Das muss ein Bugatti können: Mindestens 1001 PS liefern, über 400 km/h schnell sein, in unter 3,5 Sekunden auf Tempo 100 spurten – und vor der Oper gut aussehen. Kurz: das beste Auto der Welt sein. Mehr wollte VW-Konzernpatron Ferdinand Piëch (1937–2019) nicht von der französischen Luxusmarke, nachdem Volkswagen sie 1998 übernommen hatte. Sein Credo: «Wenn es sich vergleichen lässt, ist es kein Bugatti.»
Szenenwechsel, vom Boss alter Schule zum Kumpeltyp. Mate Rimac (36) heisst nicht nur so, sondern wirkt auch wie ein «mate», wie Briten ihre besten Kollegen nennen. Immer ein Autofan und die Jugendzimmer-Wände mit Bugatti-Postern tapeziert, hat der Kroate seit 2011 aus dem Nichts mit seinem Unternehmen Rimac einen der Branchenleader für Elektroantriebe aufgebaut. Entwickelte 800-Volt-Antriebssysteme, baute den stärksten Sportstromer aller Zeiten, holte schräge Weltrekorde, wurde Pate eines Fahrgeschäfts im Europapark Rust (D), übernahm gemeinsam mit Porsche 2021 die Traditionsmarke Bugatti – und lässt mit deren neuem Tourbillon die Autowelt den Atem anhalten.
Ein Verbrenner, drei E-Motoren
Nackte Zahlen, die auch Piëch gefallen hätten: Ein V16-Benziner von über einem Meter Länge mit 8,3 Litern Hubraum und 1000 PS (735 kW), der bis zu 9000 Touren je Minute dreht und 900 Newtonmeter Maximal-Drehmoment liefert. Dazu steuern drei Elektromotoren – zwei an der Vorderachse, einer hinten im Getriebe – je weitere 340 PS (250 kW) bei, legen sich aber im Zusammenspiel mit nur insgesamt 800 PS (588 kW) ins Zeug.
Macht eine Systemleistung von 1800 PS (1324 kW) Spurtdaten? Von 0 auf 100 km/h in 2,0 Sekunden, unter fünf Sekunden auf 200 km/h, unter zehn auf 300 und unter 25 auf 400 km/h. Schluss ist erst bei irren 445 km/h – 20 km/h später als beim letzten Bugatti-Modell Chiron. Ein 24,8 kWh fassender Akku versorgt die E-Motoren und ermöglicht bis zu 60 Kilometer rein elektrisches Fahren. Dank Leichtbau bleibt der Tourbillon dennoch unter dem Gewicht des Vorgängers Chiron.
Alle Gerüchte waren Unsinn
Was war nicht alles im Vorfeld der Enthüllung des neuen Tourbillon spekuliert worden: Bugatti wird elektrisch, Bugatti baut einen Viertürer, Bugatti baut einen Crossover. Elektroantrieb schien dabei gesetzt, dank des Rimac-Backgrounds der Marke. Und auch Miteigentümer Porsche wollte unbedingt einen Stromer. Aber Autofan und Bugatti-Präsident Mate Rimac bockte – und setzte sich durch. Er will auch künftig beide Marken klar trennen: Rimac für die Stromer, Bugatti für die Auto-Weltwunder mit zeitloser Perfektion.
Aber warum? «Der Elektroantrieb ist die Zukunft – aber nicht das Richtige für Bugatti», sagt Rimac. Er wisse nichts von Plug-in-Hybriden und dem Zusammenspiel von Verbrennern und E-Motoren, habe man ihm bei Porsche vorgehalten. «Ich wollte ihnen beweisen, dass ich es doch kann», sagt Rimac. «Dinge zu tun, die jemand für unmöglich hält – das gehört zur DNA von Bugatti.» Also spannte er für den V16 mit dem Motorenspezialisten Cosworth zusammen und drückte einige technisch unvernünftig scheinende Entscheidungen durch, um das Bugatti-Markenimage nicht zu verwässern.
Der Klang spielt eine Hauptrolle
Beispiel: Aus Emissions- und Performancegründen wäre eine Turboaufladung wünschenswert gewesen. Aber Turbos vertragen die hohen Drehzahlen nicht, die Rimac des Motorklangs wegen vorschwebten. Der Sound sei der Bugatti-Klientel wichtig, und daher auch der Verbrenner. Also blieb es beim reinen V16-Zylinder-Saugmotor, dem jetzt E-Motoren statt Turbolader auf die Sprünge helfen. Sonst sei er mit fertigen Produkten immer unzufrieden; grüble immer wieder, wie man es noch besser machen könnte. «Beim Tourbillon bin ich zum ersten Mal glücklich», so Rimac.
