Neue Marke Togg: 1 Million Autos pro Jahr ab 2030
Türkei baut eigene Elektroautos – auch für die Schweiz?

Gleich drei Modelle aus eigenem Werk will das türkische Elektro-Start-up Togg ab 2023 lancieren. Dabei ist die E-Mobilität noch längst nicht im Land angekommen. Was plant CEO Gürcan Karakaş (57) für seine Marke?
Publiziert: 09.08.2022 um 11:08 Uhr
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Die Türkei baut eigene Elektroautos: Das türkische Start-up Togg mit seinem CEO Mehmet Gürcan Karakaş (57, Bild) will die Elektromobilität im Land vorantreiben.
Foto: Zvg
Stefan Grundhoff

Die Türkei hat eine mehr als 50-jährige Geschichte in der Autoindustrie. Ford, Toyota, Renault, Fiat oder Mercedes fertigen ihre Fahrzeuge seit vielen Jahren am Bosporus. Die geplante 300'000-Autos-Fabrik von Volkswagen wurde 2019 nur durch die angespannte politische Lage verhindert, die nach wie vor einige Autohersteller von Investitionen abhält, während die Zulieferindustrie hier weniger Berührungsängste hat. Bloss mit eigenen Herstellern klappte es bisher nicht.

Doch jetzt will Togg als tatsächlich türkischer Autohersteller das Land auch als Elektrostandort interessant machen. Auch wenn es der Türkei wirtschaftspolitisch derzeit alles andere als gut geht: Aufgrund der aktuellen Situation mit Teile-Engpässen und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für die etablierten Autobauer räumen Analysten dem Start-up durchaus Chancen ein.

Autoland Türkei

Rund 250 Unternehmen der Autobranche nutzen die Türkei als Produktionsstandort. Von den weltweit 50 grössten Automobilzulieferern sind 30 in der Türkei ansässig. Die Fahrzeugproduktion 2021 belief sich auf fast 1,3 Mio. Fahrzeuge, womit die Türkei weltweit auf Platz 13 vor Grossbritannien oder Italien rangiert und europaweit den vierten Platz belegt. In der Nutzfahrzeugproduktion ist die Türkei mit 493'305 Einheiten Spitzenreiterin in Europa. Im Zeitraum Januar bis Mai 2022 belief sich die Gesamtproduktion der türkischen Automobilindustrie auf 513'000 Einheiten.

Rund 250 Unternehmen der Autobranche nutzen die Türkei als Produktionsstandort. Von den weltweit 50 grössten Automobilzulieferern sind 30 in der Türkei ansässig. Die Fahrzeugproduktion 2021 belief sich auf fast 1,3 Mio. Fahrzeuge, womit die Türkei weltweit auf Platz 13 vor Grossbritannien oder Italien rangiert und europaweit den vierten Platz belegt. In der Nutzfahrzeugproduktion ist die Türkei mit 493'305 Einheiten Spitzenreiterin in Europa. Im Zeitraum Januar bis Mai 2022 belief sich die Gesamtproduktion der türkischen Automobilindustrie auf 513'000 Einheiten.

Als einer der wichtigsten Fahrzeughersteller stellt Ford in der Türkei seit Jahrzehnten seinen Transporter-Evergreen Transit her. Auch die neue Elektroversion wird hier produziert. Hierfür wurden 2,2 Milliarden US-Dollar investiert, damit jährlich 200'000 Exemplare des E-Transit die Fertigung in Kocaeli verlassen können. Und Toyota und Renault – lokal durch Oyak Renault vertreten – fertigen in der Türkei aktuell Hybridversionen verschiedener Modelle. Auf den Elektro-Trend will nun auch Togg aufspringen.

Türkische Grossunternehmen an Bord

Hinter dem Unternehmen steht ein Konsortium türkischer Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen wie die Anadolu Grubu Holding A.Ş., BMC Otomotiv Sanayi ve Ticaret A.Ş., Turkcell İletişim Hizmetleri A.Ş., Zorlu Holding A.Ş. und die Union der Kammern und Warenbörsen der Türkei. Als CEO amtiert mit Mehmet Gürcan Karakaş (57) ein erfahrener Manager, der drei Jahrzehnte an verantwortlichen Stellen in der Autoindustrie arbeitete. Zuletzt leitete er die Sparte Elektroantriebe beim deutschen Zulieferer Bosch.

Togg sieht sich weniger als traditioneller Autohersteller, sondern als Mobilitätsanbieter, bei der das Auto als smartes Device nur eine Säule bildet. An der Consumer Electronics Show in Las Vegas (USA) enthüllte Karakaş mit einer Togg-Limousine einen Ausblick auf das erste Serienfahrzeug, das im ersten Quartal 2023 zunächst zu den türkischen Kunden rollen soll. Danach sind – zunächst für den eigenen Markt – eine Limousine und ein Fliessheckmodell geplant. Togg ist nicht zuletzt als politisches Projekt zu sehen, denn ein eigener Autohersteller aus der Türkei für die heimische Bevölkerung ist eine Herzensangelegenheit des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Aus der Türkei nach ganz Europa?

Zunächst soll sich die Marke auf dem Heimatmarkt behaupten, doch dann steht die Expansion in andere europäische Länder an, wobei zunächst Skandinavien ins Visier genommen werden soll – und dann wohl auch der Rest Europas. Bis zum Ende des Jahrzehnts will Karakaş insgesamt eine Million Fahrzeuge in fünf verschiedenen Segmenten produzieren. Diese sollen auf absehbare Zeit aus einem neuen Werk nahe Gemlik in der Region Bursa kommen. «Es ist eine grüne Produktion im Nordwesten der Türkei am Marmara-Meer», sagt Karakaş. «Wir haben dort 1,2 Millionen Quadratmeter Fläche und können zum Start 175'000 Fahrzeuge pro Jahr fertigen. Wir können es problemlos jederzeit erweitern.» Insgesamt sollen für die neue Automarke über zehn Jahre mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar investiert werden.

Wie schnell die türkische Bevölkerung auf die Elektromobilität aufspringt, muss sich aber noch zeigen. Laut Regulierungsbehörde für den Energiemarkt lag die Zahl der Ladestationen in der Türkei 2021 bei nur 3457. Ein Drittel der Ladepunkte befindet sich in Istanbul, gefolgt von Ankara und İzmir. Im Zeitraum Januar bis Mai 2022 stieg der Absatz von Elektroautos um 185,9 Prozent auf noch immer schmale 1764 Fahrzeuge. Ihr Anteil am Gesamtabsatz erhöhte sich von 0,2 Prozent auf 0,8 Prozent – nur rund 6000 E-Autos dürften in der Türkei aktuell unterwegs sein. Hinzu kommen die ökonomischen Probleme: Zuletzt lag die nationale Inflationsrate bei rund 80 Prozent.

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