Auf einen Blick
- KI hilft für autonomes Fahren, Sprachassistenten und Produktionsoptimierung
- Toyota entwickelt mit KI verbesserte Fahrerunterstützung
- Audi kontrolliert dank KI 1,5 Millionen Schweisspunkte
- BMW überwacht den Fluss der Fahrzeugproduktion mit KI
Wird künstliche Intelligenz (KI) künftig die Autobranche revolutionieren? Vielleicht nicht revolutionieren, aber mit Sicherheit in vielen Bereichen unterstützen und die Entwicklung beschleunigen, sind sich Fachleute wie Helena Wisbert (41) einig. Die Professorin für Automobilwirtschaft an der deutschen Ostfalia Hochschule meint: «Es ist die Aufgabe der Autohersteller, bestehende Probleme im Auto für den Fahrer durch KI besser zu lösen als in der Vergangenheit. Die Integration von generativer KI wie ChatGPT kann das Autofahren nicht in Jahren, sondern in Monaten drastisch verändern.» Tatsächlich nutzten immer mehr Autohersteller ChatGPT oder ähnliche Chat-Bots in ihren Fahrzeugen – etwa VW bei der elektrischen ID-Familie und dem neuen Tayron, Audi beim Q6 E-Tron oder Renault beim R5 Electric.
Die Bedienung ist denkbar einfach. Identifiziert die Spracherkennung im Auto eine Frage nicht als Funktionsanfrage fürs Navi oder zur Bedienung einer Komfortfunktion wie Radio oder Klima, schaltet sich ChatGPT automatisch zu und liefert uns die gewünschte Antwort oder Auskunft. Allerdings funktioniert das nur mit einer entsprechenden Datenverbindung.
KI hilft in der Fahrzeugproduktion
Auch wenn künstliche Intelligenz die Erwartungen beim autonomen Fahren bislang noch nicht erfüllen konnte, hat sie die Autoindustrie schon längst erobert: in der Produktion und Materialforschung, bei Sprachsteuerung und Design oder beim Vertrieb und im Service. Inzwischen dürfte sich eher die Frage stellen, welche Bereiche noch nicht von KI profitieren. So lassen sich Designer von entsprechend trainierten Algorithmen unterstützen, indem sie sich einzelne Komponenten wie Felgen oder aber ganze Fahrzeuge entwerfen lassen. Die von der KI erzeugten Vorschläge können dann von den Designern mit wenigen Klicks in Farbe, Oberflächenstruktur oder Form angepasst, bewertet und weiterentwickelt werden, was enorm Zeit spart.
Oder sie nützen die schnelle Rechnerunterstützung zur Berechnung von Materialstrukturen und deren Tragfähigkeit. So kontrolliert zum Beispiel Audi in seiner Produktion in Neckarsulm (D) mithilfe künstlicher Intelligenz rund 1,5 Millionen Schweisspunkte von 300 Fahrzeugen pro Arbeitsschicht. Auf diese Weise minimiert Audi nicht nur die Fehlerquellen, sondern optimiert gleichzeitig auch den Fertigungsprozess.
Weniger Kosten, weniger Stress
Auch Rivale BMW nutzt künstliche Intelligenz im Produktionsprozess. Etwa mit einem Analysesystem im Montagewerk in Regensburg (D). «Predictive Maintenance» steht dort für vorbeugende Instandhaltung, indem KI-gesteuerte Tools mögliche Probleme bei den Fördertechnikanlagen deutlich schneller als bisher erkennen beziehungsweise voraussehen und dadurch lenkend eingreifen, bevor ein Problem überhaupt auftritt. So bleibt die Produktion stets im Fluss, und es kommt nicht zu kostenintensiven Unterbrechungen. Und das neue, KI-basierte Überwachungssystem ist effizient. Allein in der Regensburger Fahrzeugmontage verhindert es rund 500 Störminuten pro Jahr. «Predictive Maintenance spart nicht nur Geld, indem wir unsere Fahrzeuge im geplanten Takt bauen können, es erspart uns auch enorm viel Stress», erklärt Deniz Ince, Data Scientist bei BMW.
In der Batterieforschung hilft KI, aus Millionen von theoretisch denkbaren chemischen Substanzen die perfekte Mischung für günstige Batterien mit hohem Energieinhalt zu finden. Zudem profitiert der Vertrieb von KI, indem das Kaufverhalten vorhergesagt, frühzeitig Trends aufgezeigt oder Kundinnen und Kunden auf der Basis bisheriger Einkäufe weitere Kaufvorschläge unterbreitet werden.
KI fördert das autonome Fahren
Toyota strebt mit seinem Projekt «Driving Sensei» eine bestmögliche Kombination aus KI und menschlichem Faktor an. Gill Pratt, CEO des Toyota Research Institute (TRI), erklärt: «Wir stärken die menschlichen Fähigkeiten, indem wir KI-Modelle entwickeln, die das Verhalten des Fahrers vorhersagen und seine Leistung verbessern.» Also eine Art Fahrschule mit KI-basierter Fahrerunterstützung. Pratt nennt als konkretes Beispiel das Fahren auf vereister Strasse. «Wenn ein Auto auf eine Eisfläche trifft und dabei ins Schleudern gerät, ist es für einen durchschnittlichen Fahrer schwierig, diese plötzliche Situation sicher zu bewältigen. Unsere Forschung integriert dabei die Fähigkeiten eines Fahrexperten in unsere KI und ermöglicht es ihr, ein Fahrzeug kontrolliert zu bewegen, wenn es ins Schleudern gerät.» Mittels datengesteuerter Lernverfahren analysiert das Human Interactive Driving das menschliche Verhalten und erstellt Modelle, um dem Fahrer mit entsprechender Technologie auf möglichst natürliche Weise zu helfen.
Seit knapp zehn Jahren verspricht uns die Fahrzeugindustrie das autonome Fahren. Noch merken wir Fahrerinnen und Fahrer heute davon allerdings wenig. Das hoch automatisierte Fahren bleibt bislang deutlich hinter den schon lange gemachten Versprechungen zurück. Mercedes lässt seine Topmodelle zwar auf Fahrerassistenzstufe 3 mittlerweile bis zu Tempo 95 auf der Autobahn ohne Zutun des Fahrers verkehren. Und BMW zuckelt mit maximal 60 km/h hinterher, während sich die meisten Mitbewerber unverändert in der müden Fahrerunterstützung der Stufe 2 tummeln. Dies allerdings weniger, weil die Technik, sondern verlässliche Daten fehlen, um Unfälle zu verhindern. Und genau hier soll die künstliche Intelligenz bald schnell Resultate bringen und so endlich für jene Fortschritte im Alltagsnutzen sorgen, die sich die Hersteller und viele Autofahrer fürs autonome Fahren schon lange wünschen.