Auf einen Blick
Süddeutscher Jubel auf süditalienischem Asphalt: Mercedes hat auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Nardò einen neuen Reichweitenrekord für Elektroautos aufgestellt. Exakt 3717 Kilometer haben die drei sich abwechselnden Fahrer-Duos in 24 Stunden zurückgelegt – eine Strecke von Trondheim in Nordnorwegen bis nach Istanbul am Bosporus. 2019 hatte Porsche in Apulien vorgelegt und in 24 Stunden eine Distanz von 3425 Kilometer in einem Vorserienmodell des Taycan abgespult.
Der nun von Mercedes verwendete Prototyp des Mitte 2025 startenden Mittelklasse-Modells CLA legte also nochmals rund 300 Kilometer drauf. Das Grande Finale des streng geheimen «Projekt N» (N wie Nardò) fand bereits Anfang April 2024 statt. Doch erst jetzt kommunizierte Mercedes den historischen Dauerlauf – nicht die erste Bestmarke, die der deutsche Autobauer in Süditalien einfahren konnte.
Seit der Gründung 1975 durch Fiat dient das Testzentrum Nardò (bei Lecce) als Schauplatz für Streckenrekorde und Langzeittests. Auch Mercedes stellte dort in der Vergangenheit schon etliche neue Bestmarken auf. So knackte 1979 der eigens für den Geschwindigkeitsrekord gebaute Prototyp C111 - IV (Bild) als erstes Auto die 400-km/h-Marke (403,978 km/h) und rauschte in 1:57 min um die 12,6 Kilometer lange Kreisbahn. Vier Jahre später legte der 190 E 2.3 16V (mit neuem Vierventilmotor) in unter 202 Stunden 50'000 Kilometer zurück, holte sich zwei weitere Weltrekorde über 25'000 Kilometer und 25'000 Meilen und stellte ausserdem neun internationale Klassenbestwerte auf. 2008 holte sich ein 40-Tonnen-Actros-LKW den Eintrag ins Guinessbuch, als er 12'729 Kilometer mit nur 19,44 l/100 km Diesel zurücklegte. Seit 2012 wird das Testzentrum in Nardò von Porsche-Tochter Porsche Engineering betrieben.
Seit der Gründung 1975 durch Fiat dient das Testzentrum Nardò (bei Lecce) als Schauplatz für Streckenrekorde und Langzeittests. Auch Mercedes stellte dort in der Vergangenheit schon etliche neue Bestmarken auf. So knackte 1979 der eigens für den Geschwindigkeitsrekord gebaute Prototyp C111 - IV (Bild) als erstes Auto die 400-km/h-Marke (403,978 km/h) und rauschte in 1:57 min um die 12,6 Kilometer lange Kreisbahn. Vier Jahre später legte der 190 E 2.3 16V (mit neuem Vierventilmotor) in unter 202 Stunden 50'000 Kilometer zurück, holte sich zwei weitere Weltrekorde über 25'000 Kilometer und 25'000 Meilen und stellte ausserdem neun internationale Klassenbestwerte auf. 2008 holte sich ein 40-Tonnen-Actros-LKW den Eintrag ins Guinessbuch, als er 12'729 Kilometer mit nur 19,44 l/100 km Diesel zurücklegte. Seit 2012 wird das Testzentrum in Nardò von Porsche-Tochter Porsche Engineering betrieben.
Der CLA wurde nicht zufällig für die Rekordfahrt gewählt: Als erstes von mehreren neuen E-Auto-Einstiegsmodellen baut der bisher nur als Konzept vorgestellte CLA auf der neuen Mercedes-Benz Modular Architecture (MMA) auf. Kernstück ist das sogenannte Skateboard-Chassis, auf dem nach der Limousine CLA noch ein Shooting Brake und zwei SUVs im neu definierten Einstiegssegment folgen sollen.
