Ihr kann keiner das Wasser reichen: Selbst im siebten Jahr verkaufte sich die alte S-Klasse von Mercedes 2019 global besser als der zwei Jahre jüngere BMW 7er und gar doppelt so gut wie der vier Jahre jüngere Audi A8. In dieser Klasse strahlt der Stern am hellsten: Seit Jahrzehnten ist der S das Mass aller Luxusliner.
Entsprechend spektakulär fiel das Enthüllungs-Tamtam aus. Bisher. Aber in Corona-Zeiten lupft Daimler-Boss Ola Källenius (51) die Hülle nicht in New York, Dubai oder Berlin. Sondern quasi «beim Daimler» daheim in Sindelfingen (D) im relativ kleinen Kreis (mit dabei der BLICK) zur Eröffnung der digitalen «Factory 56», wo der S jetzt gebaut wird.
Darfs etwas mehr sein?
Optisch gibts beim Schritt vom W 222 zum W 223 (interne Bezeichnung der Baureihe) den S-typischen Wechsel: Auf dezent elegant (wie bisher) folgt immer selbstbewusst entschlossen (neu) und umgekehrt. Cool und ganz nach Status und Flaggschiff sieht der S aus, der leicht auf 5,18, in der Langversion gar 5,29 Meter (und bei den folgenden Maybach-XL-Versionen noch weiter) wächst. Auch deshalb gibts eine Hinterachs-Lenkung für mehr Wendigkeit. Der Stern steht traditionsbewusst oben im Wind über dem XXL-Grill. Am Heck sagt S wie schon der E Adieu zu senkrechten Rückleuchten.
2,6 Millionen Scheinwerfer
Apropos Licht: Schon immer war die S-Klasse der Innovator schlechthin. Sie brachte die Sicherheitszelle mit Knautschzone (1959), elektronisches ABS (1978), ersten erfolgreichen Airbag (1981) und ESP (1995) zur Autowelt. Jetzt stellt schon ihre Beleuchtung alles in den Schatten. Statt «nur» Matrix-LED-Licht gibts jetzt Scheinwerfer mit – kein Tippfehler – je 1,3 Millionen Lichtpunkten! Das Pixel-Licht projiziert sogar Stoppschilder auf die Fahrbahn. Passend dazu zeigt das Head-up-Display nicht nur Navipfeile an: Es legt sie vor uns auf die Strasse.
Monitore ohne Wand
Das Ambientelicht hat 250 LED, aber was wichtiger ist im Cockpit: Die Wand aus Screens ist weg! Die bis zu fünf Monitore samt 3D-Instrumenten und 12,8-Zoll-Mitteldisplay beherbergen die zweite Generation des «MBUX»-Infotainments. Bedient über Pad, Tasten, Touch, Gesten, Sprache – oder Körpersprache: Dreht man sich zur Heckscheibe, öffnet die das Sonnenrollo.
Im Wellness-Tempel
Jedes Detail wirkt wie von einem schwäbischen Handwerksmeister aus dem Vollen gefräst. Ab nach hinten: Beine strecken, E-Liegesitze einstellen, ins Polster sinken – und am beheizten Kopfkissen anlehnen. Vor uns der erste Fond-Frontairbag. Aber hallo, ist das ein Wellness-Tempel geworden. Damit sich das auch unterwegs erfüllt, soll das Fahrwerk noch schwebender sein: Die Luftfederung mitsamt Fahrbahn-«lesender» Kamera solls ermöglichen.
Autonom, Level 3 bis 4
Ab etwa Mitte 2021 darf auch der Fahrer entspannen und legal im Internet surfen: «Drive Pilot» heisst, was anfangs auf einzelnen deutschen Autobahn-Abschnitten mit autonomem Fahren des Level 3 gehen soll. Erst nur in der Rushhour bis Tempo 60, mehr erlauben die Gesetze noch nicht. Auf Level 4 könnte der S gar ohne Fahrer im Parkhaus seine Lücke suchen, darf er aber auch noch nicht.
Hybrid wird Standard
Fast schon verblüffend traditionell sind dagegen die Antriebe: Voll elektrisch wird der S nicht – das erledigt 2021 der EQS. Aber: 2021 folgt ein Plug-in-Hybrid mit 100 Kilometer E-Reichweite, zuvor der V8 und dann noch V12 und die AMG-Varianten. Zum Start im Dezember gibts Reihensechser. Verbräuche: 6,7 bis 9,5 l/100 km. Die Dreiliter-Benziner 48-Volt-mildhybridisiert: 389 PS (286 kW, S 450 4Matic) und 457 PS (336 kW, S 500 4 Matic). Die 2,9-Liter-Diesel: 286 PS (210 kW, S 350 d/S 350 d 4Matic) und 330 PS (243 kW, S 400 d 4Matic).
Preise sind noch offen
Am Ende sind wir fast erschlagen von so viel Hightech. Wow! Kein Thema: Die S-Klasse bleibt das Mass der Luxusdinge. Die Preise zum Start im Dezember sind noch offen (bisher ab 110'300 Fr.), die Optionsliste wird sicher wieder Telefonbuch-Format haben. Nur ist das in dieser Liga ja kaum von Belang.