Im US-Bundesstaat Florida befindet sich eine der längsten Landebahnen für Flugzeuge. Sie ist 4572 Meter lang und diente der US-Raumfahrtbehörde Nasa bis 2011 als Landepiste für das Space Shuttle. Seither wird das Gelände vermietet. Unter den Mietern sind auch bekannte Namen aus der US-Autoszene – vor allem, wenn es um Geschwindigkeitsrekorde geht.
Der im positivsten Sinne autoverrückte Johnny Bohmer hat sich die Rechte gesichert und vermietet seine «Proving Grounds» nicht nur an Rekordjäger, sondern ist selber einer. Was die einstige Space-Shuttle-Piste hergibt, hat der Rennfahrer am 9. Dezember 2022 mit einem Ford GT aus dem Jahr 2006 bewiesen.
Über 500 km/h schnell
Mit dem schon etwas betagten Sportwagen, dessen Nachfolger selbst schon wieder sechs Jahre auf dem Buckel hat, stellte der Rennfahrer einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf! Mit 310,8 Meilen pro Stunde hat er nicht nur die magische Marke von 300 Meilen pro Stunde pulverisiert, sondern auch als erster überhaupt die 500 km/h überschritten: Umgerechnet war Bohmer 500,2 km/h schnell!
Das ist allerdings nur ein inoffizieller Geschwindigkeitsrekord. Ein anerkanntes Komitee oder Gremium wie beispielsweise jenes der Guinness-Weltrekorde hat Bohmers Rekord bisher nicht bestätigt. Eine Grundvoraussetzung ist beispielsweise, die Strecke nacheinander in beide Richtungen zurückzulegen. Der Durchschnitt von beiden Topspeeds hätte dann als offizieller Weltrekord gegolten. Damit sollen Vor- beziehungsweise Nachteile durch Rücken- und Gegenwind ausgeglichen werden.
Wie aus dem auf Youtube veröffentlichen Video hervorgeht, ist der BADD GT genannten Ford die Space-Shuttle-Landebahn aber nur in eine Richtung gefahren. Und um die Serienversion des V8-Mittelmotorsportwagen handelt es sich bei Johnny Bohmers Bolide auch nicht mehr – zu den Modifikationen oder der Leistung äussert er sich nicht. Für einen offiziellen Rekord muss es sich aber um ein Serienauto handeln.
Der Fake-Rekord
Wobei das mit der offiziellen Anerkennung so eine Sache ist: 2020 hatte der Kleinserienhersteller SSC North America mit dem Tuatara schon einmal die Marke von 500 km/h geknackt. Seine 508 km/h im Schnitt und 532,93 km/h Spitze in eine Richtung waren sogar von Rekordhütern anerkannt worden. Doch einige Experten hatten nachgemessen und -gerechnet und kamen zum Schluss: Da stimmt etwas nicht. SSC räumte ein, dass die Messtechnik nicht funktioniert hatte und korrigierte den Topspeed nach unten.
Bei weiteren Versuchen, unter anderem ebenfalls auf Johnny Bohmers Proving Grounds, erreichte der SSC Tuatara nicht einmal mehr 300 Meilen pro Stunde (482,8 km/h). Diese Marke knackten neben Bohmer bisher nur die texanischen Tuner von M2K Motorsports im März 2019 in einem ebenfalls 2006er Ford GT (300,4 mph = 483,3 km/h) sowie im folgenden Herbst 2019 Bugatti mit einer Vorserienversion des Chiron Super Sport 300+ (304,773 mph = 490,484 km/h). Wobei auch dies zwei inoffizielle Rekorde sind.
Der offiziell Schnellste
Der letzte bestätigte Geschwindigkeitsrekord für ein Strassenauto stammt noch aus dem Jahr 2017. In jenem November erreichte der Koenigsegg Agera RS auf einer öffentlichen, aber für den Rekord gesperrten Strasse in Nevada (USA) 447,2 km/h (277,9 mph). Auch hier wurde im Guinness-Buch der Weltrekorde der Durchschnittswert von zwei Versuchen eingetragen. Die absolute Spitze des schwedischen Hypercars war 457,9 km/h.
Wo liegt das Limit?
Auch wenn die Rekordjäger um Koenigsegg, Johnny Bohmer, SSC, Bugatti oder auch Hennessy überzeugt sind, dass ihre Boliden die 300 Meilen pro Stunde locker schaffen, bleibt die Marke weiterhin schwer erreichbar. Denn das Hauptproblem sind nicht die Autos und ihre Power, sondern die Rahmenbedingungen. Selbst auf der fast 4,6 Kilometer langen Space-Shuttle-Piste geht den Boliden der Platz aus. Denn auf dieser Strecke müssen sie nicht nur erst auf über 480 km/h beschleunigen, sondern auch wieder bremsen! Und bei dem Tempo sind die 4,6 Kilometer in 34 Sekunden zurückgelegt.
Auf öffentlichen Strassen kommen noch unkontrollierbare Aspekte wie Wind, Bodenwellen und Tiere dazu. Und dann gelten auch die Reifen als limitierender Faktor. Denn diese werden bei so hohen Tempi schneller heiss. Welche Folgen diese Belastung für den Pneu hat, weiss bisher niemand. Davon lassen sich die Rekordjäger aber nicht abschrecken.