Herr Bach, was halten Sie von Veranstaltungen wie der Klimakonferenz in Glasgow? Richtungsweisend oder nur leere Worte?
Christian Bach: Vermutlich beides. Die Diskussion zeigt die enorme energetische, gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Heterogenität des Themas. Auch wenn ich mir mehr konkrete Beschlüsse gewünscht hätte, ist die Diskussion zur CO₂-Reduktion auf der weltweiten Ebene auch enorm wichtig.
Am Klimagipfel in Glasgow wurde quasi das Aus des Verbrennungsmotors ab 2040 beschlossen. Nur: Können wir auf dieser Welt alle bis dann wirklich elektrisch fahren?
Nein, ein Aus des Verbrennungsmotors wurde nicht beschlossen. Das wäre auch die falsche Stossrichtung. Nicht der Verbrennungsmotor ist das Feindbild, sondern die CO₂-Emissionen. Dies wird leider oft verwechselt. Doch zurück zu Ihrer Frage: Würden die Kosten keine Rolle spielen, wäre es möglich, Personenwagen mit Verbrennungsmotor in vielen Ländern zu einem grossen Teil durch Elektroautos zu ersetzen. Ob damit eine spürbare CO₂-Reduktion zustande käme, hängt unter anderem davon ab, wie der Strom erzeugt wird. Aber auch, wie sich die Gesellschaft verhält – ob die Leute dann vielleicht sogar mehr fahren oder fliegen. Falls ja, könnten die Emissionen sogar steigen! Zudem ist es ja nicht so, dass die Kosten keine Rolle spielen.
Die Willenserklärung für das Aus des Verbrenners in Glasgow bedeutet in der Konsequenz auch das Ende für synthetische Treibstoffe wie E-Fuels oder Bio-Diesel. Müsste man dies nicht differenzierter betrachten?
Doch, synthetische Treibstoffe werden bedauerlicherweise oft zu «übervereinfacht» diskutiert. Zentral ist die Frage, ob dank einer Technologie mehr erneuerbare Energie in das Energiesystem integriert werden kann – was zu einer CO₂-Reduktion führt. Oder ob man mit einer Technologie nur erneuerbare Energie aus dem Energiesystem rauszieht – was noch keine CO₂-Reduktion bedeutet. Mit synthetischen Treibstoffen ist es ganz klar Ersteres. In Wüstenregionen beispielsweise kann man erneuerbare Elektrizität für ein bis zwei Rappen pro Kilowattstunde produzieren. Aber man kann diese auf absehbare Zeit nicht als Elektrizität zu uns transportieren; wohl aber – und das sehr kostengünstig – umgewandelt in synthetische Energieträger.
Nach seiner Ausbildung zum Automobil-Ingenieur an der Fachhochschule Biel (1984 bis 1987) folgten Weiterbildungsaufenthalte im Haagen-Smith Laboratory des California Air Resources Board in El Monte zu «Zero- and Near Zero Emission Vehicles». Danach war Christian Bach (58) Projekt- und Gruppenleiter für leichte Motorwagen/Motorräder an der Empa – Spezialgebiet Schadstoffminderung und alternative Antriebe. Seit 2001 ist er bei der Empa Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme sowie Lehrbeauftragter «CAS/MAS Mobilität der Zukunft» an der ETH Zürich und für «Verkehrstechnik, Politik und Regulierung» an der Hochschule Luzern. Bach ist zudem Leiter Technik des Studienforums Schweiz für mobile Antriebstechnik und Mitglied verschiedener Fachgruppen.
Nach seiner Ausbildung zum Automobil-Ingenieur an der Fachhochschule Biel (1984 bis 1987) folgten Weiterbildungsaufenthalte im Haagen-Smith Laboratory des California Air Resources Board in El Monte zu «Zero- and Near Zero Emission Vehicles». Danach war Christian Bach (58) Projekt- und Gruppenleiter für leichte Motorwagen/Motorräder an der Empa – Spezialgebiet Schadstoffminderung und alternative Antriebe. Seit 2001 ist er bei der Empa Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme sowie Lehrbeauftragter «CAS/MAS Mobilität der Zukunft» an der ETH Zürich und für «Verkehrstechnik, Politik und Regulierung» an der Hochschule Luzern. Bach ist zudem Leiter Technik des Studienforums Schweiz für mobile Antriebstechnik und Mitglied verschiedener Fachgruppen.
E-Fuels sind heute noch um ein Vielfaches teurer als normales Benzin und der Wirkungsgrad im Vergleich zur E-Mobilität rund siebenmal schlechter. Warum sähen Sie dennoch eine Zukunft für E-Fuels?
Das sind Halbwahrheiten – nicht falsch, aber auch nicht richtig! Fakt ist: Es gibt bis 2050 keine Alternative zu E-Fuels für den Langstrecken- und Lastverkehr auf der Strasse, keine Alternative für 90 Prozent des Flugverkehrs und keine Alternative für 90 Prozent des Schiffsverkehrs. Wollen wir wirklich, dass diese Anwendungen fossil bleiben? Wie bei der Photovoltaik oder der E-Mobilität braucht es entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen und Anreizsysteme; dann geht das auch wirtschaftlich. Für E-Fuels fehlen diese Rahmenbedingungen heute.
Setzte die Autoindustrie zu früh bloss auf E-Mobilität – vielleicht auch wegen der Aussicht auf staatliche Förderungen?
Nicht die staatliche Förderung von Fahrzeugen war der Hebel, sondern die etwas verzerrte CO₂-Gesetzgebung, die nicht die gesamten Emissionen, sondern nur die Auspuffemissionen berücksichtigt. Für die Initiierung der E-Mobilität war das aber wichtig und notwendig. Wir gehen davon aus, dass 60 bis 80 Prozent der Personenwagen im Privatbereich in Zukunft rein elektrisch betrieben werden. Diese werden aber nur rund die Hälfte der Kilometer-Leistung erbringen. Die andere Hälfte wird durch deutlich weniger Fahrzeuge, etwa 20 bis 40 Prozent, erbracht, die längere Strecken absolvieren und mit Wasserstoff oder synthetischen Treibstoffen betrieben werden.
Was wäre im Mobilitätsbereich für Sie der richtige Weg im Kampf für den Klimaschutz?
An erster Stelle müsste der Ausstieg aus der fossilen Energie stehen. Sowohl bei den Treibstoffen als auch bei der elektrischen Energie. Und erst an zweiter Stelle sollte über die Frage des Antriebs diskutiert werden. Das ist zwar komplexer, dafür aber richtig. Die verschiedenen Antriebstechnologien sollten dort eingesetzt werden, wo sie vorteilhaft sind. Das ist zudem resilienter, kostengünstiger und mit höherer CO₂-Reduktion verbunden als die Fokussierung auf eine einzige Antriebstechnologie.