Die Autobranche ist ein gewichtiger Player im Arbeitsmarkt. In der Schweiz hängen rund 226'000 Jobs (4,4 % der Arbeitsplätze) direkt vom Auto ab – ohne Produktion im Land. In 13 europäischen Staaten sind es sogar deutlich mehr als fünf Prozent aller Arbeitsplätze. Doch der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) fürchtet massive Jobverluste durch die Elektromobilität.
Das Thema ist nicht neu: Seit sich zum Beispiel VW voll der E-Mobilität verschrieben hat, prognostizieren Experten den Verlust von Arbeitsplätzen als Folge der Transformation. Der VDA beruft sich neu auf eine Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Auftrag des europäischen Automobilzulieferer-Verbandes CLEPA. PwC hat dabei drei Szenarien für sieben Auto-produzierende EU-Länder untersucht, die von 50, 80 oder 100 Prozent elektrischen Neufahrzeugen im Jahr 2030 ausgehen. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien, Spanien und Tschechien.
Jobverluste bei Verbrennertechnik
Das Ergebnis tönt nach einem Horrorszenario: In der gesamten EU inklusive Grossbritannien werde eine 100-prozentige Elektrostrategie in der EU bis 2040 rund 500'000 Jobs gegenüber dem Stand von 2020 kosten. «Die Automobilindustrie wird bis spätestens 2050 klimaneutrale Mobilität liefern. Die deutschen Unternehmen investieren in den nächsten Jahren rund 150 Milliarden Euro in Zukunftstechnologien», sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Aber: «Es muss sichergestellt werden, dass der europäische Green Deal keine Technologien verbietet und nicht nur die Einführung der E-Mobilität unterstützt, sondern auch Anreize für Investitionen in Wasserstoff und E-Treibstoffe schafft», so Müller. E-Treibstoff oder auch E-Fuels können mittels regenerativer Energie und CO2 produziert werden und dann in herkömmlichen Verbrennungsmotoren genutzt werden.
Das VDA-Ziel ist damit klar: Fristverlängerung für den Verbrenner, um mehr Zeit für die Umschulung der Beschäftigten von Benzin- und Diesel- auf Elektrotechnologie zu haben. PwC prognostiziert den Jobrückgang ausdrücklich im Bereich der Verbrenner-Technologie. Elektroantriebe verfügen über weniger Teile und lassen sich weitgehend standardisieren. Damit sinkt der Entwicklungs- und Produktionsaufwand im Vergleich zum Verbrenner massiv. Auch wenn neue Mitarbeitende für die E-Antriebe hinzukommen, bleibt netto ein Verlust an Arbeitsplätzen, so PwC.
Studie klammert Software aus
Aber kommt es so schlimm? Ausgeklammert wird in der PwC-Studie das Thema Software. Die gilt als Schlüsseltechnologie des Autos der Zukunft. Während Elektro-Newcomer wie Tesla hier schon gut aufgestellt sind, haben die etablierten Hersteller massiven Nachholbedarf und bauen derzeit eigene Softwareschmieden auf. Gleichzeitig ist aber auch klar: Wer heute Dieselmotoren entwickelt, lässt sich nicht im Handumdrehen zum Software-Ingenieur umschulen. Einerseits werden Weiterqualifikationen die derzeit Beschäftigten in der Branche halten, gleichzeitig werden in der natürlichen Fluktuation aber viele Arbeitsplätze in neue Technologien umgeschichtet.
Die Boston Consulting Group (BCG) ging im Mai dieses Jahres in einer eigenen Studie davon aus, dass zwar rund 220'000 Jobs wegfallen werden, aber gleichzeitig auch 205'000 neue im Transformationsprozess entstehen. Die Wahrheit dürfte in der Mitte zwischen PwC und BCG liegen. Denn immer lohnt bei solchen Studien auch der Blick auf den Auftraggeber: Bei PwC waren es die noch stark in der Verbrenner-Technik verhafteten Autozulieferer, bei BCG die deutsche Organisation Agora Verkehrswende, die sich das Ziel eines CO2-neutralen Verkehrs bis 2045 gesetzt hat.