Was ist das wichtigste an einem Auto? Der Antrieb? Innenraum oder Fahrleistungen? Früher war das alles entscheidend, um uns für ein Auto begeistern. Aber heute zählt was anderes: «Die Software definiert das Auto!», sagt Patrick Bengtsson, Software-Chef bei Volvo.
Weil: Wenns die nötigen Kabel zur Vernetzung der Systeme gibt und das Betriebssystem geschrieben ist, dann lassen sich darauf dank Elektrifizierung völlig variabel Abmessungen, Radstand, Reichweite oder Leistung für jedes Modell flexibel festlegen. Darin sieht Volvo-Chef Hakan Samuelsson die Zukunft seiner Marke: Weg vom Oldschool-Autobauer hin zum Software-getriebenen Serviceunternehmen, welches das Leben seiner Kunden leichter machen soll. Die Autos sind dabei «nur» die Hardware-Plattform, auf der sich die Kunden mit allen möglichen Endgeräten andocken können – vom Smartphone bis zu ihrem smart gesteuerten Eigenheim.
Alles unter Kontrolle
Deshalb macht Volvo reinen Tisch: Schluss mit den gemischt genutzten Plattformen wie beim XC40, den es mit Benziner, mit Plug-in-Hybridantrieb oder rein elektrisch gibt. Künftig ist der Elektroantrieb fest gesetzt. Bis 2026 soll die Reichweite dank neuer Materialkombinationen in der Batterie auf bis zu 900 Kilometer wachsen. Gleichzeitig soll die Kooperation mit dem Batteriehersteller Northvolt bis 2025 Zellen und Batterien soweit verbilligen, dass ein Stromer ab etwa 2025 bei den Anschaffungskosten gleichauf mit Verbrennern sein soll.
Mit der gemeinsamen Batterieproduktion mit Northvolt macht sich Volvo zudem von den grossen Batteriezulieferern wie LG oder Panasonic unabhängig. Samuelsson will die komplette Kette bei Produktion und Entwicklung kontrollieren; von der Förderung der Rohstoffe bzw. dem Zusetzen von Recycling-Material bis zum fertigen Auto. Das bändige die Kosten und senke den Einfluss externer Zulieferer. Volvo will bestimmen, was in einem Volvo zum Beispiel an Software läuft und kann stetig Updates einspielen: «Heute ist ein Auto am besten, wenns aus dem Werk rollt. Künftig wird es immer besser», sagt Bengtsson.
Zwei Computer sind die Basis
Dafür räumt er die Elektrik auf: Statt rund 100 Steuergeräte wie in heutigen Volvos sollen künftig zwei zentrale Computer in jedem Auto alles steuern – von der elektronischen Stabilitätskontrolle über Fahrassistenten bis hin zur Ladesteuerung per App. In der Software gibts Schnittstellen, bei denen externe Entwickler eigene Funktionen ins von Google und Volvo entwickelte Betriebssystem einbinden können. Gut 700 Meter Kabel sparen die Zentralrechner ein – das werde man an Gewicht und damit beim Verbrauch merken.
Bloss fixt man damit noch keinen Kunden an – für die ist vor allem das Design wichtig. Mit dem Recharge Concept enthüllt Volvos Chefdesigner Robin Page, wie er sich die künftigen Elektro-Volvos der nächsten Generation vorstellt: Charakteristisch sind die kurzen Überhänge und der grosse Innenraum, unter dem sich das maximal grosse Batteriepaket versteckt. Statt einer Kiste mit eigenem Stahlmantel im Unterboden soll diese künftig mit Stahlplatten verklebt werden zu einem hochfesten Sandwich, das gleich noch die Funktion des Bodens übernehmen kann – auch das spart Gewicht und ermöglicht dünnere Batteriepakete.
Puristisch und sehr skandinavisch
Das Design des Concept Recharge ist noch puristischer als man es von aktuellen Volvo-Modellen kennt. Innen wie aussen sind die Linien auf ein Minimum beschränkt. Geblieben ist eine aufgeräumte Front mit dem bekannten Kühlergrill in Schildform und LED-Leuchten mit T-Optik. Grill? Eher eine völlig geschlossene Frontfläche im Umriss des ehemaligen Grills. Neu ist auch die HD-fähige Grafiktechnik, die nachts die Hauptleuchteinheiten freilegt, während am Heck die bekannt vertikalen Rückleuchten sich bei höherem Tempo vergrössern. «Unser Volvo Concept Recharge gibt einen Ausblick auf die vollelektrische Zukunft von Volvo Cars und auf eine neue Art von Fahrzeug», sagt Page. «Die modernen Proportionen steigern die Vielseitigkeit im Innenraum. Zugleich zeigt das Konzeptfahrzeug, was neue Technik in Bezug auf Design ermöglichen kann.»
So puristisch wie aussen wirkt auch das Interieur. Per hochkantigem 15-Zoll-Touchscreen Werden alle Funktionen bedient, wobei das Betriebssystem fahrerspezifisch mitlernt und die häufig gebrauchten immer direkt verfügbar hält. Bis 2030 soll die ganze Volvo-Palette – beginnend mit dem wohl 2022 kommenden nächsten XC90 – vollständig rein elektrisch unterwegs sein. Bleibt abzuwarten, wie viel vom Recharge Concept es in die Serie schaffen wird.