Erste Fahrt im Ferrari Roma
So entspannt können 620 PS sein

Der neue Ferrari Roma ist viel mehr als nur die Coupé-Variante des Portofino. Er sieht eigenständig aus – und fährt sich auch anders als das Klappdach-Cabrio, wie unser exklusiver Fahrbericht zeigt.
Publiziert: 14.06.2021 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2021 um 16:48 Uhr
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«Dolce Vita auf vier Rädern oder Formel 1 im Abendanzug» – so charakterisiert Ferrari den neuen Roma.
Foto: ©Lennen Descamps
Raoul Schwinnen

Bei Ferrari denken viele an Formel 1 oder flache, auffällig röhrende Strassenboliden. Doch die Italiener können auch anders – klassisch, quasi. Beweis dafür ist der neue Ferrari Roma. «Dolce Vita auf vier Rädern oder Formel 1 im Abendanzug», sagt Ferrari-Marketingmanager Riccardo Pezzetta.

Tatsächlich: Als ich in Gstaad BE zum ersten Mal vor dem 4,66 Meter langen und nur 1,30 Meter hohen 2+2-Sitzer-Coupé stehe, wirkt das portofinorot lackierte Fahrzeug bemerkenswert zurückhaltend. Zwar steht hinten Ferrari drauf, und vorne auf der Haube findet man auch das kleine gelbe Wappen mit dem sich aufbäumenden Hengst. Das wars aber. Wer auch an den Flanken Ferrari-Embleme wünscht, muss diese extra bestellen. «Eine Reminiszenz an unsere früheren Coupés, deren Silhouette ebenfalls ohne Embleme war», klärt mich Pezzetta auf.

Über die klassische Coupé-GT-Form des Front-/Mittelmotorsportwagens muss man nicht viele Worte zu verlieren. Sie ist schlicht klassisch schön und atemberaubend – vielleicht mit Ausnahme der etwas gar speziell ausgefallenen Haifisch-Schnauze und der durch einen Knick geteilten Hecklichter statt der legendären Rundleuchten. Doch das ist wohl Geschmackssache.

Gestartet wird neu via Lenkrad

Modern und – mit zwei grossen Roma-Schriftzügen – weniger bescheiden präsentiert sich das Cockpit. Längst haben auch bei Ferrari grosse Displays mit Digitalanzeigen Einzug gehalten. Selbst eine auf «Ciao Ferrari» reagierende Sprachbedienung fehlt nicht. Weiterhin werden alle wichtigen Funktionen übers Lenkrad bedient. Neu ist der Startknopf als Wischfläche in die Lenkradspeiche integriert. Allerdings war mir der bislang separate Startknopf lieber. Und auch an die im Lenkrad integrierten (und daher mitdrehenden) Blinkerschalter muss man sich als Nicht-jeden-Tag-Ferrari-Fahrer erst mal gewöhnen.

Ferrari Roma

Antrieb 3,9-Liter-V8-Turbo-Benziner, 620 PS (456 kW), 760 Nm ab 3000/min, 8-Stufen-DSG, Hinterradantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 3,4 s, Spitze 320 km/h
Masse Länge/Breite/Höhe 4,66/1,97/1,30 m, Gewicht 1570 kg, Kofferraum 272–345 l
Werksverbrauch 10,3 l/100 km (NEFZ), 234 g/km CO2, Energieeffizienz G
Preis ab 231'000 Franken

Antrieb 3,9-Liter-V8-Turbo-Benziner, 620 PS (456 kW), 760 Nm ab 3000/min, 8-Stufen-DSG, Hinterradantrieb
Fahrleistungen 0–100 km/h in 3,4 s, Spitze 320 km/h
Masse Länge/Breite/Höhe 4,66/1,97/1,30 m, Gewicht 1570 kg, Kofferraum 272–345 l
Werksverbrauch 10,3 l/100 km (NEFZ), 234 g/km CO2, Energieeffizienz G
Preis ab 231'000 Franken

Erstaunlich bequem sind die fast zierlich anmutenden Vordersitze. Und sie bieten prima Seitenhalt. Eher nur angedeutet scheinen dagegen die hinteren zwei Sitze. Sie eignen sich höchstens zum Transport von Gucci-Taschen. Dafür lassen sie sich praktischerweise per Knopfdruck umklappen, um den eigentlich nur 270 Liter grossen Kofferraum zu weiten – um etwa Golfbags oder ein Snowboard zu transportieren.

