Gesetze sind da – die Technik ist es nicht
Die autonome Revolution steht auf der Warteliste

Ab März 2025 dürfen in der Schweiz Autobahnpiloten genutzt, führerlose Fahrzeuge eingesetzt und Autos autonom parkiert werden. Zumindest in der Theorie. Denn für einmal ist der Gesetzgeber schneller als die Industrie, wie unsere konkreten Beispiele zeigen.
Publiziert: 07:02 Uhr
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Am 1. März 2025 tritt eine neue Verordnung in der Schweiz in Kraft. Sie soll die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um künftig das automatisierte Fahren auf hiesigen Strassen möglich zu machen.
Foto: imago images/Andreas Haas

Auf einen Blick

  • Neue Verordnung für automatisiertes Fahren tritt am 1. März 2025 in Kraft
  • Verordnung regelt drei Anwendungsfälle: Autobahnpilot, Einsatz führerloser Fahrzeuge und automatisiertes Parkieren
  • Pilotprojekt im Zürcher Furttal mit automatisierten E-Autos für 5 Jahre geplant
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

«Startschuss fürs autonome Fahren!», «Autofahrer dürfen bald das Lenkrad loslassen» oder «Automatisiertes Fahren wird auf Schweizer Strassen erlaubt». Beim Blick auf die Schlagzeilen der letzten Wochen glaubten viele an eine gigantische technologische Revolution, die der Schweiz am kommenden 1. März bevorsteht. Ab dann nämlich tritt eine neue Verordnung zum automatisierten Fahren in Kraft, die der Bundesrat am 13. Dezember 2024 verabschiedet hat. «Automatisiert verkehrende Fahrzeuge können die Verkehrssicherheit erhöhen und den Verkehrsfluss verbessern. Zudem eröffnen sie neue Möglichkeiten für die Wirtschaft und für Verkehrsdienstleister», begründet der Bundesrat die Weichenstellung.

Die 5 Level der Automation

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 3. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 3. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Denn genau das möchte die Schweizer Landesregierung mit der Verordnung: die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, um künftig das automatisierte Fahren auf hiesigen Strassen möglich zu machen. Laien dürften sich zunächst fragen: Wieso reden Bundesrat und Technikexperten vom automatisierten und nicht vom autonomen Fahren? Das liegt daran, dass die Automation von Fahrzeugen in fünf Level aufgeteilt ist (siehe Box), wobei erst das höchste Level 5 im Wortsinn autonomes Fahren ermöglicht: Erst dann kann das Fahrzeug komplett selbständig ohne Fahrer und ganz ohne Mensch an Bord fahren. Bei allen anderen Leveln wird der Fahrer nur unterstützt und muss in gewissen Situationen noch selber eingreifen und das Steuer übernehmen. 

Konkret regelt die neue Verordnung des Bundes drei Anwendungsfälle:

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Autobahnpilot

Ab Level 3, dem bedingt automatisierten Fahren, ergeben sich für Autofahrerinnen konkrete Vorteile, weil sie in Fahrzeugen mit entsprechenden Systemen die Hände vom Lenkrad nehmen und anderen Tätigkeiten nachgehen können – beispielsweise Bücher lesen oder SMS schreiben. Mit dem jetzt vom Bundesrat freigegebenen Autobahnpiloten wäre genau das ab 1. März 2025 auf Schweizer Strassen möglich: Ist der Autobahnpilot aktiviert, muss der Fahrer Verkehr und Fahrzeug nicht mehr dauernd überwachen, wie dies bei heute üblichen Level-2-Systemen der Fall ist. Er muss aber nach kurzer Vorwarnung des Fahrzeugs jederzeit wieder die Kontrolle übernehmen können. 

Die Krux: Die Technik für automatisiertes Fahren auf Level 3 gibts bereits, ist aber auf Schweizer Strassen noch nicht zertifiziert. So bietet BMW für die 7er-Limousine in Deutschland seit März 2024 den (kostenpflichtigen) Stauassistenten Personal Pilot an, der in gewissen Stausituationen das Fahrzeug bis 60 km/h selbständig steuert. Bei Mercedes fahren die Oberklasse-Modelle EQS und S-Klasse mit optionalem Drive-Pilot-System seit Anfang 2025 auf einigen erprobten deutschen Autobahnabschnitten sogar bis 95 km/h schnell (vorher ebenfalls 60 km/h), ohne dass der Fahrer auf den Verkehr achten und das Lenkrad festhalten muss. 

Allerdings können die hochautomatisierten Systeme nicht einfach in anderen Ländern eingesetzt werden, weil das Strassenbild (z.B. Markierungen, Leitplanken, Verkehrsschilder) unterschiedlich gestaltet ist und sie jeweils auf die lokalen Begebenheiten angepasst werden müssen – was entsprechend hohe Kosten für die Hersteller nach sich zieht. In kleinen Automärkten wie der Schweiz lohnt sich die teure Adaption deshalb noch nicht: Weder das System von BMW noch das von Mercedes – die beiden weltweit ersten auf Level 3 in Serienfahrzeugen – wird in absehbarer Zeit im Schweizer Strassenverkehr eingesetzt werden können. 