Alles begann, als der CEO von Rimac Group und Gründer von Rimac Automobili, Mate Rimac, im Alter von 21 Jahren seinen BMW mit einem eigenen elektrischen Antrieb versah. Bei Firmengründung 2011 hatte der Kroate lediglich eine Handvoll Mitarbeitende. Heute, 13 Jahre später, arbeiten über 1300 Menschen in zwei Teilfirmen. Rimac Technology gehört zu 100 Prozent zur Rimac Group und liefert grossen Herstellern Batterien und Elektroantriebe – unter anderem Koenigsegg und Porsche. Die Bugatti Rimac Gruppe mit den Marken Bugatti und Rimac als Sparte für die selbst entwickelten Fahrzeuge gehört nur zu 55 Prozent zur Gruppe; den Rest halten diverse Aktionäre und Mate Rimac selbst.
Alles begann, als der CEO von Rimac Group und Gründer von Rimac Automobili, Mate Rimac, im Alter von 21 Jahren seinen BMW mit einem eigenen elektrischen Antrieb versah. Bei Firmengründung 2011 hatte der Kroate lediglich eine Handvoll Mitarbeitende. Heute, 13 Jahre später, arbeiten über 1300 Menschen in zwei Teilfirmen. Rimac Technology gehört zu 100 Prozent zur Rimac Group und liefert grossen Herstellern Batterien und Elektroantriebe – unter anderem Koenigsegg und Porsche. Die Bugatti Rimac Gruppe mit den Marken Bugatti und Rimac als Sparte für die selbst entwickelten Fahrzeuge gehört nur zu 55 Prozent zur Gruppe; den Rest halten diverse Aktionäre und Mate Rimac selbst.
Beim Design wollte Rimac Vergangenheit und Zukunft der Marke verbinden, ein zeitloses Kunstwerk auf Rädern schaffen. Langweilig, mag mancher sagen, weil der Tourbillon zwar langgestrecktere Proportionen als sein Vorgänger Chiron aufweist – schon um den Riesenmotor unterzubringen. Aber er greift auch Details historischer Bugattis von der Hufeisen-Front bis zum kaum erkennbar integrierten Heckspoiler auf – allerdings behutsam ans Heute angepasst. Das sorgt so für den laut Piëch nötigen Opern-Faktor.
Im Cockpit kommt die Schweiz ins Spiel: Tourbillon heisst auf Französisch Wirbelwind – und bezeichnet jenes Bauteil mechanischer Uhren, das den Einfluss der Schwerkraft auf die Ganggenauigkeit eliminiert. Wer hats erfunden? Der Schweizer Abraham Louis Breguet (1747–1823). Das klassische Erscheinungsbild des neuen Bugatti mit digitalen Spielereien zu entwerten, kam für Rimac nicht infrage.
Statt virtuellen Instrumenten thront im Cockpit deshalb ein mechanisches Kunstwerk aus sechs Anzeigeuhren für Motorstatus, Tank, Tempo, Drehzahl und sogar die Batteriekapazität – gefertigt aus Edelstahl, Titan, Saphiren und Rubinen – allein im 250-teiligen Tacho stecken zehn davon als Lagersteine. Aufziehen wie eine Uhr muss man sie natürlich nicht – bewegt werden sie von kleinen Schrittmotoren. «Ausserdem wiegt ein Screen rund 1,5 Kilogramm», sagt Rimac: Die Mechanik komme nur auf 700 Gramm. Welcher Schweizer Uhrenbauer ist beteiligt? Concepto in La Chaux-de-Fonds JU, einer der grossen Unbekannten der Branche.
Nur 250 Stück werden gebaut – wahrscheinlich
Los gehts mit dem Tourbillon voraussichtlich 2026. Rund 80 Stück pro Jahr und 250 insgesamt sollen in der Manufaktur im französischen Molsheim für ab je 3,8 Millionen Euro gebaut werden. Und wer soll sie kaufen? Zu 44 Prozent Europäer, 17 Prozent Kunden aus dem arabischen Raum und ein drittel Nordamerikaner. Jeder dritte Bugatti-Eigner habe übrigens mehr als einen, und im Schnitt sind sie laut Rimac knapp 52 Jahre alt – und damit jung für einen durchschnittlichen Neuwagenkunden.
Dass nach rund drei Jahren schon Schluss sein könnte mit der Produktion des Tourbillon, dürfte niemand in der Autobranche glauben. Denn Bugatti war in der Vergangenheit immer für das eine oder andere Sondermodell und Einzelstück gut. Und ausserdem lägen mehr als nur 445 km/h Spitze beim Tourbillon drin. Sagt Mate Rimac.