS-Station laden.

Viele Hersteller schon an Bord

Volvo ist dabei nicht der einzige Hersteller, der sich auf die Seite von Tesla schlägt. Auch die Volvo-Tochter Polestar, sowie die US-Auto-Giganten Ford und General Motors setzen neu auf die Tesla-Technik und integrieren die entsprechenden Ladestecker. Wer beispielsweise mit einem Ford F-150 Lightning unterwegs ist, kann daher ebenso wie die Volvo-Kunden ab 2024 an den Tesla Superchargern nachtanken.

Marin Gjaja, verantwortlich für die Elektrokunden bei Ford, meint: «Das Tesla-Supercharger-Netzwerk ist sehr zuverlässig und der NACS-Stecker ist kleiner und leichter. Insgesamt bietet dies ein besseres Erlebnis für die Kunden.» Tesla-CEO Elon Musk ist das nicht genug, denn er buhlt aktuell um die nächsten Grosskonzerne Stellantis sowie Toyota, die sich beide noch nicht für einen Stecker entschieden haben.

Unter Druck setzt das insbesondere die deutschen Hersteller, unter anderem Volkswagen und Mercedes, die bisher allesamt auf den CCS-Stecker setzen, der aus den USA nunmehr zu verschwinden droht. In Europa dürfte der Steckerstandard CCS aber marktbeherrschend bleiben – schliesslich verwendet Tesla bei uns den gleichen Standard wie die europäischen Hersteller. Für die Autobauer wird allerdings die Produktion der Fahrzeuge komplexer. Denn sie müssen nun je nach Kontinent unterschiedliche Steckerstandards integrieren.

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