Schlechte News zur Lade der Nation – Verkäufe gehen runter statt rauf
Darum kommen Elektroautos in der Schweiz nicht in Fahrt

Die Zahlen sind ernüchternd: Statt wie erhofft weiter nach oben, gingen die Verkäufe reiner Elektroautos in der Schweiz 2024 zurück – und zwar um satte elf Prozent! Woran liegt die Unlust am Elektroauto von Frau und Herr Schweizer?
Publiziert: 00:01 Uhr
1/13
Nach einer ersten Welle der Euphorie und Neugier läuft der Verkauf von Elektroautos – hier das Model S von Pionier Tesla – in der Schweiz nicht mehr so geschmiert.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

  • Elektroautoverkäufe gehen in der Schweiz 2024 zurück
  • Gründe: Fehlende Anreize, höhere Tarife und fehlende Lademöglichkeiten
  • Vor allem Mieter besitzen kaum Elektroautos
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_948.JPG
Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Die Schweiz verliert bei der Elektromobilität in Europa den Anschluss. Im Vergleich mit den führenden Märkten in Skandinavien und den Benelux-Staaten büsst die Schweiz mit einem Minus von elf Prozent bei den Elektro-Neuwagenverkäufen 2024 weiter an Terrain ein, wird gar von Portugal überholt und fällt erstmals aus den Top 10.

Warum funktioniert nach einer ersten Welle der Euphorie und Neugier der Verkauf von neuen Elektroautos in der Schweiz nicht mehr wie erhofft? Für den Direktor vom Verband Swiss eMobility, Krispin Romang, keine überraschende Situation: «Die 2024 eingeführte Importsteuer und die nach wie vor schwierige Situation bei den Heimladestationen bremsen die Entwicklung der Elektromobilität in unserem Land. Trotz hervorragender Produkte und dem besten öffentlichen Ladenetz Europas ist der Umstieg von fossiler auf elektrische Mobilität in der Schweiz nach wie vor kein Selbstläufer.»

Bestrafung statt Kaufreiz

Bei der Suche nach Gründen für die Zurückhaltung beim Kauf von E-Autos müssen wir beim fehlenden Anreiz beginnen. Während in anderen Ländern der Absatz von Stromern mit Subventionen gefördert oder der Kauf von Verbrennern mit Spritstrafsteuern unattraktiv gemacht wird, passierte in der Schweiz diesbezüglich (fast) nichts. Einige Kantone boten anfangs kleine Zückerchen wie Nachlässe bei den Zulassungsgebühren oder Unterstützung bei Kauf und Installation von Heimladestationen. Aber eine nationale und flächendeckende Förderstrategie des Bundes gab es in der Schweiz für die Elektromobilität nie. Im Gegenteil: Per 1. Januar 2024 führte der Bundesrat gar eine zusätzliche Importsteuer von vier Prozent auf alle neuen Elektroautos ein – «und erwies mit diesem faktischen Importzoll der Elektrifizierung der Automobilität einen Bärendienst», ereifert sich Peter Grünenfelder, Präsident der Importeursvereinigung Auto Schweiz.

Teure Anschaffung

Womit wir beim Kaufpreis sind. Auch wenn es die Hersteller nicht gerne hören, aber Elektroautos kosten aktuell bei der Anschaffung im Schnitt noch rund 20 Prozent mehr als ein vergleichbarer Benziner. Und vielleicht machte die Industrie den Fehler, dass sie zu Beginn der Transformation erst nur leistungsstarke und entsprechend teure Stromer anbot, um so deren Potenzial zu demonstrieren – das Segment von preiswerteren Klein- und Kompaktwagen jedoch vernachlässigte.

