25 Jahre Schleuderschutz ESP
Schutzengel der Autofahrer

Vor einem Vierteljahrhundert ging das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) in der Mercedes S-Klasse erstmals in Serie. Heute ist es in fast jedem Auto verbaut – dem Skandal um den «Elchtest» sei Dank.
Publiziert: 26.08.2020 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 09.03.2021 um 15:05 Uhr
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Vor einem Vierteljahrhundert ging der Schleuderschutz ESP in einer Mercedes S-Klasse erstmals in Serie.
Foto: zVg
Raoul Schwinnen

Wie Sicherheitsgurt oder Airbag ist das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) heute aus einem modernen Auto nicht mehr wegzudenken. Seit 1977 entwickelte Anton van Zanten (heute 80) beim deutschen Autozulieferer Bosch am Antiblockiersystem (ABS), auf dem er später das ESP, welches das schleudernde Auto ohne Zutun des Fahrers stabilisieren kann, aufbaute.

Der gebürtige Niederländer, der erst alleine und am Computer tüftelte, war sich bewusst, dass er etwas Wichtiges erfindet – und dass es funktionieren würde. «Ich war immer überzeugt, dass ESP das Schleudern und somit schwere Unfälle verhindern wird. Aber ich wusste nicht, wie viele Leben man damit retten konnte». Es sollten weltweit Abertausende werden – bis heute.

Erst wollte niemand ESP

«Dabei wollte das Sicherheitssystem zu Beginn gar niemand haben», erinnert sich van Zanten. Anfang der 1990er zog er für Bosch mit der versuchsweise in einem Mercedes und BMW eingebauten «Fahr-Dynamik-Regelung» (FDR) vier Jahre lang von Marke zu Marke. «Nur Toyota war interessiert, weil sie parallel daran arbeiteten», sagt van Zanten. «BMW hat uns nur belächelt. Erst als sie hörten, dass Mercedes es doch will, wollten sie es auch.»

Mercedes hatte nach der ersten Sicherheitszelle mit Knautschzone (1959), dem elektronischen ABS (1978, mit Bosch) und dem ersten erfolgreichen Airbag (1981) einen Ruf zu verteidigen. Das Kürzel wurde von FDR auf ESP geändert (weil «Electronic Stability Programm» auf Englisch funktioniert) – und 1995 startete das S-Klasse Coupé (C 140) mit dem Schleuderschutz.

Bis 80 Prozent weniger Unfälle

So arbeitet ESP: Ein Netz aus Sensoren prüft Lenkwinkel, Bremsen, Power und – ganz wichtig – die Gierrate des Fahrzeugs. Also wie schnell sich das Auto um seine Vertikal- oder Hochachse dreht – sprich ob es schlingert. Im Notfall wird ESP aktiv, bremst einzelne Räder, greift in die Motorleistung ein und hält das Fahrzeug so in der Spur. Bis zu 80 Prozent der Schleuderunfälle kann es verhindern. Nichts tun kann es nur, wenn es bewusst deaktiviert wird, wie dies bei posenden Junglenkern in PS-gewaltigen Autos vorkommt.

Zu Beginn war ESP ein teures Extra für Luxusautos. Bis beim «Elchtest» 1997 die Mercedes A-Klasse beim Ausweichmanöver umkippte. Mercedes meisterte den Skandal, indem nicht gross abgewiegelt, sondern der Fehler zugegeben und ESP Serie wurde. Was wiederum die Konkurrenz zum Nachziehen zwang, etwa VW beim Golf. So verbreitete sich ESP schneller als je erwartet, und seit 2014 ist es in jedem Neuwagen in Europa Pflicht.

15'000 gerettete Leben

«Der Elchtest hat natürlich den ganzen Prozess beschleunigt», ist sich auch van Zanten sicher. Heute geht man bei Bosch davon aus, dass ESP seit seiner Premiere vor 25 Jahren alleine in Europa rund 15’000 Menschen das Leben gerettet und eine halbe Million Unfälle mit Verletzten verhindert hat.

Seit 2003 ist Schutzengel Anton van Zanten pensioniert. Vor vier Jahren erhielt er den Europäischen Erfinderpreis für sein Lebenswerk. Und noch heute fährt der 80-Jährige genau jenes Auto, das seiner Erfindung einst ganz unfreiwillig zum Durchbruch verhalf – eine Mercedes A-Klasse.

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