Assistenz bald nicht mehr abschaltbar
Volvo will uns bevormunden

In Zukunft will uns Volvo nicht nur die Wahl nehmen, einen Verbrenner zu kaufen – sondern auch die Möglichkeit, die Sicherheits-Assistenzsysteme alle abschalten zu können.
Publiziert: 28.03.2021 um 22:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2021 um 08:43 Uhr
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Volvo (hier der neue C40) nimmt uns an die Leine: Ab 2030 soll es nur noch E-Antrieb geben. Und Assistenzsysteme bleiben ...
Foto: Volvo/zVg
Timothy Pfannkuchen

Die Meldung war ein Paukenschlag: Noch früher als andere Autohersteller will Volvo komplett auf Elektro umschwenken. Bereits 2025 soll die Hälfte, 2030 jeder neue Volvo rein elektrisch fahren (hier mehr dazu und zum neuen C40).

Volvo geht aber noch weiter: Nachdem bereits die Höchstgeschwindigkeit stets limitiert wird, ist wohl bald Schluss mit der Wahl, ob wir Assistenzsysteme wollen oder nicht: Manche werden aus Sicherheitsgründen nicht mehr abschaltbar sein.

EU und Volvo bremsen ein

Dies fällt in eine Zeit, in der die automatische EU-Tempobremse namens ISA für Diskussionen sorgt: ISA soll in nur drei Jahren in jedem Neuwagen dafür sorgen, dass wir Tempolimits einhalten – zum Ärger der Schweizer Autobranche.

Bereits seit 2020 fahren neue Volvos maximal 180 km/h – nicht nur, wo so oft, elektrische Autos (z.B. VW ID.3 max. 160 km/h). Sondern alle. «Wir möchten ein Gespräch beginnen, ob die Hersteller das Recht oder gar die Pflicht haben, Technologie zu installieren, die das Verhalten ändert, um Dinge wie Tempo, Rausch oder Ablenkung in den Griff zu bekommen», sagte der Volvo-Boss Håkan Samuelsson (70) dem «Spiegel». Ausser beim Nachbarn Deutschland mit nicht generell tempolimitierten Autobahnen kein Aufreger. Doch wie die einstige Selbstbeschränkung deutscher Hersteller auf 250 km/h sollte es Zeichen setzen.

Jüngst legt Volvo-Chefentwickler Henrik Green (47) an einem Roundtable nach: «Wir brechen mit der Tradition, dass Fahrende sich gegen Sicherheit entscheiden können.» In fast allen anderen Autos könne man Systeme abschalten – und dann so schnell, betrunken oder übermüdet fahren, wie man wolle. «Diese Wahlfreiheit haben wir immer geschützt, dafür gibt es gute Gründe», betont Green. «Aber sie ist es nicht wert, um jeden Preis geschützt zu werden!» Details zu Zeitpunkt und Systemen nannte Green nicht. Wo man «keinen Abschaltgrund» sehe, bleiben sie aber wohl bald aktiv. Green: «Wir denken, die Mehrheit der Kunden findet es richtig.»

ESP heute oft immer an

Dass Green davon ausgeht, dass andere Hersteller folgen, ist nicht aus der Luft gegriffen. Bereits heute machen es uns viele Autobauer schwer, gewisse Systeme abzuschalten. Noch vor Jahren konnte man zum Beispiel den auf kurvenreichen Strassen mitunter nervigen Spurhalter dauerhaft deaktivieren. Irgendwann aber schaltete er sich bei jedem Neustart ein. Heute gibt es kaum mehr einen Knopf, die Ausschalt-Funktion versteckt sich tief in den Untermenüs der Touchscreens.

Wohin die Reise geht, zeigt der Antischleuder-Schutzengel ESP. Schon heute ist ESP oft nur reduzier-, nicht abschaltbar. Warum? Weil es allein in Europa laut Schätzungen 15'000 Leben gerettet hat. «Driftunfälle» zeigen, wozu mutwilliges Ausschalten führt: Gäbe es weniger solche Vorfälle, wäre auch der Druck auf die Politik kleiner, uns alle mit einzubremsen. Zudem nimmt Produkthaftung heute Hersteller enger in die Pflicht. Und nicht nur Volvo will die Vision «Unfallzahl null» umsetzen – und wartet man dafür auf autonomes Fahren, dauert es noch lange.

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