Im sechsten Gang durch Dörfer ...

Endlich gehts los, und ich starte per Wischbewegung den Motor. Sofort springt der mit neuen Nockenprofilen versehene 3,9-Liter-V8-Turbo mit 620 PS und 760 Nm knurrend an, um gleich in ein dezent-zurückhaltendes Brummeln zu verfallen. Kennt man schon vom Cabrio Portofino. Ich schalte übers Manettino – so heisst bei Ferrari der Fahrprogrammschalter – am Lenkrad auf Comfort, wähle beim Achtgang-DSG den Automatikmodus, zupfe an der rechten Schaltwippe, um aus der Parkposition zu kommen.

Gemütlich gehts erst via Saanen und Zweisimmen Richtung Jaunpass. Erstaunlich, wie schnell der Roma jeweils hochschaltet, um im sechsten oder siebten Gang akustisch sehr zurückhaltend und ohne jegliches Ruckeln mit 50 km/h durch die Dörfer zu rollen. Das war bei Ferrari nicht immer so. Erstaunt stelle ich fest: Mit dem Roma lässt sich äusserst dezent und entspannt cruisen – was bislang vor allem eine Stärke der britischen Autobauer von Aston Martin oder Jaguar war.

Ein «Genfer» wird Ferrari-Chef

Letzten Dezember trat Ferrari-Chef Louis Camilleri (66) überraschend aus persönlichen Gründen von seinem CEO-Amt zurück. Ferrari-Verwaltungsratschef John Elkann (45) aus der Agnelli-Eigentümerfamilie sprang in die Bresche und übernahm interimistisch. Inzwischen hat Elkann, wie er diese Woche verkündete, mit dem Italiener Benedetto Vigna (52) einen neuen Ferrari-CEO gefunden. Erstaunlich: Vigna kommt nicht aus der Autobranche, sondern wechselt am 1. September 2021 vom französisch-italienischen Chiphersteller STMicroeletronics mit Hauptsitz in Genf an die Spitze von Ferrari.

Letzten Dezember trat Ferrari-Chef Louis Camilleri (66) überraschend aus persönlichen Gründen von seinem CEO-Amt zurück. Ferrari-Verwaltungsratschef John Elkann (45) aus der Agnelli-Eigentümerfamilie sprang in die Bresche und übernahm interimistisch. Inzwischen hat Elkann, wie er diese Woche verkündete, mit dem Italiener Benedetto Vigna (52) einen neuen Ferrari-CEO gefunden. Erstaunlich: Vigna kommt nicht aus der Autobranche, sondern wechselt am 1. September 2021 vom französisch-italienischen Chiphersteller STMicroeletronics mit Hauptsitz in Genf an die Spitze von Ferrari.

Dass der Ferrari Roma aber auch anders kann, beweist er dann die Passstrasse hoch. Mittlerweile schalte ich manuell über die Lenkradwippen und habe den Manettino auf Sport gestellt. Die adaptiven Dämpfer sind nun härter, das Tempo forscher. Schon schwänzelt ein erstes Mal das Heck, die gelbe Traktionslampe leuchtet kurz auf. Doch die Elektronik wacht, lässt dezente Heckschlenker zu, aber nicht mehr. Ferraris Dynamic Enhancer FDE kontrolliert zusammen mit dem elektronischen Stabilitätsprogramm den Gierwinkel um die Hochachse – per unmerklichem Bremseingriff an einem oder mehreren Rädern. Das funktioniert gar in der Race-Stufe.

... und in 3,4 Sekunden auf Tempo 100

Mit kaum mehr als Halbgas fliege ich die Passstrasse hoch, wippe bei 5700 Umdrehungen den nächsten Gang rein. Die nächste Kurve folgt – anbremsen, runterschalten, einlenken und wieder aufs Gas. In nur 3,4 Sekunden soll der bis 320 km/h schnelle Roma auf Tempo 100 beschleunigen. Ich glaube es gerne. Genauso wie die Tatsache, dass 70 Prozent aller Bauteile für den Roma im Vergleich zum Ferrari Portofino neu entwickelt wurden. Denn der 231'000 Franken teure Roma fährt sich ganz anders: sportlicher, präziser und aufregender. Was ihn aber mit dem 236'950 Franken teuren Portofino verbindet, ist der Fakt, dass man sich ganz entspannt und unauffällig von A nach B bewegen kann. Wenn man denn will. Sonst kann er auch anders.


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