Das Auto im Jahr 2040
Mercedes zeigt die Technik der Zukunft

Wartungsfreie Bremsen, stromsparende Superchips, tierfreies «Echt»-Leder: Im Stuttgarter Forschungslabor gibt Mercedes exklusive Einblicke in Materialien und Technologien der Zukunft. Blick erklärt, was uns im Auto von morgen erwartet.
Publiziert: 26.01.2025 um 11:25 Uhr
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Das Auto ist heute Teil der Gesellschaft, ein fester Bestandteil unserer komplexen Lebenswelt. Neuartige Technologien werden nicht nur in Städten wie London, sondern auch im Auto selber Einzug halten.
Foto: Mercedes-Benz AG

Auf einen Blick

  • Mercedes forscht an Zukunftstechnologien für Autos von morgen
  • Solarlack, neuromorphe Chips und wartungsfreie Bremsen in Entwicklung
  • Biotechnische Materialien erhöhen die Umweltverträglichkeit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Was im Inneren der grauen und schmucklosen Gebäude in Stuttgart-Sindelfingen entwickelt wird, könnte die Autobranche nachhaltig prägen. Mercedes gewährt uns seltene Einblicke ins werkseigene Zukunftslabor, in dem an Materialien und Technologien von morgen geforscht wird. Ein Blick in die Sterne und aufs Auto des Jahres 2040.

Der 20'000-Kilometer-Lack

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Mercedes-Entwickler Jochen Schmid forscht in Sindelfingen am Autolack der Zukunft.
Foto: Mercedes-Benz AG

Die Idee, Elektroautos mit einem Strom produzierenden Solardach auszurüsten, ist nicht neu: Toyota bietet im Prius eine Mini-Fotovoltaik-Anlage als Option an. Mercedes geht jetzt einen Schritt weiter: Statt handelsübliche (spröde und empfindliche) Silizium-Zellen zu verbauen, haben die Forschenden einen Lack entwickelt, der sich zwischen Blech und Farblackierung befindet und die Solarfläche beim Versuchsträger EQXX von 2,8 (nur Dach) auf 11 Quadratmeter vervierfacht. Welches Material bei der solaraktiven Beschichtung zum Einsatz kommt, ist streng geheim. Nur so viel: Mit 50 Gramm pro Quadratmeter sei es extrem leicht, habe mit über 20 Prozent einen ähnlichen Wirkungsgrad wie konventionelle Solarzellen, sei deutlich robuster, leicht zu reparieren und komplett frei von Giftstoffen. Pro Jahr könnte der Solarlack im süddeutschen Stuttgart Strom für 12'000 Kilometer erzeugen, im sonnenverwöhnten Los Angeles gar bis zu 20'000. Der Traum vom E-Auto, das sich selbst lädt, könnte – zumindest theoretisch – bald wahr werden. Interessant für Hausbesitzerinnen: Wäre bis zum Marktstart das bidirektionale Laden – Stichwort V2G (Vehicle-to-Grid) – als Standard verbreitet, könnte das E-Auto mit Solarlackierung mit überflüssig erzeugtem Strom das Haus versorgen.

Stromsparende Superchips

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Umso komplexer Technik wird, desto mehr Energie verschlingt sie. Mit künstlicher Intelligenz im autonomen Auto steigt der Energiehunger nochmals extrem an.
Foto: Mercedes-Benz AG

Technik ist gierig. Gierig nach Energie. Und umso komplexer die Technik wird, desto mehr Energie verschlingt sie. Mit der alles durchdringenden künstlichen Intelligenz (KI) erreicht der Energiehunger ein neues Level. Das wird spätestens zum Problem, wenn KI unsere (in Zukunft meist elektrischen) Autos komplett autonom fahren lässt. Noch arbeiten moderne Level-2-Assistenzsysteme (zum Beispiel Spur und Abstand halten) grösstenteils ohne KI – doch ab Level 4 (siehe Box) gehts nicht mehr ohne. Dann steigt allerdings der Energiebedarf von aktuell 100 Watt auf bis zu 5000 Watt – bei heutigen E-Autos würde das die Reichweite um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Deshalb forscht Mercedes an neuromorphen Chips, die sich der Funktionsweise des menschlichen Gehirns bedienen – dieses verbraucht beim Autofahren nur 20 Watt. Warum? Weil wir Dinge ausblenden, die nicht relevant sind, während heutige Chips permanent rechnen, analysieren und bewerten – auch wenn sich an der Umgebung kaum etwas verändert. Was entsteht, sind Tonnen wertloser Datenmüll. Die neuen Superchips können unnötige Berechnungen auslassen und somit wertvolle Energie sparen.