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Einsatz führerloser Fahrzeuge

Was in den USA und China längst Realität ist, soll dank der neuen Verordnung in ähnlicher Form auch in der Schweiz möglich werden: der Einsatz von führerlosen Fahrzeugen auf behördlich genehmigten Strecken. In Metropolen wie LA, San Francisco oder Wuhan betreiben Tech-Giganten wie Alphabet (Google) mit der Tochter Waymo, Amazon mit Zoox oder Baidu mit Apollo Go bereits Flotten autonomer Robotaxis, die wöchentlich Hunderttausende bezahlte Kundenfahrten durchführen. «Im Vergleich dazu sind wir in der Schweiz noch ganz am Anfang einer kommerziellen Umsetzung der neuen Technologie», erklärt ZHAW-Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes. 

Zwar gab es auch bei uns schon Projekte mit autonom fahrenden Fahrzeugen, die wichtige Grundlagen für den automatisierten Personen- und Güterverkehr gelegt haben. «Doch mit dem Angebot im Zürcher Furttal wird nun eine neue Qualitätsstufe erreicht», sagt Sauter-Servaes. Dort sollen noch dieses Jahr die ersten automatisierten E-Autos im Auftrag der SBB den ÖV in den Ortschaften Otelfingen, Boppelsen, Hüttikon und Dänikon ergänzen. Gelingt der Start des europaweit einzigartigen Pilotversuchs, soll das Angebot ab 2026 mit Kleinbussen auf ein grösseres Testgebiet erweitert werden. Technologielieferant ist das chinesische Unternehmen We Ride, einer der weltweit führenden Anbieter von automatisierten Taxiservices.

«In Zukunft könnten geteilte Roboterfahrzeuge die Notwendigkeit privater Autos infrage stellen», meint Mobilitätsforscher Sauter-Servaes. «Warum soll ich mir noch ein eigenes kostenintensives Privatauto leisten, wenn Busse und Bahnen in Kombination mit geteilten automatisierten Fahrzeugen jederzeit alle meine Mobilitätsbedürfnisse bequem abdecken?» Bis es so weit ist, dürfte es aber noch lange dauern: Das Pilotprojekt im Furttal ist auf fünf Jahre angelegt. 

3

Automatisiertes Parkieren

Foto: Daimler AG

Automatische Einparkassistenten, die das Fahrzeug selbsttätig in eine Lücke manövrieren (und teils auch wieder hinaus), bieten heute die meisten Hersteller an. Bei manchen Systemen wie BMWs Manövrierassistent im i7 muss der Fahrer nicht einmal mehr im Fahrzeug sitzen, sondern kann das Parkmanöver auf einer Strecke bis 200 Meter bequem vom Smartphone von aussen überwachen. Beim vom Bundesrat festgelegten «automatisierten Parkieren ohne Anwesenheit eines Fahrzeuglenkenden innerhalb dafür definierter und signalisierter Parkhäuser und Parkplätze» haben die eben erwähnten Parkassistenten aber nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um automatisierte Parksysteme, die Autos in Parkhäusern völlig autonom ohne Fahrerin oder Fahrer am Steuer parkieren lassen. Das weltweit erste genehmigte autonome Parksystem namens «Automated Valet Parking», das der deutsche TÜV Rheinland zusammen mit Mercedes und Bosch entwickelt hat, ist seit Anfang 2023 am Stuttgarter Flughafen im Einsatz. Kunden mit einem Level-4-fähigen Modell (bisher nur Mercedes S-Klasse und EQS) stellen das Fahrzeug auf die vorgesehene «Drop-off»-Fläche und registrieren es via Smartphone-App. Fertig. Das Parkhaus-System erfasst das Auto, startet es und führt es auf den zugewiesenen Parkplatz, ohne dass die Fahrerin den Vorgang überwachen muss. Zum Wegfahren muss man einfach wieder das Smartphone zücken, das Auto via App rufen und in der «Pick-up»-Zone warten.

Gemäss Bosch und Mercedes kann die nötige Technik bald auch auf weitere Fahrzeugklassen und -hersteller skaliert werden. Denn die dazu benötigte Hauptsensorik steckt vor allem in der Umgebung, also im Parkhaus, und nicht im Fahrzeug. Doch wie beim Autobahnpilot seien für solch autonome Parksysteme beim Bundesamt für Strassen (Astra) noch keine Zulassungsbegehren eingegangen. Für einmal ist in beiden Fällen also der Gesetzgeber schneller als die Industrie – zumindest in der Schweiz.

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