Plötzlich ging alles ganz schnell: Am Vortag hatten sich erst Spekulationen über Gespräche zwischen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und Peugeot SA (PSA) bestätigt, schon wurde am Donnerstag Vollzug gemeldet. Der italo-amerikanische (u.a. Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Fiat, Jeep, Maserati) und der französisch-deutsche Autobauer (Citroën, DS, Opel, Peugeot) gehen zusammen! Damit entsteht der hinter Toyota, VW und Renault-Nissan viertgrösste Autoproduzent der Welt mit rund 8,7 Mio. produzierten Fahrzeugen pro Jahr und 187 Mrd. Franken Jahresumsatz.
Damit haben jahrelange Spekulationen über eine mögliche Elefantenhochzeit von FCA mit einem Mitbewerber ein Ende. Schon der 2018 verstorbene Ex-FCA-CEO Sergio Marchionne hatte General Motors und VW schöne Augen gemacht, sich aber immer einen Korb geholt. Zuletzt wollte sein Nachfolger Michael Manley im Juni FCA mit Renault verheiraten, scheiterte aber ebenso.
Gleichwertiger Zusammenschluss?
Der Zusammenschluss der Schwergewichte soll per Aktienteilung im Verhältnis 50:50 gleichwertig vollzogen werden. PSA-Chef Carlos Tavares wird den Konzern führen, FCA-Verwaltungsratspräsident John Elkann soll den gleichen Job im neuen Konzern übernehmen. Aber profitieren wirklich beide Konzerne gleichermassen vom Zusammenschluss?
FCA wirkt seit längerem erschöpft. Jahrelange Belastungen durch den Zusammenschluss mit Chrysler, zähe Verkäufe und vor allem fehlende Investitionen in neue Technologien haben den Konzern zurückfallen lassen. Hinzu kommen Überkapazitäten, deren Abbau schon Marchionne nur schwerlich gegen die italienischen Gewerkschaften realisieren konnte. Wegen des Jöh-Effekts verkauft sich der Fiat 500 noch immer gut. Im kommenden Jahr wird die neue Generation erwartet. Aber sonst wirkt die Kernmarke ausgebrannt; die Modellpalette bräuchte dringend Erneuerung. Das einstige Erfolgsmodell Punto wurde gestrichen, der langweilige, aber objektiv rundum gelungene Tipo wird nur stiefmütterlich vermarktet.
Jeep topp, Maserati na ja
Bei den teureren Modellen glänzt bei FCA Jeep mit rasant wachsenden Verkäufen vor allem in den USA – 90 Prozent des Konzerngewinns fährt Nordamerika ein. Und immerhin gelang der Neustart von Alfa Romeo mit Stelvio und Giulia. Aber die hochfliegenden Pläne für Maserati – 50'000 Autos pro Jahr – fielen nach einem Strohfeuer nach Erscheinen des SUV Levante wieder zusammen. Im letzten Jahr wurden etwas mehr als halb so viele Maserati ausgeliefert wie angepeilt.
Und für die Zukunft sieht es kaum besser aus: Die Elektrifizierung wurde nahezu verschlafen; erst Anfang 2020 sollen erste Plug-in-Hybride bei Jeep erscheinen. Und beim autonomen Fahren ist FCA auf die Innovationen der Alphabet-Tochter Waymo angewiesen, die immerhin fleissig Vans als Grundlage für autonome Prototypen ordert.
Synergien bei Kleinwagen
FCA profitiert daher massiv vom Zusammenschluss mit PSA: Beide Konzerne sind stark bei Kleinwagen und können mit gemeinsamen Plattformen und Antrieben deutliche Einsparungen erzielen – pro Jahr sollen es rund 4,1 Mrd. Franken sein. Das gleiche gilt für das wichtige Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen. Und PSA hat mit dem Peugeot e-208 oder dem DS 3 Crossback E-Tense längst den Einstieg in die Elektromobilität geschafft. FCA könnte einfach auf bestehende Technik aufsatteln.
Zwiespältig schauts im sogenannten Premium-Segment aus: Hier hat PSA wenig im Angebot, könnte sich also mit FCA-Hilfe neu aufstellen. Gleichzeitig ist Carlos Tavares aber kein Freund teurer Edeltechnik oder von Extravaganzen wie Hinterrad- oder mechanischem Allradantrieb. Alfa, Jeep und Maserati werden künftig hart um ihre Positionen kämpfen müssen.
Mehr Märkte, weniger Kapazitäten
Weiter gewinnt PSA Zugang zum amerikanischen Markt. Schon im März hatte Tavares angekündigt, man werde mit Peugeot auf den US-Markt zurückkehren, der im Laufe der 1980er schrittweise aufgegeben worden war. Das wird nun leichter. Gemeinsam lassen sich ausserdem die nötigen Investitionen in CO2-Reduktion, Elektrifizierung, Vernetzung, autonomes Fahren oder Mobilitätsservices leichter stemmen. Sicher profitiert FCA mehr, aber der Zusammenschluss dürfte sich für beide Konzerne als Liebesheirat entpuppen. Wenn es gelingt, die unterschiedlichen Unternehmenskulturen zu synchronisieren.
Klar ist aber auch: Es wird zu einer Konsolidierung bei den Produktionskapazitäten kommen. Werkschliessungen seien nicht vorgesehen, heisst es aus Konzernkreisen. Der europäische Automarkt aber ist gesättigt. Wettbewerbsvorteile lassen sich nur über Kosteneinsparungen – sprich: auch Entlassungen – realisieren. Und der Druck steigt noch durch den ab 2020 geltenden CO2-Grenzwert von 95 g/km. Mehr-Emissionen der Neuwagenflotte müssen dann mit Strafzahlungen ausgeglichen werden, was sicher zu einem Anstieg der Autopreise führen wird.
Wen wird ein Stellenabbau treffen?
In den französischen PSA-Werken hat der eisenharte Sanierer Tavares bereits kräftig aufgeräumt, bei Opel ist der Prozess ebenfalls weit fortgeschritten. Aber auch dort könnte es zu weiteren Sparrunden kommen, wenn sich die italienischen Gewerkschaften abermals als zähe Gegner erweisen und ihre Arbeitsplätze mit Zähnen und Klauen verteidigen – wider alle betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.
Und auch in der Schweiz wird es spannend: Ab dem 1. November übernimmt die Emil Frey AG, notabene grösster Autohändler in Europa, das Schweizer PSA-Geschäft. Ob hinter den Kulissen nun auch über die FCA-Marken diskutiert wird?