Die 5 Level der Automation

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 3. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 3. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Wartungsfreie Bremsen

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Bei der sogenannten In-Drive-Brake handelt es sich um eine Scheibenbremsanlage, die direkt im E-Motor-Gehäuse integriert ist.
Foto: Mercedes-Benz AG

E-Autos brauchen fast nie ihre Bremsen. Was sich nach Vorteil anhört – Stichwort Verschleiss –, wird auf Dauer allerdings zum Problem. Im Alltag ersetzt die Rekuperation bis zu 98 Prozent der Bremsvorgänge. Die Folge: Die Scheiben beginnen zu rosten. Deshalb haben die Mercedes-Entwickler bei einem Prototyp die Bremsen kurzerhand ins Gehäuse des E-Motors integriert. Damit das geschlossene System, das technisch ähnlich wie eine Kupplung funktioniert, beim Bremsen eine Energie von bis zu 2,2 Megawatt (so viel wie ein kleines Windrad) vernichtet, nicht überhitzt, kommen wassergekühlte Bremsscheiben zum Einsatz. Der (sonst die Umwelt belastende) Bremsstaub wird direkt im Gehäuse aufgefangen. Und Service? Brauchts nicht: Mercedes will das System auf 300'000 Kilometer und damit ein ganzes Autoleben auslegen. Weitere Vorteile der «In-Drive Brake»: Es wird sogenannte ungefederte Masse am Rad eingespart, was zu mehr Komfort führt. Ausserdem können statt offene Felgen (zur besseren Durchlüftung) geschlossene eingesetzt werden, was die Aerodynamik verbessert und damit die Reichweite erhöht.

Die ewig haltbare Batterie

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In heutige Batterien sind alle Zellen in Reihe geschaltet. Dies hat den Nachteil, dass jeweils das schwächste Glied über die Gesamtleistung des Systems entscheidet.
Foto: Mercedes-Benz AG

Akkus heutiger Bauart haben eine essenzielle Schwachstelle: Da alle Zellen (mit jeweils rund 4 Volt) in Reihe geschaltet werden – ähnlich einer Christbaumlichterkette –, entscheidet jeweils das schwächste Glied über die Gesamtleistung des Systems. Heutige Systeme erreichen meist eine Bordnetzspannung von 400 oder gar 800 Volt. Bei der Leistungsaufnahme oder -abgabe drosselt deshalb die langsamste Zelle das Tempo aller anderen. Statt eines heute üblichen elektrischen Wechselrichtersystems forscht Mercedes deshalb an programmierbaren digitalen Mikrowandlern, die in jeder einzelnen Zelle integriert werden. Dadurch können die Zellen untereinander kommunizieren, womit das schwächste Glied nicht mehr die Leistung des gesamten Systems beschränkt. Ein weiterer Vorteil: Statt ganze Akkusegmente kann einfach eine geschwächte Zelle ausgetauscht und die Batterie somit theoretisch ewig eingesetzt werden. Des Weiteren könnten verschiedene Zelltypen kombiniert werden: solche mit hoher Leistung und andere mit hoher Energiedichte. Während der Fahrt wählt das System die nur gerade notwendigen Zellen aus: Die Forschenden sprechen von der «Zylinderabschaltung 2.0».

Echtes Leder – ohne Tier

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Biotechnologisch erzeugte Materialien ahmen Strukturen aus der Natur nach, ersetzen aber erdölbasierte Werkstoffe sowie Materialien tierischen Ursprungs.
Foto: Mercedes-Benz AG

Es fühlt sich an wie Leder, riecht wie Leder – nennt sich aber «biotechnologische Lederalternative». In der Biotechnik werden Strukturen aus der Natur nachgeahmt: Im Fall des künstlichen Leders wird aus Altreifen und Methan aus Landwirtschaftsabfällen eine Art Bio-Öl gewonnen, aus dem zuerst Kunststofffasern und danach unter Zugabe von Proteinen und Polymeren die eigentliche Lederalternative hergestellt wird. Sie ist nicht nur wie Echtleder aufgebaut, sondern wird auch wie dieses nachgegerbt, was für den typischen Geruch sorgt. Das Material soll laut den Mercedes-Forschenden aber «besser als Leder» sein, also langlebiger, robuster und – bei einem allfälligen Serienstart – sogar gleich teuer. Doch auch an biotechnisch erzeugter Seide wird in Sindelfingen geforscht: Statt das feine Garn aus den Kokons der Seidenraupe zu gewinnen, produzieren gentechnisch veränderte Bakterien die nötigen Seidenproteine, die anschliessend zu einem Garn veredelt werden können. Dieses bietet die gleichen Eigenschaften wie herkömmliche Seide und ist vollständig biologisch abbaubar. Die synthetische Seide kommt bereits in den beiden Konzeptautos EQXX und CLA zum Einsatz.

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