Schneller laden, weiter fahren
Die MMA-Plattform ist voll auf Effizienz ausgelegt: Die Kraft des selbst entwickelten 272 PS (200 kW) E-Motors wird über ein Zwei-Gang-Getriebe an die Hinterachse übertragen: Während der erste Gang für flotten Antritt sorgt, ist der CLA im zweiten Gang (ab max. 110 km/h) deutlich energiesparender unterwegs, was letztlich der Reichweite zugutekommt. Modelle mit Allradantrieb verfügen über ein zusätzliches E-Aggregat mit 109 PS (80 kW) an der Vorderachse, das nur bei Bedarf blitzschnell zugeschaltet wird, was wiederum Reibverluste deutlich reduziert.
All dies gipfelt in einem äusserst tiefen Normverbrauch von gerade mal 12,0 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Die verbaute 85 kWh grosse Batterie soll so Reichweiten von bis zu 750 Kilometer laut WLTP in Aussicht stellen – Mercedes spricht deshalb vom «Ein-Liter-Auto des Elektrozeitalters» mit einem Wirkungsgrad von 93 Prozent. Ausserdem setzt Mercedes im CLA erstmals auf eine 800-Volt-Elektroarchitektur – nur der futuristische Technologieträger Vision EQXX, der ebenfalls einige Reichweitenrekorde einfuhr, verfügte bislang über die Technik. Das 800-V-Bordnetz bringt verschiedene Vorteile, vor allem bei den Ladegeschwindigkeiten: Am DC-Schnelllader kann mit bestenfalls 320 kW gezapft werden – dies entspricht 300 Kilometer Reichweite in zehn Minuten. Mercedes spricht von einer «neuen Dimension bei der Ladezeit».
Vom Labor auf die Strasse
Ein Grossteil der Technik stammt aus dem 2022 neu eröffneten Electric Software Hub (ESH) in Sindelfingen (D). In Mercedes' Innovationsschmiede werden E-Autos im sogenannten Top-down-Verfahren zur Serienreife entwickelt. Von oben nach unten – vom ersten Software-Code im obersten Stock zum fertigen Stromer in den darunter liegenden Etagen – fliessen Soft- und Hardware immer weiter ins Auto ein, bis sie schliesslich in komplette Fahrzeug-Prototypen integriert werden.
Beim Blick hinter die Kulissen des ESH wird deutlich, dass wohl nur ein Meteoriteneinschlag in der Mitte der 12,6 Kilometer langen Teststrecke in Nardò die Rekordfahrt im April hätte verhindern können. Auf den Hightech-Prüfständen im Erdgeschoss können die Entwicklerinnen jede erdenkliche Umgebung simulieren: egal ob kurvige Landstrasse oder pfeilgerade Autobahn, Schnee, Schotter oder Asphalt, von –30 bis +50 Grad Celsius. Die Aerodynamik des noch getarnten CLA wurde zudem im Windkanal auf einen möglichst seriennahen Wert getrimmt. So konnte der Rekordversuch in Süditalien schon vorgängig im Labor in Sindelfingen geprobt werden – die eigentliche «Live»-Fahrt in Nardò war quasi nur noch eine Verifizierung der Simulation.
40 Mal nachladen
Was die Leistung der Ingenieure und Testfahrer aber keinesfalls schmälert. Denn ein Kindergeburtstag war die Rekordfahrt keinesfalls: Mit möglichst konstanten 210 km/h Höchstgeschwindigkeit drehte der CLA seine 12,7 Kilometer langen Kreise – immer überwacht vom «Mission Control Center» in Sindelfingen. Wie in den Simulationen errechnet, mussten die Testfahrer jeweils nach rund 20 Minuten wieder zum Boxenstopp, um die Akkus unter Realbedingungen – nämlich einer öffentlichen Schnellladesäule an der Strecke – wieder zu füllen. In den knapp zehnminütigen Ladepausen wurde die Batterie jeweils von knapp 5 auf 50 Prozent gefüllt – in diesem Fenster laden E-Autos am schnellsten. Ganze 40 Mal musste der CLA zum Nachladen die Strecke verlassen und kam am Ende der Rekordfahrt dennoch auf eine beachtliche Durchschnittsgeschwindigkeit von 154,9 km/h. All das bedeutete enormen Stress für Team und Technik. Doch am Ende konnte das Mercedes-Team jubeln – und einen weiteren Rekord in Nardò einfahren.