Diese These stützt auch eine Umfrage der Axa-Versicherung vom letzten Herbst, bei der fast 50 Prozent der befragten Personen, die sich beim nächsten Neuwagenkauf kein E-Auto anschaffen wollen, begründete, dass der Kaufpreis von Elektroautos günstiger werden müsse. Damit das Elektroauto auch wirklich in der breiten Bevölkerung ankommt, muss das Angebot bei den preiswerten Modellen wachsen. Immerhin ist diese Erkenntnis mittlerweile auch zu den Herstellern durchgedrungen. So kommen dieses Jahr einige neue Elektromodelle für weniger als 25’000 Franken auf den Markt (auch interessant: Jetzt kommen die Günstig-Stromer).

Unsicherer Wiederverkauf

Der Kauf ist das eine, der Wiederverkauf das andere. Noch ist heute die Skepsis bezüglich Lebensdauer und Haltbarkeit eines Elektroauto-Akkus gross – entsprechend schleppend entwickelt sich das Occasionsgeschäft mit den Stromern. Ist heute fast jedes zweite verkaufte Verbrennerauto eine Occasion, ist es bei den E-Autos nicht mal jeder Zehnte. Die Gefahr, dass man beim Kauf eines neuen E-Autos später beim Wiederverkauf darauf sitzenbleibt, schätzen viele Konsumenten offenbar als gross ein. Dabei haben sie auch die nachlassende Kapazität ihres Handyakkus nach zig Ladezyklen im Hinterkopf. Dagegen bieten viele Occasionshändler und Wiederverkäufer jedoch sogenannte Batteriezertifikate an, die über den aktuellen Zustand des Fahrzeugakkus Auskunft geben – und die Hersteller bieten zudem lange Werksgarantien von bis zu acht Jahren.

Unbefriedigende Ladesituation

Doch inzwischen einer der Hauptgründe, weshalb nicht mehr Schweizerinnen und Schweizer ein Elektroauto kaufen, ist die fehlende Lademöglichkeit zu Hause oder am Arbeitsplatz. Das Netz der öffentlichen Ladestationen wird zwar laufend ausgebaut und flächendeckender – und unser Land gehört diesbezüglich zu den Spitzenreitern. Dennoch wünscht sich vermutlich jeder Elektroautofahrende eine Lademöglichkeit, an der man sein Auto bequem über Nacht oder tagsüber im Büro laden kann. Da wir Schweizer aber ein Volk von Mietern sind, ist das häufig nicht möglich.

Und so erstaunt es nicht, dass aktuell im Gegensatz zu 14 Prozent der Wohneigentümer nur gerade drei Prozent aller Mieterinnen und Mieter ein Elektroauto besitzen. Zu aufwendig oder gar unmöglich ist es vielen Mietern, bei ihren Vermietern die Installation oder wenigstens die Erlaubnis für eine Ladestation zu erhalten. Und deshalb verzichten gerade in der Stadt, wo die Elektromobilität eigentlich am meisten Sinn macht, aber nur die wenigsten über einen eigenen Parkplatz verfügen, viele auf ein E-Auto.

Gemeinsame Lösungen nötig

Es gibt folglich mehrere Gründe, warum die Elektromobilität in der Schweiz nicht wie gewünscht weiter vorankommt. Fakt ist: Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist nach wie vor gross, ob tatsächlich der Elektromobilität alleine die Zukunft gehört. Und dies führt dazu, dass aktuell viele Schweizerinnen und Schweizer den fälligen Kauf eines Neuwagens aufschieben und mit ihrem alten Verbrenner weiterfahren. Tatsächlich ist eine Energiewende nur gemeinsam zu schaffen. Die Hersteller und Fahrzeugimporteure müssen noch günstigere, reichweitenstärkere und schneller ladende Elektrofahrzeuge anbieten. Gleichzeitig sind Politik und Parlament gefordert, statt E-Autos mit Importsteuern zu verteuern, den Aufbau von privater und öffentlicher Ladeinfrastruktur zu unterstützen – beispielsweise durch tiefere Strompreise über staatliche Elektrizitätswerke und mit einer Revision des aktuellen Mietrechts.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?